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Da wird nicht nur gegartelt
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Der österreichische Landschaftsarchitektur-Preis wird ausgelobt, um studentische Leistungen zu würdigen. Das ist wichtig. Aber wo bleibt die Auszeichnung abgeschlossener Projekte? Eine Aufforderung.

22. April 2022 - Stephanie Drlik
Seit vielen Jahren ist der Landschaftsarchitektur-Preis LAP fixer Bestandteil der heimischen Szene. Die Auslobung soll nicht nur Studierende und Jungabsolvent:innen der Landschaftsarchitektur und -planung animieren, ihr Können und ihre Kreativität auszuprobieren, sie ist auch ein gutes Sprungbrett. Nicht selten erhalten Preisträger:innen Jobangebote von interessierten Planungsbüros. 2021 sollte die in den Pandemiejahren gewachsene Wertschätzung gegenüber Grün- und Freiräumen einen kreativen Anstoß geben und junge Kolleg:innen animieren, neue und selbstbewusste Perspektiven zu entwickeln. Die Ausloberin des LAP 2021, die Österreichische Gesellschaft für Landschaftsarchitektur (ÖGLA), forderte daher auf, das bislang meist eng geschnürte Korsett aus Einschränkungen und begrenzten Möglichkeiten abzulegen und freiräumliche Maßlosigkeit zu praktizieren. „Größer, grüner, heller, weiter, vielfältiger, bunter, sozialer, breiter, offener und für alle“, so der Ausschreibungstext.

Insgesamt wurden 45 Projekte aus Österreich, Deutschland und der Schweiz eingereicht und von einem internationalen Fachgremium unter Vorsitz der Wiener Landschaftsarchitektin Anna Detzlhofer bewertet. Die Gesamtheit der Arbeiten zeigt eine vielfältige inhaltliche Auseinandersetzung mit der Maßlosigkeit auf unterschiedlichen Maßstabsebenen. Die Arbeiten lassen erfreuliche Schlüsse auf ein bewusstes Selbstverständnis der Disziplin und ihre Bedeutung für Zukunftsfragen zu.

Als Siegerprojekt ging der Entwurf von David Biegl (Boku) hervor. Er lässt in seinem Beitrag aus einer erhöht geführten Stadtautobahn in Rom, der Tangenziale Est, kurzerhand einen üppig bepflanzten Park wachsen. Aus einem Un-Ort für Menschen wird ein grüner Aufenthaltsraum, der rad- und fußläufig die großen Grünräume Roms verbindet. Ganz dem Auslobungsthema entsprechend, verleiht ein strahlend goldener Anstrich der aufgeständerten Autobahn einen skulpturalen, monumentalen Charakter. „Die alte Maßlosigkeit eines Zweckbaus wird mit der neu interpretierten Maßlosigkeit einer grünen Infrastruktur überschrieben. ,Oben‘ wird ein Sehnsuchtsraum geschaffen, der nicht den Anspruch erhebt im ,Unten‘ die Welt zu verbessern“, so der Jurykommentar zu dem gelungenen Entwurf.

Lob für das Storytelling

Das zweitplatzierte Projekt, „Tanja braucht deine Hilfe“, von Moritz Blüml und Djordje Ilic (Boku) zeigt Superheldin Tanja, die über diverse Kommunikationskanäle eine wichtige Message vermittelt: Planer:innen müssen sich selbstbestimmt, mutig und maßlos für den Freiraum einsetzen. Bei diesem aktivistischen Vorhaben lobte die Jury insbesondere das Storytelling und den innovativen Zugang der Vermittlung. Platz drei belegte Michael Tulio Bühler (FH Ostschweiz) mit seinem Beitrag „Kanton Rösti“, in dem er durch verschobene Grenzlinien der Schweiz einen progressiven Musterkanton entstehen lässt, der Klimaziele locker erreicht, Migrant:innen aufnimmt und mit Ressourcenknappheit umzugehen weiß.

