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Praterstern – Bitte nehmen Sie Platz!
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Der Praterstern ist ein schwieriges Terrain für Planungswillige. Die jüngste Umgestaltung setzt einen „grünen Ring“ um den Platz mit 54 neuen Bäumen: Mehr Freiflächen, Wasserspiele und Sitzmöglichkeiten sollen die Aufenthaltsqualität heben.

8. Dezember 2021 - Isabella Marboe
Der Praterstern war einmal das Tor zum damaligen Nabel der Welt, der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. 1838 wurde hier der Nordbahnhof, der erste und wichtigste aller Wiener Bahnhöfe, errichtet. Alle Einwanderer aus dem Osten kamen dort an. Seit 1879 heißt er Praterstern, seit 1886 steht Wilhelm von Tegetthoff, siegreicher Admiral der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine in seiner Mitte. Sternförmig laufen sieben Straßen – Prater-, Heine-, Nordbahn-, Lassalle-, Ausstellungs-, Franzensbrückenstraße und Hauptallee – auf seine Triumphsäule zu: wie in Paris.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Nordbahnhof zerbombt, der Praterstern zum Verkehrsknotenpunkt degradiert, der Tegetthoff an den westlichen Platzrand verdrängt. Seit 1962 quert die Schnellbahn, 1981 kam die U1 dazu, 2008 die verlängerte U2, Um- und Neubau des Bahnhofs durch Architekt Albert Wimmer wurden fertig. Bereits 2002 hatten Architekt Boris Podrecca mit Bernhard Edelmüller und Werner Sobek das ellipsoide Membrandach projektiert, das den Platz inklusive Bahnhof überspannen und als Gesamtheit erlebbar machen sollte. Es wäre ein Statement gewesen. Geblieben ist das viereckige Glasdach mit der massiven Unterkonstruktion auf dem Vorplatz.

Über 150.000 Menschen frequentieren den Praterstern täglich, mehr als Innsbruck Einwohner hat. Die meisten steigen aus, ein und um, einige arbeiten hier, Touristen und Touristinnen suchen den Prater, Polizisten und Polizistinnen wachen über den Ort. Für Alkohol- und Suchtkranke, Obdachlose, Flüchtlinge ist er ein Stück zugige Heimat in einer noch unwirtlicheren Welt. Umgekehrt erzeugen sie größtmögliche Irritation. Sie machen die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sichtbar, die Brüchigkeit einer gesicherten Existenz. Aus Bahnstationen kann man sie verdrängen, aus dem öffentlichen Raum nicht.

„Der Praterstern hatte ein Imageproblem, einzelne Medien schürten ein Unsicherheitsgefühl“, sagt Andrea Jäger, die bei der Sucht- und Drogenkoordination Wien für den öffentlichen Raum und Sicherheit zuständig ist. Am 27. April 2018 wurde das Alkoholkonsumverbot eingeführt, seitdem hat sich die Lage sehr entspannt. „2017 waren wesentlich mehr marginalisierte Menschen vor Ort. Zwischen 30 und 90 Personen“, so Jäger. Heute sind es im Schnitt etwa zehn Alkohol- und ebenso viele Drogenkranke. „Obwohl es oft nur kleine Gruppen Marginalisierter sind, die sich im öffentlichen Raum aufhalten, sinkt ihnen gegenüber die Toleranz. Wir sollten die Armut bekämpfen, nicht die Armen.“

Eric Tschaikner von KENH Architekten kennt den Ort, KENH planen die Polizeistation des Jahres 1981, die Gastronom Markus Teufel gepachtet hat, zum vegetarischen Lokal „Hab's/Gut“ um. Sie machten einige Studien am Praterstern, viel Beton wurde weggeschremmt, um den Bestand ins Freie zu öffnen. „Aufgrund der Polizeipräsenz ist der Praterstern de facto einer der sichersten Plätze Wiens“, so Tschaikner. „Wir wollen den Ort drehen.“ Im Jahr 2017 und 2018 lud die MA 19 – Stadtplanung und Gestaltung – so gut wie alle Interessensgruppen zu zwei Workshops, die das Büro PlanSinn moderierte: Vertreter vom Bezirk, der ÖBB, Wiener Linien, MA 48, 46, 33, 28, Polizei, Lokalbetreiber, Fluc, Bank Austria, Fonds Soziales Wien, Kunst im öffentlichen Raum und andere. Im März 2019 schrieb die MA 19 das europaweite zweistufige Bieterverfahren „Ideenfindung zur Attraktivierung und Bespielung des Pratersterns“ aus. Die Arge Praterstern – KENH Architekten und DnD Landschaftsplanung – überzeugte, am 13. Oktober 2021 folgte der Spatenstich.

