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Bad Gastein im Umbruch – ist die Zeit des Klotzens vorbei?
Fest steht: Bad Gastein ist einzigartig. Ob geplante Rieseninvestitionen den Charakter des Kurorts erhalten werden, ist indes fraglich. Liebhaber des Ortes sind skeptisch.
22. März 2021 - Karin Tschavgova
Man muss lange suchen, um jemanden zu finden, der es nicht kennt. Zumindest ein Bild von Bad Gastein, ein ziemlich exaktes, hat jeder im Kopf. Wer schon einmal dort war oder Kindheitserinnerungen an den Ort hat, wer den Kurort also von früher kennt, der hat die Erzählungen über Entwicklungen der vergangenen Jahre mit Freude aufgenommen. Deutsche Wochenmagazine berichteten vom vorsichtigen unternehmerischen Neustart durch Gastein-Liebhaber, von Frischzellenkuren für eine Handvoll Hotels, denen mit kleinem Budget, aber großem Gespür für den Wert des Bestehenden neues Leben eingehaucht wurde. Kreative Köpfe im Ort richteten ein Café im Kraftwerk ein, ein sommerliches Art-Festival wurde ins Leben gerufen, und Yoga-Tage wurden Bestandteil der neuen Angebote.
Bei einem Aufenthalt im Oktober 2020 fiel mein Lokalaugenschein dann doch eher deprimierend aus: Noch waren Leerstand, langsamer Verfall und Abbruchspuren ortsbeherrschend, aber auch ungepflegte Plätze und holprige Wege, nachlässig reparierte Straßen und verlotterte Bushaltestellen.
Zuversicht war da im Wissen, dass die Zukunft für einen in seiner Charakteristik und Einzigartigkeit wiederbelebten, der Zeit angepassten Ort der Erholung schon begonnen hat. 2017 konnte das Land den leer stehenden Straubinger-Komplex, der knapp am Wasserfall liegt, von Investoren zurückkaufen, die ihre Besitztümer jahrzehntelang hatten verfallen lassen. Nach ersten Erhaltungsmaßnahmen wurden das Hotel, das fürsterzbischöfliche Badeschloss und die Alte Post an eine deutsche Investorengruppe weiterverkauft. Dann war Funkstille.
Im Februar 2021 präsentierte der neue Eigentümer in einer Pressekonferenz – ihm zur Seite Landeshauptmann, Bürgermeister sowie Erich Bernard und Markus Kaplan von BWM Architekten – detaillierte Pläne für das unter Schutz stehende Ensemble. Man erfuhr, dass alle Bewilligungen im Behördenverfahren im Einklang mit dem Bundesdenkmalamt und dem Gestaltungsbeirat der BH Sankt Johann im Pongau erteilt worden waren. Das gewaltige Rauschen im Blätterwald mit Titeln wie „Die mondäne Welt in den Alpen kehrt wieder“ und „Neues Hochhaus für das Manhattan der Alpen“ schien die Euphorie zu bestätigen.
Die Kritik, die dennoch aufgepoppt ist, erläutert anhand des geplanten vertikal ausgerichteten Zubaus, der das Ensemble direkt im Anschluss an das Badeschloss bergseitig ergänzen wird, dass das 1997 beschlossene Entwicklungskonzept für Bad Gastein nicht eingehalten wird. In diesem heißt es, dass in Ortsteilen das geschlossene Ortsbild und dessen Charakteristik zu pflegen und zu erhalten sind und bei Neubauten und Renovierungen auf ausgewogene Proportionen zu achten ist. Das „Hochhaus“ wird die höchste Stelle des Badeschlosses, den Dachfirst, um beinahe 30 Meter und den Straubingerplatz, der die Mitte der beiden neuen Hotels bildet, inklusive Zugang zum auf dem Dach geplanten Pool um knapp 54 Meter überragen. Der gar nicht schlanke Neubau hält, selbst wenn eine farblich zurückhaltende Gestaltung seiner Fassaden vor der Naturkulisse des steil aufragenden Talschlusses vorgesehen ist, einem Vergleich mit der gründerzeitlichen Bebauung nicht stand.