Studierendenwettbewerbe dieser Art sind enorm wichtig, um Nachwuchstalente im Fachbereich zu fördern. Ebenso wichtig wäre aber auch die Anerkennung von hochwertigen realisierten Projekten der Landschaftsarchitektur Büros am Standort Österreich. Denn hierzulande gibt es aktuell keine Auszeichnungen für Landschaftsarchitektur, die über den Gartenhorizont hinausgeht. Bei etablierten Architekturpreisen wie dem Holzbaupreis, dem Bauherrenpreis oder dem österreichischen Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit könnte die Landschaftsarchitektur aufgrund ihrer nachhaltigen Arbeitsmaterie eine bedeutende Rolle spielen. Doch dort werden ihre Leistungen nach wie vor als fachplanerisches Beiwerk der Architektur gewertet – eigenständige freiräumliche Planungsleistungen bleiben unterrepräsentiert. Schaut man über die Grenzen Österreichs, gestaltet sich die Situation anders. Allein in Deutschland werden mehrere große Preise im Fachbereich vergeben, allen voran der „Deutsche Landschaftsarchitektur-Preis“, der alle zwei Jahre Freiraum-Highlights vor den feierlichen Vorhang holt und das hohe Niveau präsentiert, auf dem in dem Land gearbeitet wird. Auch der noch junge „Bundespreis Stadtgrün“, bei dem der Zusammenhang zwischen Planung, Gestaltung und positiven Klimaeffekten von Stadtgrün prämiert wird, erfüllt seine Zwecke und belohnt gelungene Vorzeigeprojekte mit öffentlicher Aufmerksamkeit. Denn diese Auszeichnungen gehen selbstverständlich mit der entsprechenden Medienpräsenz einher.

Komplexere Aufgaben

„Österreich als Kulturnation hat leider noch immer Aufholbedarf, wenn es um die Würdigung kultureller Kräfte geht“, meint Landschaftsarchitektin Maria Auböck, die als Präsidentin der Zentralvereinigung der Architekt:innen auch die Abwicklung des renommierten Bauherrenpreises verantwortet. Doch Auböck sieht das Fehlen von Landschaftsarchitektur-Preisen als hausgemacht. Schließlich musste sich die Architektenschaft ihre Auszeichnungen einst auch „selbst stricken“. Der Bauherrenpreis etwa entstand unter der Federführung von Hans Hollein und Franz Kiener im Jahr 1967, erzählt Präsidentin Auböck. Es wäre daher die ÖGLA gefordert, als Berufsvertretung der in Österreich tätigen Landschaftsarchitekt:innen diesbezüglich aktiv zu werden.

Der Ruf nach einer regelmäßigen und institutionalisierten Anerkennung des heimischen Landschaftsarchitektur-Schaffens wird jedenfalls lauter. „Sowohl der Vorstand als auch aktive Mitglieder der Organisation sind mehr als bereit“, berichtet ÖGLA-Vereinspräsident Thomas Knoll. Schließlich gab es einstmals schon einen ÖGLA-Preis, doch dieser ist, ebenso wie kleinere Gartenbewerbe anderer Vereine, im Laufe der Jahre wieder von der Bildfläche verschwunden. Und das gilt es zu vermeiden: „Die Aufgaben der Landschaftsarchitektur sind in den letzten Jahren komplexer geworden und längst über das Gartenthema hinausgewachsen. Ein Award, der dieses Tätigkeitsspektrum abfragen und bewerten kann, braucht starke Partner – Ministerien, Bundes- und Landesorganisationen oder Kommunen –, die für die nötige Kontinuität einer derartigen Aufgabe sorgen“, fordert Knoll und zieht die öffentliche Hand in die Pflicht. Schließlich geht es nicht nur um die Wertschätzung hochwertiger Leistungen der Planungsbüros, sondern auch darum, die Wichtigkeit der Landschaftsarchitektur für Österreichs Zukunft abzubilden.

Eine präsente und gestärkte Disziplin, die zur Lösung diverser aktueller Krisen und zur nachhaltigen Entwicklung des Landes beiträgt, sollte auch im Interesse des Bundes, der Länder, Städte und Gemeinden sein. Von der positiven Wirkung einer Auszeichnung würde das Fach, aber auch die Gesellschaft profitieren.

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