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Vom Grundriß bis zum Fenster
Wie ein großes Atelier hat man sich das Wiener Bauamt der Zwischen- und der Nachkriegszeit vorzustellen. Aus dem Kollektiv der „beamteten“ Architekten ragt einer heraus, dem das „Architektur Zentrum Wien“ jetzt eine Ausstellung widmet: Erich Leischner.
12. Juni 1999 - Friedrich Achleitner
Der Versuch, die Wiener „beamtete Architektur“ in ihrem eigenen Kontext zu beschreiben, ist generell noch nicht unternommen worden. Man muß gar nicht auf so prominente Beispiele wie den Biedermeierarchitekten und k. k. Hofbaurat Paul Wilhelm Eduard Sprenger (1798 bis 1854) zurückgreifen, um behaupten zu können, daß beamtete Architekten oft sehr wesentlich in die Architekturentwicklung dieser Stadt eingegriffen haben.
Die Rolle des Architekten ist eine Geschichte der Emanzipation aus feudalen Abhängigkeiten, die mit der Entwicklung des Bürgertums parallel verlief und in der später auch die Verwaltungsapparate des Staates und der Kommunen eine große Rolle spielten. Die beiden Weltkriege beschleunigten diese Entwicklung: nach 1918 in Wien durch das Bauprogramm der sozialdemokratischen Stadtverwaltung und nach 1945 durch die generellen Probleme des Wiederaufbaus einer teilweise sehr zerstörten Stadt. Diese beiden expandierenden Bauphasen hätten bei weitem das Planungspotential der Ämter überfordert, sodaß sich schon aus dieser Situation heraus eine „Partnerschaft“ mit den freien Architekten ergab.
Damit wurde aber der „beamtete Architekt“in zunehmendem Maße auch zum „Bauherrn“ für den „freien“ Architekten. Dieses Verhältnis mußte vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Not (Arbeitslosigkeit) zu Spannungen führen, da schließlich Vertreter ein und desselben Berufes in zwei diametral entgegengesetzten gesellschaftlichen aufeinandertrafen. Das führte teilweise sogar zu einer emotionalen Abqualifikation des beamteten Architekten. Noch in den frühen fünfziger Jahren war jemand an der Akademie „gezeichnet“, wenn bekannt wurde, daß dieser in den Beamtenstand abwanderte. Die ökonomische Sicherheit zu suchen war nach einem ungeschriebenen Kodex der Jungarchitekten eine Art Aufgabe der „schöpferischen Freiheit“, also eine Rückwanderung in alte Abhängigkeiten und damit ein „Verrat“ an der Architektur.
Man hatte also damals schon vergessen, daß die großen Architekturleistungen der Vergangenheit nur in solchen Abhängigkeiten entstanden sind, in Verhältnissen allerdings, die mit den modernen Baubürokratien nicht vergleichbar waren. Umgekehrt pasß heute in dieses Bild die Verwunderung über die Tatsache, daß es einmal im republikanischen Österreich Baubeamte gab, deren Entwurfsleistungen sich durchwegs mit denen freier Architekten messen konnten.
Diese Skizze stützt sich vorwiegend auf die erfaßten Bauten der Bezirke eins bis 18, die den bekannten Architekten des Stadtbauamtes zuzuschreiben sind. Ein Gros dieser Bauten ist anonym geblieben, und es sind dies nicht die hervorragenden. Hinter der Mitteilung „Planung: Wiener Stadtbauamt“ verbergen sich natürlich Persönlichkeiten die ausgeforscht werden können. Man muß aber mit „Verfassern“ vorsichtig sein, da nicht unbedingt jener, der den Plan gezeichnet hat (im doppelten Sinne des Wortes), auch der Verfasser sein mußte. Hervorragende Zeichner wie Erich F. Leischner sind auf Grund ihrer Fähigkeiten zu verschiedenen Projekten herangezogen worden, und man kann sich die damalige Magistratsabteilung 22 auch als großes Atelier vorstellen, in dem die unterschiedlichen Projekte diskutiert wurden und jedes mehrere Väter haben konnte.