Dominante Kubaturen der Belle-Époque-Hotels wie das L'Europe sind nämlich, genau betrachtet, keine in die Höhe wachsenden „Hochhäuser“, auch wenn sie immer wieder als solche bezeichnet werden. Es sind scheibenförmige Bauwerke, die sich von ihrer Eingangsebene „souterrain“, als Substruktionen, annähernd so weit nach unten erstrecken wie nach oben. Diese unvergleichbare Bauweise ist der besonderen Topografie geschuldet, der enormen Steilheit des Geländes um den Wasserfall, von dem aus sich der Badeort entwickelte. Mit dem vertikalen Bauboom in Manhattan hat das historische Bad Gastein, das sich in früheren Zeiten nicht nur am Straubingerplatz fast als geschlossene Bebauung zeigte, also nichts gemein. Nun könnte man einwenden, dass nicht das erste Mal mit der Stadtentwicklung in Bad Gastein gebrochen wird und neue Zeiten neue Formen der Bebauung verlangen. Das stimmt. Nicht alles, was zur Ankurbelung eines neuen Tourismus nach dem Krieg gebaut wurde, fügt sich harmonisch in den steilen Hang. Auch Garstenauer setzte mit der „Horizontalen“ des Kongresszentrums, das mit seiner platzartigen Erweiterung und dem begehbaren Flachdach als Sonnenterrasse das Zentrum bildet, einen markanten Kontrapunkt. Für den Architekten, der in Bad Gastein zudem das Felsenbad und die Parkgarage plante, war das der sichtbare Ausdruck eines Ortes der Begegnung. Friedrich Achleitner bewertete diese Strukturveränderung der 1960er als Bereicherung des Ortsbildes, die Architekturkritikerin wiederum sieht im Kongresszentrum eine Spange, die im Zusammenspiel mit Topografie und Ortsbild das Verbindende verdeutlicht.
Erklärt wurde, dass es den „Turm“ mit zusätzlichen 88 Zimmern brauche, weil die Bestandsfläche von 13.000 Quadratmetern nicht ausreichend sei, um die ökonomisch notwendige Anzahl von Betten zu schaffen. Diese Argumentation ist sattsam bekannt. Doch ist dieses „Immer mehr, immer luxuriöser, immer höher“ noch zeitgemäß? Müssen wir nicht davon ausgehen, dass der Klimawandel uns eine einschneidende Änderung des Lebensstils abverlangt, dass Beschränkung und Wertewandel unser Leben künftig prägen werden? Außerdem: ob sie schlüssig ist in Zeiten einer nach der Pandemie von vielen vorausgesagten Rezession? Bad Gastein sollte auch diesbezüglich aus seiner Geschichte lernen.
Durch Abriss historischer Bauten, wie er mehrfach genehmigt wurde und dem Hotel Mirabell bevorsteht, und unsensibel gesetzte Neubauten sieht der Architekturhistoriker Norbert Mayr „das einzigartige Spannungsverhältnis zwischen den Gründerzeit-Wolkenkratzern, die sich durch einen dominanten Auftritt behaupten, und den Steilhängen des Talkessels, die erfolgreich dagegenhielten“, akut gefährdet. Der das Ortsbild prägende Dialog zwischen Kulturlandschaft und Baukultur sei mit dem Punkthochhaus, das überall stehen könnte, zu Ende. Bekanntheit und besondere Anziehung verdankt Bad Gastein seiner Einzigartigkeit. Pioniere eines Neustarts wie die Hoteliers Olaf Krohne und die Familie Ikrath arbeiten genau damit. Sie sehen den Ort als kulturelle Bühne, in der neben neuen Konzepten auch verstaubter Glanz Platz haben wird, als einen Ort, der gleichermaßen behutsam wie langsam entwickelt werden muss.
