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Von Menschenteppich und Kondomgesellschaft
Von Menschenteppich und Kondomgesellschaft, Pressebild: Martina Pfeifer Steiner
newroom
26. Januar 2021 - Martina Pfeifer Steiner
Franz Eberhard Kneissl war Architekt, Schriftsteller und Künstler. Er wäre im Februar 76 Jahre alt geworden und ist vor 10 Jahren verstorben. Es ist nunmehr die dritte Ausstellung, die in der Galerie ZUGänglicheKunst im Bahnhofsgebäude von Pörtschach am Wörthersee das außergewöhnliche bildnerische Werk Kneissls vermittelt. Großes Staunen, denn Kneissls Bilder packen uns emotional im Jetzt – in dieser Ausnahmesituation der Pandemie. Und das Frappante daran: wir können davon auch in seinen Büchern lesen!

Betrachtet man das gesamte Werk von Franz E. Kneissl (1945–2011), das mit der Herausgabe der Texte „Der Praterstern ist kein Himmelskörper“ und in der Ausstellung seiner Bilder anschaulich wird, darf man frei von Interpretation feststellen, dass seine Themen, seine Ideen auf bildnerischer wie literarischer Ebene gleichwertig und konsequent behandelt sind. Er erfand neue Begriffe für seine Beobachtungen von Phänomenen, es gibt Texte, genauso gibt es Bilder. Eine seiner Erfindungen ist MOBA, >ein nebuloses, weißliches, gräuliches, manchmal ins ranzig Gelbliche changierendes Gebilde<. Moba spielt in Kneissls ersten Roman eine Hauptrolle und verselbständigt sich später. Es hätte sich noch weiterentwickelt, wie aus seinen >Notizen zu Bildern:< ersichtlich.

Der Begriff „Menschenteppich“ kommt ebenfalls immer schon vor – seitdem Kneissl sich literarisch äußerte in seinen Texten, jedoch übermäßig und vor allem in seinen Bildern. Die Bildunterschriften sind eigentlich Textminiaturen, die sich ähnlich einer digitalen Leuchtschrift ändern hätten können: >EIN GEIERMENSCHENTEPPICH, EINEN SCHWEINEMENSCHENTEPPICH VERFOLGEND< oder >IM GRUNDE DÜRFTE DER MENSCHENTEPPICH EIN DERARTIG ÜBERFRACHTETES SCHIFF NICHT ZULASSEN<.

Man kann sich mit Hilfe seiner Texte weiterhanteln: >Die Wolke verdichtet sich zu einem hinaufprojizierten, himmelsbedeckenden Bild. Dem Bild einer Ansiedlung riesiger, hochaufragender Kondome mit bizarren Musterungen und wilden Ausformungen, in deren Innerem es pulsiert.
Die Kondome sind für den Verkehr ohne Berührung. Die industrielle Handhabung des Menschenteppichs verläuft nicht über das einzelne, sondern über gesammelte, gleichzubehandelnde Kontingente. In reale oder imaginäre Häute abgepackt ist das Vielfache leichter zu beherrschen. Die dünne Plastikhaut ist die nach dem Erfinder bezeichnete Urform für Verkehr ohne Berührung. Es war die Geburtsstunde einer um die Welt gehenden Idee: Zu kontingentieren sowie zu separieren, um ungewollte, unangemessene oder gar die Gesundheit gefährdende bis lebensbedrohliche Berührung systematisch zu vermeiden.<

Menschenmassen, Verkehr ohne Berührung, kondomartige Schutzkleidung, Masken ... in Zeiten wie diesen lassen Assoziationen und die Begriffe krasse sowie real gewordene Varianten dazu finden. Kneissls Nachlass gibt viel brisanten Stoff, er formulierte seine Konstrukte akribisch aus, literarisch wie zeichnerisch. Dass er den Nerv der Zeit so schonungslos scharf und immer aufs Neue getroffen hat, ist eigentlich unheimlich.

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