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Mobile Bürger im geliebten Heim

Ein Standard-Symposion über das Wohnen in der neuen Arbeitswelt
Ein immobiler Wohnungsmarkt führt zur Arbeitslosigkeit, eine kreative Wohnumgebung kann neue Arbeit schaffen. Über die Chancen der Politik und der gemeinnützigen Wohnwirtschaft, Wohnen und Arbeiten zu vereinbaren und Wohndienstleistungen besser verfügbar zu machen, diskutierten am Dienstag auf der von der Bank Austria gesponserten Veranstaltungsserie „Die Zukunft des Wohnen“ an die hundert Architekten, Politiker und Wohnbauexperten unter der Leitung von Standard-Chefredakteur Gerfried Sperl. Ein Bericht von Eric Frey.
5. Juni 1999 - Eric Frey
Die Zeiten, in denen der Durchschnittsbürger einen Ehepartner, einen Arbeitsplatz und eine Wohnung fürs Leben hatte, gehen auch in Österreich zuende. Nicht nur die Scheidungsraten steigen, sondern auch die Bereitschaft zum Jobwechsel. Ein Drittel der Österreicher wechseln jedes Jahr ihren Arbeitsplatz, war die Antwort des Ökonomen Michael Wagner-Pinter auf die Frage „Mobil oder Immobil“, die dem zweiten STANDARD-Symposions über die „Zukunft des Wohnens“ seinen Titel gab. „Die Österreicher halten sich zwar für immobil, aber die Zahlen zeigen, daß sie es sehr wohl sind“, sagte er.
Nur beim Wohnen ist die Mobilität der Alpenbürger noch nicht ganz so ausgeprägt wie in anderen Ländern. Geförderte Wohnungen, die den Mieter an den günstigen Wohnraum binden, und noch mehr die Liebe zum Eigenheim machen den Ortswechsel zu einem raren Vorgang - selbst dann, wenn im Heimatort die Arbeitsplätze knapp werden.
Klaus Lugger, den Geschäftsführer der Neue Heimat Tirol, sieht auch hier einen Wandel, zumindest bei der jüngeren Generation. „Die Jugend hält sich jene Wohnungen, die sie brauchen, unabhängig von Förderungen und anderen Überlegungen“, sagte er. Entscheidend für eine höhere Mobilität sei die Senkung von Transaktionskosten sowie die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs. Außerdem müßten besonders seine eigenen Landsleute in Sachen Eigenheim umdenken: „In Wien gibt es zu wenig Eigentum, in Tirol zu wenig Mitwohnungen.“
Leerstände
Dafür nehmen im ganzen Land die Leerstände zu, auch im geförderten Wohnsektor. Für Wagner-Pinter sind die Kosten dieser Leerstände „sehr gut investiert“, denn nur durch sie sei die für den Arbeitsmarkt nötige Mobilität überhaupt möglich.
Doch für den Ökonomen hat die österreichische Seßhaftigkeit auch positive Seiten. Die richtige Mischung aus Stabilität und Mobilität sei die beste Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft, sagte Wagner-Pinter: „Eine Wohnumwelt, wo ständig ein-und ausgezogen wird, führt nur zu Chaos und Vandalismus.“ Deshalb sollte man auch Phänomene wie Pendeln und Zweitwohnsitze erleichtern und nicht verhindern.
Problematischer ist allerdings die Heim- und Telearbeit. Zwar ist die Arbeit zu Hause für viele eine praktische Lösung, doch kann sie zu einer Isolierung von Kollegen und zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen. Besonders Frauen müßten aufpassen, daß der Kostendruck in der Wirtschaft, der Heimarbeit so attraktiv macht, nicht auf ihre Kosten geht, warnte Eva Kail von der Leitstelle „Alltags-und frauengerechtes Planen und Wohnen“ der Stadtbaudirektion Wien. Die Förderung von Dienstleistungen rund um das Wohnen können hingegen nicht nur neue Arbeit schaffen, sondern auch die Lebensqualität in der bewohnten Umgebung steigern.
Heimarbeit sei auch eine Gefahr für die Privatsphäre des Menschen, warnte Joachim Brech, den Geschäftsführer des Wohnbundes aus Frankfurt. Gleichzeitig aber eröffne die moderne Telekommunikationstechnologie neue, attraktive Perspektiven für das Verbinden von Arbeit und Freizeit. „Die Leute wollen voll vernetzt sein, aber im Lehmhaus wohnen“, beschrieb er den Traum des typischen grünen Internet-Freaks.
„Robuste Strukturen“
Für die Bauplanung ist die sich wandelnde Arbeitswelt eine der größten Herausforderungen. Niemand weiß, wo und wie er in einigen Jahren arbeiten wird: in einem fernab gelegenen Betrieb, als Selbständiger im Kellerlokal, oder zu Hause. Damit die Wohnbauwirtschaft auf diese Bedürfnisse eingehen kann, muß sie laut Wagner-Pinter „robuste Strukturen“ schaffen, die für viele Zwecke verwendbar sind. Ebenso wie im Berufsleben „lebenslanges Lernen“ gefragt ist, muß der Wohnbau von einer Planung Abschied nehmen, „die für hundert Jahre die Nutzung fixieren will“, sagte er. Moderne Wohnanlagen brauche flexible Räume, die sich für eine Kinderstätte ebenso wie für eine Selbsthilfegruppe, eine Werkstatt oder einen Computerraum eignen.