Wenn man sich die Gruppe der namentlich mit bestimmten Bauten in Beziehung stehenden Architekten genauer ansieht, fällt zunächst auf, daß es einerseits eine Spezialisierung in der MA 22 gab –Geschoßwohnbau, Folgeeinrichtungen und Siedlungsbau et cetera – und in jeder Gruppe so etwas wie eine repräsentative Figur wirkte. Die Wohnbauer Engelbert Mang, Gottlieb Michal, Konstantin Peller, Wilhelm Peterle, Karl Schmalhofer und Franz Wiesmann waren sichtbar, nach dem Bauvolumen gemessen, von Karl Ehn dominiert, obwohl sich andererseits die Arbeiten untereinander und auch von Ehn stark unterscheiden.
Es gibt aber keine Arbeiten der Beamtenschaft, die architektonisch so stark waren (auch nicht der legendäre Karl-MarxHof), daß man annehmen müßte, sie hätten die Entwürfe der freischaffenden Architekten richtunggebend beeinflußt. Dieser „stabilisierende“ und vielfach auch als Knebelung empfundene Einfluß bestand eher in Richtung eines verbindlichen Regelwerks oder der Normung von Elementen, vom Grundriß bis zum Fenster.
Die kleine Fraktion der Siedlungsbauer besteht eigentlich (von den veröffentlichten Namen) nur aus Karl Schartelmüller, Hugo Mayer und Heinrich Schlöss.
Bleiben noch der „Bauinspektor“ Josef Bittner (später Leiter der Architekturabteilung), der mit frühen Planungen für die Stadtgartendirektion und Bauten für die städtischen Gas- und Elektrizitätswerke hervortrat, bevor er eine Art PR-Funktion für die Bautätigkeit der Stadt übernahm und zahlreiche Schriften verfaßte; oder Max Fiebiger, Stadtbaudirektor, der sich noch vor dem Ersten Weltkrieg als Bauleiter (unter Friedrich Jäckel) seine ersten Verdienste erwarb.
Unter all den mehr oder weniger ausgewiesenen Spezialisten ist aber Erich F. Leischner der Spezialist in verschiedensten Bereichen, also eigentlich ein gestaltender Generalist. Interessant ist die Unbekümmertheit, das Vertrauen auf die Fülle seiner gestalterischen Mittel und die (zumindest scheinbare) Sicherheit, wie das jeweilige „Vokabular“ einzusetzen ist. Leischner scheint einen sicheren und auch vermittelbaren Sinn für architektonische Mitteilungen besessen zu haben. Seine Wasserbehälter, die er praktisch noch als Student entworfen hat, erinnern an die Topoi Schloß, Villa, Wasserschloß und Quellheiligtum, sind Überformungen landschaftlich ausgezeichneter Punkte, seine Kinderfreibäder haben die Leichtigkeit temporärer Bauten, eine spielerische Durchlässigkeit mit großen Schattenzonen, seine Wohnbauten gehen den Weg von einem am tschechischen Kubismus anstreifenden pompösen Expressionismus bis zu sachlicher Schlichtheit, die aber nicht auf die strukturelle Kraft geputzter Ziegelmauern vergißt oder im Städtebaulichen eine an Camillo Sitte erinnernde Sensibilität für den Ort entwickelt.
Das Umspannwerk Süd in seiner klassischen Strenge könnte auch ein Wagner-Schüler entworfen haben, während der Kindergarten vom Sandleitenhof die Julius Tandlerschen Träume einer heilen, bürgerlichen Welt für Kinder realisiert. Die Bauten von Leischner wirken alle nicht vorgedacht. Sie reagieren mit großem Talent und Geschick auf reale Aufgaben. Man hat nicht den Eindruck, daß Leischner ein großer Anreger (vielleicht für seine Kollegen in der MA 22), aber sicher ein Vermittler, Transformierer und Anwender war, der auch gute Antennen für den Zeitgeist besaß.
Da es bis heute immer wieder Versuche gibt, für die Bauleistungen der Stadt Wien in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren eine Art theoretischen Überbau zu konstruieren, die alle natürlich einzelne Aspekte beleuchten und vielleicht auch klären, sei jedoch daran erinnert, daß heute die Entwurfspraxis dieser Architektengeneration völlig vergessen wird. Jan Tabor sieht das vermutlich richtig, wenn er in der Entwurfsabteilung des Bauamtes jenen Ort vermutet, an dem die direkte politische Einflußnahme auf das Baugeschehen war. Denn diese Entwürfe entstanden unter Zeitdruck, aus politischem Prestigedenken, sozialen Programmen, entlang bau- und produktionstechnischen, ökonomischen, gestalterischen und ästhetischen Zwängen und Ressourcen.
