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Wohnen ohne Fenster, wie in einer Koje im Kreuzfahrtschiff? Der Architekt zeigt sich trotz heftiger Kritik unbeirrt und glaubt sogar, er habe eine bessere Version von Le Corbusiers berühmtesten Bau geschaffen.
Wer bezahlt, diktiert auch gleich die Idee: Der Milliardär Charles Munger spendet ein Megawohnheim für 4500 Bewohner.
23. November 2021 - Sabine von Fischer
Wie viel Macht einem Mäzen zustehen soll, wird in Kalifornien derzeit heftig diskutiert. Der 97-jährige Milliardär Charles Munger, genannt Charlie, spendet der Universität von Santa Barbara (UCSB) nicht nur das Geld, sondern gleichzeitig auch den Entwurf für ein Wohnheim für 4500 Studenten. Dass jede und jeder in dem Megawohnblock ein privates Schlafzimmer bekommen soll, ist nur möglich, weil über 90 Prozent der Zimmer fensterlos wären.
Da er Rechtsanwalt und Vizepräsident einer Investmentgesellschaft ist, scheint es selbstverständlich, dass Munger einen Entwurf abgab, der keine Baureglemente verletzt. Die frische Luft und das Licht, die es zum Wohnen braucht, werden von der Haustechnik zur Verfügung gestellt. Die Lüftungsanlagen sind sogar Covid-19-sicher, denn keine Luft wird zweimal durchs Haus zirkulieren: Sobald sie verbraucht ist, entweicht sie oberhalb der elf Stockwerke durch das Dach – im warmen Kalifornien lässt sich das mit den dort strengen Energiegesetzen vereinbaren.
Schlafzimmer mit Kunstlicht
Weil er nicht alle überzeugen kann, legt Munger im exklusiven Interview mit der Zeitschrift «Architectural Record» nach. Denn schliesslich habe auch niemand etwas dagegen, zum Pinkeln in eine Toilette im Keller zu gehen, wo es eben kein Fenster gebe. Bereits hat der erfahrenste der Architekten in der Bauprüfungsabteilung der UCSB aus Protest gegen das mungersche Studentenwohnsilo seine Stelle gekündigt, doch der Milliardär bleibt unbeirrt: Die Fluchtwege aus dem Megablock seien mit Wassersprinklern gesichert. Und der Beton werde so lange halten wie die Pyramiden.
Das Licht in den fensterlosen Zimmern spendet ein grosser Bildschirm hinter einem Vorhang. Diese Idee einer Sonnenlichtsimulation hat der Möchtegernarchitekt den Disney-Kreuzfahrtschiffen abgeschaut. Dies sei fürs Wohlbefinden noch besser als die echte Sonne, meint Munger, weil die Bewohner so jederzeit selber entscheiden könnten, welche Tageslichtsituation sie gerade wollten. In einer Online-Fragenbeantwortung hält die Universität fest, dass es schliesslich freiwillig sei, in diesen Megablock einzuziehen.
Wer will da einem Rechtsanwalt, der soeben die grösste Geldspende seines Lebens angekündigt hat, widersprechen? Der riesige Bau mit über 150 000 Quadratmetern Nutzfläche soll über eine Milliarde Dollar kosten, wovon Munger einen grossen Teil übernehmen will. Vierzehn Eingänge führen in das Riesenhaus, auch zu den Gemeinschaftsräumen, mehrheitlich entlang der Aussenfassaden. Dort wird es Fenster geben.
Besser als Le Corbusier
Der Milliardär Munger tut kund, er glaube, dass sein Entwurf bald in allen Landesteilen der Vereinigten Staaten kopiert werde. Schliesslich korrigiere er mit seiner Idee die Fehler, die Le Corbusier in seiner Unité d’Habitation in Marseille, dem wohl bekanntesten Grosswohnbau der Nachkriegszeit, gemacht habe. Dort führt auf jedem dritten Geschoss ein Mittelgang zu hellen Maisonnettewohnungen, in denen die hohe Fensterfront den Wohnraum sogar über zwei Geschosse belichtet.