Vieles ist hier schon determiniert; es gilt das Mögliche auszureizen. Das Ziel heißt mehr Aufenthaltsqualität, also: mehr Übersicht, Freiflächen, Bäume, Grün und Wasser. Die Arge arbeitet mit dem, was da ist; nach und nach werden über 40 kleine und größere Maßnahmen gesetzt. In einer der ersten entfernte man die Pflanz-Gabionen und das Pergola-Gestänge um das Tegetthoff-Denkmal. Es steht nun wieder frei, viele sitzen auf dem Sockel und posieren für Selfies. „Platzgestaltungen symbolisieren immer auch gesellschaftliche Veränderungen. Die Corona-Krise schärfte den Blick auf den öffentlichen Raum. Er wird viel intensiver wahrgenommen und genutzt. Außerdem ist die Klimadiskussion wesentlich verbreiteter“, sagt Sabine Dessovic von DnD.

Der Praterstern ist eine hochgradig versiegelte Hitzeinsel mit Glasdach. Hinter dem Tegetthoff-Denkmal wird ein 488 Quadratmeter großes Wasserspiel mit 114 Wasserstrahlen, hohen Wassernebeln und 105 Hochdrucknebelwolken angelegt. Diese haben einen unterschiedlichen Wasserverbrauch, Kühleffekt und Erscheinungsbilder. Das Wasser macht Kindern viel Spaß, beruhigt, gestaltet den Raum und lässt sich vor allem auch abdrehen. Dann ist der Platz wieder eine freie, beliebig nutzbare Fläche – für Kunst im öffentlichen Raum, Wochenmärkte und mehr.

„Marginalisierte Gruppen von so einem urbanen Platz zu vertreiben ist keine Option“, sagt Tschaikner. Bis dato waren Bänke vor allem von diesen besetzt, andere mieden sie. KENH Architekten schaffen bewusst ein Überangebot, damit alle ihren Platz finden. Sie entwarfen eigene Stadtmöbel, die „Pratoide“. Diese Betonfertigteile haben etwa die Form des Pratersterns, werden von unten beleuchtet und fungieren auch als Sicherung für Bäume. Man sitzt also unter deren Kronen. Auf den Fertigteilen sind Sitzschalen montiert, mit Blickrichtung aus dem Kreis: „Inklusion durch Distanz“. KENH hoffen, dass dadurch die Oma, die auf ihren Enkel wartet, neben einem Obdachlosen Platz nimmt. Es gibt die Pratoide mit je fünf, sieben oder neun Sitzschalen, für kurzes, mittleres und langes Verweilen. 24 Betonkiesel und 30 Hocker komplettieren zu 186 Sitzmöglichkeiten am Stern.

Rund um den Praterstern wird ein „grüner Ring“ aus 2,5 Meter breiten Pflanzbeeten angelegt. Lampenputzergras, Blauraute, Gelber Sonnenhut, Gewürzsalbei und eine Blumenzwiebelmischung sorgen für saisonale Farbwechsel und 1400 Quadratmeter mehr Grünfläche. Für Sitzende lässt der Blick auf die Pflanzen den Verkehrslärm in den Hintergrund treten und wirkt so als psychologischer Lärmschutz. Gepflanzt werden 56 neue Bäume, robuste und klimaresiliente Großbaumarten wie Tulpenbaum, Ulme, Eiche, Robinie, Platane, dazu säulenförmige wie Krim-Linde, Stadt-Ulme und Zelkove. Gerade werden zwei große Baugruben mit Grobschlag aufgefüllt, um das Schwammstadtprinzip umzusetzen. Das heißt, dass Regenwasser vom befestigten Boden in einen Untergrund dringen kann, der Wurzeln genug Raum zum Wachsen lässt und sie auch bei Hitze mit Wasser versorgt. Darin werden acht Meter hohe Platanen gepflanzt – die größten, die die MA 42 bisher einsetzte. Ihre breiten, hoch ansetzenden Baumkronen werden ein Blätterdach bilden – passend zum grünen Prater.

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