Es ging also um konkrete Bauaufgaben, die im entwerferischen Alltag bewältigt werden mußten. Der gigantische Umfang und die Vielfalt der Bauaufgaben ließ den Planern keine Zeit zu theoretischen Konzepten, auch wenn sie die Fähigkeit dazu gehabt hätten, was allerdings zu bezweifeln ist. So ist es auch kein Zufall, daß diese „konzeptuellen Störungen“ von außen und von unterbeschäftigten Privatarchitekten kamen, die, etwa wie Adolf Loos, prinzipielle Denkansätze entwickelten oder, wie Josef Frank, aus einer distanzierten, werkbündischen Position einen kritischen Rahmen konstruieren konnten. Die Architektur der im Bauamt tätigen Architekten ist damit viel eher als ein kollektives Phänomen zu betrachten, das sich auf Grund der Fähigkeiten dieser Architekten unterschiedlich ausdrückte und das einen Weg der Klärung der Mittel von den Jahren 1923 bis 1933 durchschritt, aber auch in kurzer Zeit einen beträchtlichen Erfahrungsschatz ansammelte.
So könnte man diese Architektur als ideale und komplette Widerspiegelung aller Probleme und Sorgen, aller Fähigkeiten und Mängel, aller Wunschbilder und Träume der Zeit bezeichnen. Das ist auch der Grund dafür, daß der „Gemeindebau“ (abgesehen von bürgerlicher Kritik) immer akzeptiert war, daß seine Fassaden keine ästhetischen Diskussionen auslösten, daß sie ein eindrucksvolles Bild von sozialem Fortschritt und seinen Ritualen vermitteln konnten, weil sie auf allen Ebenen ein befriedigendes Bild vom sozialen Aufbruch und Fortschritt liefern konnten.
[ Die Ausstellung „Amt Macht Stadt – Erich Leischner und das Wiener Stadtbauamt“ist vom 16. Juni bis zum 2. August im „Architektur Zentrum Wien“ (Wien VII, Museumsplatz 1) zu sehen (täglich von 10 bis 19 Uhr). Friedrich Achleitners Beitrag erscheint, in erweiterter Form, demnächst in dem Band „Erich Leischner und das Wiener Stadtbauamt“ (Pustet Verlag, Salzburg). ]
Die Rolle des Architekten ist eine Geschichte der Emanzipation aus feudalen Abhängigkeiten, die mit der Entwicklung des Bürgertums parallel verlief und in der später auch die Verwaltungsapparate des Staates und der Kommunen eine große Rolle spielten. Die beiden Weltkriege beschleunigten diese Entwicklung: nach 1918 in Wien durch das Bauprogramm der sozialdemokratischen Stadtverwaltung und nach 1945 durch die generellen Probleme des Wiederaufbaus einer teilweise sehr zerstörten Stadt. Diese beiden expandierenden Bauphasen hätten bei weitem das Planungspotential der Ämter überfordert, sodaß sich schon aus dieser Situation heraus eine „Partnerschaft“ mit den freien Architekten ergab.
Damit wurde aber der „beamtete Architekt“in zunehmendem Maße auch zum „Bauherrn“ für den „freien“ Architekten. Dieses Verhältnis mußte vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Not (Arbeitslosigkeit) zu Spannungen führen, da schließlich Vertreter ein und desselben Berufes in zwei diametral entgegengesetzten gesellschaftlichen aufeinandertrafen. Das führte teilweise sogar zu einer emotionalen Abqualifikation des beamteten Architekten. Noch in den frühen fünfziger Jahren war jemand an der Akademie „gezeichnet“, wenn bekannt wurde, daß dieser in den Beamtenstand abwanderte. Die ökonomische Sicherheit zu suchen war nach einem ungeschriebenen Kodex der Jungarchitekten eine Art Aufgabe der „schöpferischen Freiheit“, also eine Rückwanderung in alte Abhängigkeiten und damit ein „Verrat“ an der Architektur.