Eine Gegenstimme zu erheben, wo nach jahrzehntelanger Agonie nun eine Rieseninvestition lang ersehnten Aufschwung bringen soll, ist schwierig. Gastein-Liebhaber bleiben dabei: Die Zeit des Klotzens ist vorbei. War der Ökonom Leopold Kohr, der mit seiner Philosophie des Kleinen, Überschaubaren die Rückkehr zum menschlichen Maß propagierte, nicht ein Salzburger? Zum Thema: Online-Vortrag „Aufbruch in Bad Gastein“ mit Zoom-Diskussion: Do., 25. März, 18.30 Uhr, initiativearchitektur.at
Bei einem Aufenthalt im Oktober 2020 fiel mein Lokalaugenschein dann doch eher deprimierend aus: Noch waren Leerstand, langsamer Verfall und Abbruchspuren ortsbeherrschend, aber auch ungepflegte Plätze und holprige Wege, nachlässig reparierte Straßen und verlotterte Bushaltestellen.
Zuversicht war da im Wissen, dass die Zukunft für einen in seiner Charakteristik und Einzigartigkeit wiederbelebten, der Zeit angepassten Ort der Erholung schon begonnen hat. 2017 konnte das Land den leer stehenden Straubinger-Komplex, der knapp am Wasserfall liegt, von Investoren zurückkaufen, die ihre Besitztümer jahrzehntelang hatten verfallen lassen. Nach ersten Erhaltungsmaßnahmen wurden das Hotel, das fürsterzbischöfliche Badeschloss und die Alte Post an eine deutsche Investorengruppe weiterverkauft. Dann war Funkstille.
Im Februar 2021 präsentierte der neue Eigentümer in einer Pressekonferenz – ihm zur Seite Landeshauptmann, Bürgermeister sowie Erich Bernard und Markus Kaplan von BWM Architekten – detaillierte Pläne für das unter Schutz stehende Ensemble. Man erfuhr, dass alle Bewilligungen im Behördenverfahren im Einklang mit dem Bundesdenkmalamt und dem Gestaltungsbeirat der BH Sankt Johann im Pongau erteilt worden waren. Das gewaltige Rauschen im Blätterwald mit Titeln wie „Die mondäne Welt in den Alpen kehrt wieder“ und „Neues Hochhaus für das Manhattan der Alpen“ schien die Euphorie zu bestätigen.
Die Kritik, die dennoch aufgepoppt ist, erläutert anhand des geplanten vertikal ausgerichteten Zubaus, der das Ensemble direkt im Anschluss an das Badeschloss bergseitig ergänzen wird, dass das 1997 beschlossene Entwicklungskonzept für Bad Gastein nicht eingehalten wird. In diesem heißt es, dass in Ortsteilen das geschlossene Ortsbild und dessen Charakteristik zu pflegen und zu erhalten sind und bei Neubauten und Renovierungen auf ausgewogene Proportionen zu achten ist. Das „Hochhaus“ wird die höchste Stelle des Badeschlosses, den Dachfirst, um beinahe 30 Meter und den Straubingerplatz, der die Mitte der beiden neuen Hotels bildet, inklusive Zugang zum auf dem Dach geplanten Pool um knapp 54 Meter überragen. Der gar nicht schlanke Neubau hält, selbst wenn eine farblich zurückhaltende Gestaltung seiner Fassaden vor der Naturkulisse des steil aufragenden Talschlusses vorgesehen ist, einem Vergleich mit der gründerzeitlichen Bebauung nicht stand.
