Artikel
Zwischen Intellekt und Emotion
Arbeiten des Brugger Büros Liechti Graf Zumsteg. Aus der Reihe „Junge Schweizer Architekten“.
9. Juli 1999 - Peter Omachen
Es ist eher ungewöhnlich, dass ein noch junges Architekturbüro bereits eine umfangreiche Werkliste präsentieren kann. Denn anders als in den Jahren der Hochkonjunktur ist es heute schwierig, auf dem freien Markt Fuss zu fassen. Um so mehr erstaunt die Zahl von über 20 ausgeführten Neu- und Umbauprojekten, die das seit 1992 zusammenarbeitende Architektentrio Peggy Liechti, Andreas Graf und Lukas Zumsteg vorlegen kann. Ihren Häusern versuchen Liechti Graf Zumsteg einen Teil ihrer kollektiven und persönlichen Erinnerung einzuschreiben. Dennoch scheinen die Bauten von Liechti Graf Zumsteg oftmals sehr gewöhnlich zu sein. Diese Nähe zum Vertrauten, aber auch zum bereits Vorhandenen wird bewusst gesucht. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass diesen Häusern etwas Ungewohntes, Andersartiges anhaftet. Gerade bei Umbauten geht es oft weniger um das dialektische Nebeneinander von Alt und Neu als um eine Wahrnehmung der verborgenen Qualitäten, um eine Wertschätzung des Bestehenden und damit um eine Verschmelzung, um ein Weiterbauen, um die Schaffung eines neuen Ganzen. Dabei halten sie nichts von einer unkritischen, affirmativen Arbeitsweise und ziehen eine unterschwellige Subversivität vor, wobei das Vertraute auf unerwartete Weise eingesetzt oder mit Neuartigem überlagert wird.
Für die beiden Genossenschaftssiedlungen in Klingnau und Untersiggenthal haben die drei Brugger Architekten einen Wohnungstyp mit Mittelgang und seitlich angeordneten Räumen gewählt. Entstanden sind lange, schlanke Gebäude mit Satteldächern und vorspringenden Treppenhäusern, wie man sie aus den fünfziger und sechziger Jahren kennt. Dieser Eindruck eines bekannten Gebäudetyps wurde noch verstärkt durch die Verwendung typischer Elemente jener Zeit wie des aus der Fassade hervortretenden Blumenfensters. In diesem Kontext erscheint die auf der Gartenseite den Häusern vorgelagerte Balkonzone ungewohnt. Sie bildet mit ihrer von grossen Öffnungen geprägten abstrakt-geometrischen Form einen Bruch, verschmilzt aber sogleich wieder mit dem Haus und bildet mit ihm eine Einheit. Gleichzeitig verbinden die verputzten Fassaden und die geneigten Dächer die Häuser mit dem Ort, an dem sie stehen.
Die drei Architekten sind bestrebt, ihren Bauten eine Seele einzuhauchen. Beseelt scheint ihnen ein Haus dann zu sein, wenn seine Gestalt den Intellekt ebenso bewegt wie das Gefühl. Für den passenden Ausdruck suchen sie dabei nicht nur in ihren Erfahrungen und Erinnerungen nach Bildern, sondern auch in der Architekturgeschichte unseres Jahrhunderts. Beim geplanten Begegnungszentrum der Psychiatrischen Klinik Königsfelden in Windisch etwa fanden sie ihre Referenz in den Bauten Ludwig Mies van der Rohes: Ein grosses Flachdach auf Stützen beherbergt fünf frei angeordnete Kuben mit unterschiedlichen Nutzungen, die sich um eine zweigeschossige Halle gruppieren. Dadurch erhält das Haus eine pavillonartige Leichtigkeit. Die Zweigeschossigkeit der Stützen bewirkt aber auch eine den kleinteilig gegliederten Fassaden übergeordnete Monumentalität, die es dem Haus erlaubt, sich gegenüber der Klosterkirche und dem von Gottfried Semper erbauten Hauptgebäude der Klinik zu behaupten.
Völlig anders präsentiert sich das Ende Mai siegreich aus einem Wettbewerb hervorgegangene Projekt für den Umbau einer Weinhandlung in die neue Kantonsbibliothek Liestal. Der kühne und nicht unumstrittene Entwurf sieht eine radikale Umgestaltung und Neuinterpretation des bestehenden, scheunenartigen Gebäudes mit seinem gewaltigen Ziegeldach vor: Die zahlreichen kleinen Dachaufbauten und Lukarnen sollen entfernt und gegen eine meterhohe, gläserne Dachlaterne ausgetauscht werden, die leuchtturmartig ein sichtbares Zeichen setzen soll.