Man hatte also damals schon vergessen, daß die großen Architekturleistungen der Vergangenheit nur in solchen Abhängigkeiten entstanden sind, in Verhältnissen allerdings, die mit den modernen Baubürokratien nicht vergleichbar waren. Umgekehrt pasß heute in dieses Bild die Verwunderung über die Tatsache, daß es einmal im republikanischen Österreich Baubeamte gab, deren Entwurfsleistungen sich durchwegs mit denen freier Architekten messen konnten.
Diese Skizze stützt sich vorwiegend auf die erfaßten Bauten der Bezirke eins bis 18, die den bekannten Architekten des Stadtbauamtes zuzuschreiben sind. Ein Gros dieser Bauten ist anonym geblieben, und es sind dies nicht die hervorragenden. Hinter der Mitteilung „Planung: Wiener Stadtbauamt“ verbergen sich natürlich Persönlichkeiten die ausgeforscht werden können. Man muß aber mit „Verfassern“ vorsichtig sein, da nicht unbedingt jener, der den Plan gezeichnet hat (im doppelten Sinne des Wortes), auch der Verfasser sein mußte. Hervorragende Zeichner wie Erich F. Leischner sind auf Grund ihrer Fähigkeiten zu verschiedenen Projekten herangezogen worden, und man kann sich die damalige Magistratsabteilung 22 auch als großes Atelier vorstellen, in dem die unterschiedlichen Projekte diskutiert wurden und jedes mehrere Väter haben konnte.
Wenn man sich die Gruppe der namentlich mit bestimmten Bauten in Beziehung stehenden Architekten genauer ansieht, fällt zunächst auf, daß es einerseits eine Spezialisierung in der MA 22 gab –Geschoßwohnbau, Folgeeinrichtungen und Siedlungsbau et cetera – und in jeder Gruppe so etwas wie eine repräsentative Figur wirkte. Die Wohnbauer Engelbert Mang, Gottlieb Michal, Konstantin Peller, Wilhelm Peterle, Karl Schmalhofer und Franz Wiesmann waren sichtbar, nach dem Bauvolumen gemessen, von Karl Ehn dominiert, obwohl sich andererseits die Arbeiten untereinander und auch von Ehn stark unterscheiden.
Es gibt aber keine Arbeiten der Beamtenschaft, die architektonisch so stark waren (auch nicht der legendäre Karl-MarxHof), daß man annehmen müßte, sie hätten die Entwürfe der freischaffenden Architekten richtunggebend beeinflußt. Dieser „stabilisierende“ und vielfach auch als Knebelung empfundene Einfluß bestand eher in Richtung eines verbindlichen Regelwerks oder der Normung von Elementen, vom Grundriß bis zum Fenster.
Die kleine Fraktion der Siedlungsbauer besteht eigentlich (von den veröffentlichten Namen) nur aus Karl Schartelmüller, Hugo Mayer und Heinrich Schlöss.
Bleiben noch der „Bauinspektor“ Josef Bittner (später Leiter der Architekturabteilung), der mit frühen Planungen für die Stadtgartendirektion und Bauten für die städtischen Gas- und Elektrizitätswerke hervortrat, bevor er eine Art PR-Funktion für die Bautätigkeit der Stadt übernahm und zahlreiche Schriften verfaßte; oder Max Fiebiger, Stadtbaudirektor, der sich noch vor dem Ersten Weltkrieg als Bauleiter (unter Friedrich Jäckel) seine ersten Verdienste erwarb.
Unter all den mehr oder weniger ausgewiesenen Spezialisten ist aber Erich F. Leischner der Spezialist in verschiedensten Bereichen, also eigentlich ein gestaltender Generalist. Interessant ist die Unbekümmertheit, das Vertrauen auf die Fülle seiner gestalterischen Mittel und die (zumindest scheinbare) Sicherheit, wie das jeweilige „Vokabular“ einzusetzen ist. Leischner scheint einen sicheren und auch vermittelbaren Sinn für architektonische Mitteilungen besessen zu haben. Seine Wasserbehälter, die er praktisch noch als Student entworfen hat, erinnern an die Topoi Schloß, Villa, Wasserschloß und Quellheiligtum, sind Überformungen landschaftlich ausgezeichneter Punkte, seine Kinderfreibäder haben die Leichtigkeit temporärer Bauten, eine spielerische Durchlässigkeit mit großen Schattenzonen, seine Wohnbauten gehen den Weg von einem am tschechischen Kubismus anstreifenden pompösen Expressionismus bis zu sachlicher Schlichtheit, die aber nicht auf die strukturelle Kraft geputzter Ziegelmauern vergißt oder im Städtebaulichen eine an Camillo Sitte erinnernde Sensibilität für den Ort entwickelt.