Dominante Kubaturen der Belle-Époque-Hotels wie das L'Europe sind nämlich, genau betrachtet, keine in die Höhe wachsenden „Hochhäuser“, auch wenn sie immer wieder als solche bezeichnet werden. Es sind scheibenförmige Bauwerke, die sich von ihrer Eingangsebene „souterrain“, als Substruktionen, annähernd so weit nach unten erstrecken wie nach oben. Diese unvergleichbare Bauweise ist der besonderen Topografie geschuldet, der enormen Steilheit des Geländes um den Wasserfall, von dem aus sich der Badeort entwickelte. Mit dem vertikalen Bauboom in Manhattan hat das historische Bad Gastein, das sich in früheren Zeiten nicht nur am Straubingerplatz fast als geschlossene Bebauung zeigte, also nichts gemein. Nun könnte man einwenden, dass nicht das erste Mal mit der Stadtentwicklung in Bad Gastein gebrochen wird und neue Zeiten neue Formen der Bebauung verlangen. Das stimmt. Nicht alles, was zur Ankurbelung eines neuen Tourismus nach dem Krieg gebaut wurde, fügt sich harmonisch in den steilen Hang. Auch Garstenauer setzte mit der „Horizontalen“ des Kongresszentrums, das mit seiner platzartigen Erweiterung und dem begehbaren Flachdach als Sonnenterrasse das Zentrum bildet, einen markanten Kontrapunkt. Für den Architekten, der in Bad Gastein zudem das Felsenbad und die Parkgarage plante, war das der sichtbare Ausdruck eines Ortes der Begegnung. Friedrich Achleitner bewertete diese Strukturveränderung der 1960er als Bereicherung des Ortsbildes, die Architekturkritikerin wiederum sieht im Kongresszentrum eine Spange, die im Zusammenspiel mit Topografie und Ortsbild das Verbindende verdeutlicht.
Erklärt wurde, dass es den „Turm“ mit zusätzlichen 88 Zimmern brauche, weil die Bestandsfläche von 13.000 Quadratmetern nicht ausreichend sei, um die ökonomisch notwendige Anzahl von Betten zu schaffen. Diese Argumentation ist sattsam bekannt. Doch ist dieses „Immer mehr, immer luxuriöser, immer höher“ noch zeitgemäß? Müssen wir nicht davon ausgehen, dass der Klimawandel uns eine einschneidende Änderung des Lebensstils abverlangt, dass Beschränkung und Wertewandel unser Leben künftig prägen werden? Außerdem: ob sie schlüssig ist in Zeiten einer nach der Pandemie von vielen vorausgesagten Rezession? Bad Gastein sollte auch diesbezüglich aus seiner Geschichte lernen.
Durch Abriss historischer Bauten, wie er mehrfach genehmigt wurde und dem Hotel Mirabell bevorsteht, und unsensibel gesetzte Neubauten sieht der Architekturhistoriker Norbert Mayr „das einzigartige Spannungsverhältnis zwischen den Gründerzeit-Wolkenkratzern, die sich durch einen dominanten Auftritt behaupten, und den Steilhängen des Talkessels, die erfolgreich dagegenhielten“, akut gefährdet. Der das Ortsbild prägende Dialog zwischen Kulturlandschaft und Baukultur sei mit dem Punkthochhaus, das überall stehen könnte, zu Ende. Bekanntheit und besondere Anziehung verdankt Bad Gastein seiner Einzigartigkeit. Pioniere eines Neustarts wie die Hoteliers Olaf Krohne und die Familie Ikrath arbeiten genau damit. Sie sehen den Ort als kulturelle Bühne, in der neben neuen Konzepten auch verstaubter Glanz Platz haben wird, als einen Ort, der gleichermaßen behutsam wie langsam entwickelt werden muss.
Eine Gegenstimme zu erheben, wo nach jahrzehntelanger Agonie nun eine Rieseninvestition lang ersehnten Aufschwung bringen soll, ist schwierig. Gastein-Liebhaber bleiben dabei: Die Zeit des Klotzens ist vorbei. War der Ökonom Leopold Kohr, der mit seiner Philosophie des Kleinen, Überschaubaren die Rückkehr zum menschlichen Maß propagierte, nicht ein Salzburger? Zum Thema: Online-Vortrag „Aufbruch in Bad Gastein“ mit Zoom-Diskussion: Do., 25. März, 18.30 Uhr, initiativearchitektur.at
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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