Denn in den kommenden Jahren wird die Nachfrage nach ehrenamtlichen und informellen Dienstleistungen wie Altenpflege, Kinderbetreuung, oder Kulturschaffung zunehmen. Darin waren sich auch die beiden politischen Diskutanten, Hans Sallmutter von der Gerwerkschaft für Privatangestellten (GPA) und der steierische Landesrat Herbert Paierl einig. Zwar warnte Sallmutter davor, daß es „genug Arbeit gibt, aber zu wenig bezahlte Arbeit“. Doch selbst wenn das Finanzamt und die Gewerkschaft diesen grauen Sektor nicht so gerne sehen - einen kleinen Platz im Wohnhaus gönnen ihm doch alle.
Nur beim Wohnen ist die Mobilität der Alpenbürger noch nicht ganz so ausgeprägt wie in anderen Ländern. Geförderte Wohnungen, die den Mieter an den günstigen Wohnraum binden, und noch mehr die Liebe zum Eigenheim machen den Ortswechsel zu einem raren Vorgang - selbst dann, wenn im Heimatort die Arbeitsplätze knapp werden.
Klaus Lugger, den Geschäftsführer der Neue Heimat Tirol, sieht auch hier einen Wandel, zumindest bei der jüngeren Generation. „Die Jugend hält sich jene Wohnungen, die sie brauchen, unabhängig von Förderungen und anderen Überlegungen“, sagte er. Entscheidend für eine höhere Mobilität sei die Senkung von Transaktionskosten sowie die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs. Außerdem müßten besonders seine eigenen Landsleute in Sachen Eigenheim umdenken: „In Wien gibt es zu wenig Eigentum, in Tirol zu wenig Mitwohnungen.“
Leerstände
Dafür nehmen im ganzen Land die Leerstände zu, auch im geförderten Wohnsektor. Für Wagner-Pinter sind die Kosten dieser Leerstände „sehr gut investiert“, denn nur durch sie sei die für den Arbeitsmarkt nötige Mobilität überhaupt möglich.
Doch für den Ökonomen hat die österreichische Seßhaftigkeit auch positive Seiten. Die richtige Mischung aus Stabilität und Mobilität sei die beste Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft, sagte Wagner-Pinter: „Eine Wohnumwelt, wo ständig ein-und ausgezogen wird, führt nur zu Chaos und Vandalismus.“ Deshalb sollte man auch Phänomene wie Pendeln und Zweitwohnsitze erleichtern und nicht verhindern.
Problematischer ist allerdings die Heim- und Telearbeit. Zwar ist die Arbeit zu Hause für viele eine praktische Lösung, doch kann sie zu einer Isolierung von Kollegen und zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen. Besonders Frauen müßten aufpassen, daß der Kostendruck in der Wirtschaft, der Heimarbeit so attraktiv macht, nicht auf ihre Kosten geht, warnte Eva Kail von der Leitstelle „Alltags-und frauengerechtes Planen und Wohnen“ der Stadtbaudirektion Wien. Die Förderung von Dienstleistungen rund um das Wohnen können hingegen nicht nur neue Arbeit schaffen, sondern auch die Lebensqualität in der bewohnten Umgebung steigern.
Heimarbeit sei auch eine Gefahr für die Privatsphäre des Menschen, warnte Joachim Brech, den Geschäftsführer des Wohnbundes aus Frankfurt. Gleichzeitig aber eröffne die moderne Telekommunikationstechnologie neue, attraktive Perspektiven für das Verbinden von Arbeit und Freizeit. „Die Leute wollen voll vernetzt sein, aber im Lehmhaus wohnen“, beschrieb er den Traum des typischen grünen Internet-Freaks.
„Robuste Strukturen“
Für die Bauplanung ist die sich wandelnde Arbeitswelt eine der größten Herausforderungen. Niemand weiß, wo und wie er in einigen Jahren arbeiten wird: in einem fernab gelegenen Betrieb, als Selbständiger im Kellerlokal, oder zu Hause. Damit die Wohnbauwirtschaft auf diese Bedürfnisse eingehen kann, muß sie laut Wagner-Pinter „robuste Strukturen“ schaffen, die für viele Zwecke verwendbar sind. Ebenso wie im Berufsleben „lebenslanges Lernen“ gefragt ist, muß der Wohnbau von einer Planung Abschied nehmen, „die für hundert Jahre die Nutzung fixieren will“, sagte er. Moderne Wohnanlagen brauche flexible Räume, die sich für eine Kinderstätte ebenso wie für eine Selbsthilfegruppe, eine Werkstatt oder einen Computerraum eignen.
Denn in den kommenden Jahren wird die Nachfrage nach ehrenamtlichen und informellen Dienstleistungen wie Altenpflege, Kinderbetreuung, oder Kulturschaffung zunehmen. Darin waren sich auch die beiden politischen Diskutanten, Hans Sallmutter von der Gerwerkschaft für Privatangestellten (GPA) und der steierische Landesrat Herbert Paierl einig. Zwar warnte Sallmutter davor, daß es „genug Arbeit gibt, aber zu wenig bezahlte Arbeit“. Doch selbst wenn das Finanzamt und die Gewerkschaft diesen grauen Sektor nicht so gerne sehen - einen kleinen Platz im Wohnhaus gönnen ihm doch alle.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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