Das Umspannwerk Süd in seiner klassischen Strenge könnte auch ein Wagner-Schüler entworfen haben, während der Kindergarten vom Sandleitenhof die Julius Tandlerschen Träume einer heilen, bürgerlichen Welt für Kinder realisiert. Die Bauten von Leischner wirken alle nicht vorgedacht. Sie reagieren mit großem Talent und Geschick auf reale Aufgaben. Man hat nicht den Eindruck, daß Leischner ein großer Anreger (vielleicht für seine Kollegen in der MA 22), aber sicher ein Vermittler, Transformierer und Anwender war, der auch gute Antennen für den Zeitgeist besaß.
Da es bis heute immer wieder Versuche gibt, für die Bauleistungen der Stadt Wien in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren eine Art theoretischen Überbau zu konstruieren, die alle natürlich einzelne Aspekte beleuchten und vielleicht auch klären, sei jedoch daran erinnert, daß heute die Entwurfspraxis dieser Architektengeneration völlig vergessen wird. Jan Tabor sieht das vermutlich richtig, wenn er in der Entwurfsabteilung des Bauamtes jenen Ort vermutet, an dem die direkte politische Einflußnahme auf das Baugeschehen war. Denn diese Entwürfe entstanden unter Zeitdruck, aus politischem Prestigedenken, sozialen Programmen, entlang bau- und produktionstechnischen, ökonomischen, gestalterischen und ästhetischen Zwängen und Ressourcen.
Es ging also um konkrete Bauaufgaben, die im entwerferischen Alltag bewältigt werden mußten. Der gigantische Umfang und die Vielfalt der Bauaufgaben ließ den Planern keine Zeit zu theoretischen Konzepten, auch wenn sie die Fähigkeit dazu gehabt hätten, was allerdings zu bezweifeln ist. So ist es auch kein Zufall, daß diese „konzeptuellen Störungen“ von außen und von unterbeschäftigten Privatarchitekten kamen, die, etwa wie Adolf Loos, prinzipielle Denkansätze entwickelten oder, wie Josef Frank, aus einer distanzierten, werkbündischen Position einen kritischen Rahmen konstruieren konnten. Die Architektur der im Bauamt tätigen Architekten ist damit viel eher als ein kollektives Phänomen zu betrachten, das sich auf Grund der Fähigkeiten dieser Architekten unterschiedlich ausdrückte und das einen Weg der Klärung der Mittel von den Jahren 1923 bis 1933 durchschritt, aber auch in kurzer Zeit einen beträchtlichen Erfahrungsschatz ansammelte.
So könnte man diese Architektur als ideale und komplette Widerspiegelung aller Probleme und Sorgen, aller Fähigkeiten und Mängel, aller Wunschbilder und Träume der Zeit bezeichnen. Das ist auch der Grund dafür, daß der „Gemeindebau“ (abgesehen von bürgerlicher Kritik) immer akzeptiert war, daß seine Fassaden keine ästhetischen Diskussionen auslösten, daß sie ein eindrucksvolles Bild von sozialem Fortschritt und seinen Ritualen vermitteln konnten, weil sie auf allen Ebenen ein befriedigendes Bild vom sozialen Aufbruch und Fortschritt liefern konnten.
[ Die Ausstellung „Amt Macht Stadt – Erich Leischner und das Wiener Stadtbauamt“ist vom 16. Juni bis zum 2. August im „Architektur Zentrum Wien“ (Wien VII, Museumsplatz 1) zu sehen (täglich von 10 bis 19 Uhr). Friedrich Achleitners Beitrag erscheint, in erweiterter Form, demnächst in dem Band „Erich Leischner und das Wiener Stadtbauamt“ (Pustet Verlag, Salzburg). ]
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