Corbusiers vielgerühmter Bau sei aber zu schmal, kritisiert Munger, der auch schon sein Eigenheim in Los Angeles selber entworfen hat: «Die ganze Sache hat überhaupt nicht funktioniert. Das habe ich behoben.» Dass diese Aussage im Interview von «Architectural Record» in diesem Wortlaut wiedergegeben wurde, ist erstaunlich, es ist nun seit bald drei Wochen unverändert online. Die wichtigere Frage allerdings ist: Sind solche Einflussnahmen von Geldgebern nur in Amerika möglich, oder müssen wir uns auch hierzulande vor Übergriffen der Mäzene fürchten? Falls jemand hier an die laufende Affäre Bührle denkt: So unverblümt wie in Kalifornien wird in Zürich wohl nicht reingeredet.
Da er Rechtsanwalt und Vizepräsident einer Investmentgesellschaft ist, scheint es selbstverständlich, dass Munger einen Entwurf abgab, der keine Baureglemente verletzt. Die frische Luft und das Licht, die es zum Wohnen braucht, werden von der Haustechnik zur Verfügung gestellt. Die Lüftungsanlagen sind sogar Covid-19-sicher, denn keine Luft wird zweimal durchs Haus zirkulieren: Sobald sie verbraucht ist, entweicht sie oberhalb der elf Stockwerke durch das Dach – im warmen Kalifornien lässt sich das mit den dort strengen Energiegesetzen vereinbaren.
Schlafzimmer mit Kunstlicht
Weil er nicht alle überzeugen kann, legt Munger im exklusiven Interview mit der Zeitschrift «Architectural Record» nach. Denn schliesslich habe auch niemand etwas dagegen, zum Pinkeln in eine Toilette im Keller zu gehen, wo es eben kein Fenster gebe. Bereits hat der erfahrenste der Architekten in der Bauprüfungsabteilung der UCSB aus Protest gegen das mungersche Studentenwohnsilo seine Stelle gekündigt, doch der Milliardär bleibt unbeirrt: Die Fluchtwege aus dem Megablock seien mit Wassersprinklern gesichert. Und der Beton werde so lange halten wie die Pyramiden.
Das Licht in den fensterlosen Zimmern spendet ein grosser Bildschirm hinter einem Vorhang. Diese Idee einer Sonnenlichtsimulation hat der Möchtegernarchitekt den Disney-Kreuzfahrtschiffen abgeschaut. Dies sei fürs Wohlbefinden noch besser als die echte Sonne, meint Munger, weil die Bewohner so jederzeit selber entscheiden könnten, welche Tageslichtsituation sie gerade wollten. In einer Online-Fragenbeantwortung hält die Universität fest, dass es schliesslich freiwillig sei, in diesen Megablock einzuziehen.
Wer will da einem Rechtsanwalt, der soeben die grösste Geldspende seines Lebens angekündigt hat, widersprechen? Der riesige Bau mit über 150 000 Quadratmetern Nutzfläche soll über eine Milliarde Dollar kosten, wovon Munger einen grossen Teil übernehmen will. Vierzehn Eingänge führen in das Riesenhaus, auch zu den Gemeinschaftsräumen, mehrheitlich entlang der Aussenfassaden. Dort wird es Fenster geben.
Besser als Le Corbusier
Der Milliardär Munger tut kund, er glaube, dass sein Entwurf bald in allen Landesteilen der Vereinigten Staaten kopiert werde. Schliesslich korrigiere er mit seiner Idee die Fehler, die Le Corbusier in seiner Unité d’Habitation in Marseille, dem wohl bekanntesten Grosswohnbau der Nachkriegszeit, gemacht habe. Dort führt auf jedem dritten Geschoss ein Mittelgang zu hellen Maisonnettewohnungen, in denen die hohe Fensterfront den Wohnraum sogar über zwei Geschosse belichtet.
Corbusiers vielgerühmter Bau sei aber zu schmal, kritisiert Munger, der auch schon sein Eigenheim in Los Angeles selber entworfen hat: «Die ganze Sache hat überhaupt nicht funktioniert. Das habe ich behoben.» Dass diese Aussage im Interview von «Architectural Record» in diesem Wortlaut wiedergegeben wurde, ist erstaunlich, es ist nun seit bald drei Wochen unverändert online. Die wichtigere Frage allerdings ist: Sind solche Einflussnahmen von Geldgebern nur in Amerika möglich, oder müssen wir uns auch hierzulande vor Übergriffen der Mäzene fürchten? Falls jemand hier an die laufende Affäre Bührle denkt: So unverblümt wie in Kalifornien wird in Zürich wohl nicht reingeredet.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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