Die Bauten von Liechti Graf Zumsteg sind zugleich typisch und doch einzigartig. Typisch für ein junges Architektenteam von heute ist es, nicht nach einer eigenen Architektursprache zu streben, sondern stets neue Wege zu beschreiten und immer wieder neue Kombinationen des Vertrauten auszuloten. Einzigartig ist hingegen die unverkrampfte Art, mit der die Brugger Architekten ihre Anregungen aus der Architektur des 20. Jahrhunderts beziehen und sinnvoll in ihren Bauten und Projekten integrieren.
[ Peggy Liechti, Andreas Graf und Lukas Zumsteg stellen ihre Arbeiten am 7. Juli um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor. ]
Für die beiden Genossenschaftssiedlungen in Klingnau und Untersiggenthal haben die drei Brugger Architekten einen Wohnungstyp mit Mittelgang und seitlich angeordneten Räumen gewählt. Entstanden sind lange, schlanke Gebäude mit Satteldächern und vorspringenden Treppenhäusern, wie man sie aus den fünfziger und sechziger Jahren kennt. Dieser Eindruck eines bekannten Gebäudetyps wurde noch verstärkt durch die Verwendung typischer Elemente jener Zeit wie des aus der Fassade hervortretenden Blumenfensters. In diesem Kontext erscheint die auf der Gartenseite den Häusern vorgelagerte Balkonzone ungewohnt. Sie bildet mit ihrer von grossen Öffnungen geprägten abstrakt-geometrischen Form einen Bruch, verschmilzt aber sogleich wieder mit dem Haus und bildet mit ihm eine Einheit. Gleichzeitig verbinden die verputzten Fassaden und die geneigten Dächer die Häuser mit dem Ort, an dem sie stehen.
Die drei Architekten sind bestrebt, ihren Bauten eine Seele einzuhauchen. Beseelt scheint ihnen ein Haus dann zu sein, wenn seine Gestalt den Intellekt ebenso bewegt wie das Gefühl. Für den passenden Ausdruck suchen sie dabei nicht nur in ihren Erfahrungen und Erinnerungen nach Bildern, sondern auch in der Architekturgeschichte unseres Jahrhunderts. Beim geplanten Begegnungszentrum der Psychiatrischen Klinik Königsfelden in Windisch etwa fanden sie ihre Referenz in den Bauten Ludwig Mies van der Rohes: Ein grosses Flachdach auf Stützen beherbergt fünf frei angeordnete Kuben mit unterschiedlichen Nutzungen, die sich um eine zweigeschossige Halle gruppieren. Dadurch erhält das Haus eine pavillonartige Leichtigkeit. Die Zweigeschossigkeit der Stützen bewirkt aber auch eine den kleinteilig gegliederten Fassaden übergeordnete Monumentalität, die es dem Haus erlaubt, sich gegenüber der Klosterkirche und dem von Gottfried Semper erbauten Hauptgebäude der Klinik zu behaupten.
Völlig anders präsentiert sich das Ende Mai siegreich aus einem Wettbewerb hervorgegangene Projekt für den Umbau einer Weinhandlung in die neue Kantonsbibliothek Liestal. Der kühne und nicht unumstrittene Entwurf sieht eine radikale Umgestaltung und Neuinterpretation des bestehenden, scheunenartigen Gebäudes mit seinem gewaltigen Ziegeldach vor: Die zahlreichen kleinen Dachaufbauten und Lukarnen sollen entfernt und gegen eine meterhohe, gläserne Dachlaterne ausgetauscht werden, die leuchtturmartig ein sichtbares Zeichen setzen soll.
Die Bauten von Liechti Graf Zumsteg sind zugleich typisch und doch einzigartig. Typisch für ein junges Architektenteam von heute ist es, nicht nach einer eigenen Architektursprache zu streben, sondern stets neue Wege zu beschreiten und immer wieder neue Kombinationen des Vertrauten auszuloten. Einzigartig ist hingegen die unverkrampfte Art, mit der die Brugger Architekten ihre Anregungen aus der Architektur des 20. Jahrhunderts beziehen und sinnvoll in ihren Bauten und Projekten integrieren.
[ Peggy Liechti, Andreas Graf und Lukas Zumsteg stellen ihre Arbeiten am 7. Juli um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom