Artikel
Brücken für Radfahrer: Mit mehr Schwung!
Gerade auf dem Land, wo die Vormachtstellung des Autos auf den Straßen ungebrochen ist, braucht es ein gesondertes Wegesystem für Radfahrer und Fußgänger – etwa in Form von Brücken über stark befahrenen Straßen.
3. August 2022 - Judith Eiblmayr
Dank E-Bike-Boom stellen immer mehr Personen fest, wie gut es tut, sich zu bewegen. Dass Steigungen ohne Anstrengung überwunden werden und der Speed mit einer Fingerbewegung erhöht werden kann, macht die Sache auch für jene lustig, die sonst nicht sehr sportaffin sind oder im Berufsalltag nicht verschwitzt zu einem Termin erscheinen wollen. Die Frequenzen auf dem konventionellen und altbewährten „Biorad“ (ohne elektrische Trethilfe) nehmen ebenso zu, und es ist schön zu beobachten, wie auch auf dem Land der höheren Dichte an Radfahrer:innen Rechnung getragen wird. Autofahrer sind ihnen gegenüber rücksichtsvoller geworden, und die meisten drosseln das Tempo, wenn Fahrräder vor ihnen fahren, oder besser: gefahren werden.
Trotzdem ist in Sachen Entflechtung der Fahrbahnen seitens der Verkehrsplaner und des Straßenbaus noch viel zu tun, um eigene Wegenetze für Fahrräder und Fußgänger herzustellen. Ihre Exponiertheit muss reduziert werden, denn Tatsache ist, dass von den Autos und ihren Lenker:innen potenzielle Gefahr ausgeht. Umso erfreulicher ist es, dass die Errichtung von Fußgänger- und Fahrradbrücken über stark befahrenen Straßen im ländlichen Gebiet nicht nur notwendige Infrastruktur herstellt, sondern auch ein Zeichen für alle Autofahrer setzt: Die „Selbstbeweger“ müssen sich nicht einbremsen, um den Autoverkehr queren zu können, sondern können sich einfach „drüberschwingen“, ob zu Fuß oder per Rad.
Die schwungvolle Anmutung macht die Planungsaufgabe einer solchen Brücke spannend und das fertige Objekt ansehnlich – daher sollen zwei Vorzeigeprojekte dieser Art hier vorgestellt werden.
Fußläufige Anbindung
Kürzlich wurde in Maria Gugging, Niederösterreich, beim Eingang auf den Campus des ISTA – Institute of Science and Technology Austria eine Verbindungsbrücke eröffnet, die die stark befahrene Kierlinger Straße überspannt und gleichzeitig einen Geländesprung überwindet. Am Nordhang des Kierlingtales, gegenüber des ISTA, entsteht ein Technologiepark, dessen Bürobauten fußläufig an den Campus angebunden werden sollen; gleichzeitig soll ein öffentlicher Übergang geschaffen werden. Bestehend aus zwei Bahnen, die hangseitig kurz parallel geführt werden und sich dann in Fußgänger- und Radfahrweg teilen, überspannt das Bauwerk aus Stahlkonstruktion mit einer leichten Rundung die Straße und landet in zwei sich übereinander kreuzenden Strängen geschwungen sanft auf der anderen Seite. Während reine Fußgängerbrücken über eine Straße oder Gleisanlage meist – wie hier – in eine Stiegenanlage münden oder an einem Liftturm enden und dadurch starr wirken, müssen die Rampen geschwungen ausgeführt werden, was ein dynamisches Moment erzeugt. Die seitlich hochgezogenen Brüstungen dieser Brücke in anthrazitfarbenem Blech bieten „Flankenschutz“ und vermitteln ein Sicherheitsgefühl, eine Art des Geführtwerdens. Ohne viel Aufhebens gelangt man auf die andere Seite und hat den Autoverkehr unter der Brücke gar nicht wirklich bemerkt. Dass dieses bandartige Bauwerk sich besonders gut in die Landschaft einfügt, ist dem Planungsteam geschuldet, dem spanischen Büro RCR Arquitectes, dessen architektonisches Wirken immer starken Bezug zur umgebenden Landschaft herstellt. Für diese in ihren zahlreichen Entwürfen unterschiedlicher Größenordnung ausgeprägte planerische Kunstfertigkeit wurde das Architektenteam, bestehend aus einer Frau, Carme Pigem, und zwei Männern, Rafael Aranda und Ramon Vilalta, 2017 mit dem Pritzker-Preis, dem weltweit wichtigsten Preis für Architektur, ausgezeichnet.
Sichtschutz als Eyecatcher
Im oberösterreichischen Grieskirchen war man offensichtlich seiner Zeit voraus, denn dort gibt es bereits seit dem Jahr 2007 ein ähnliches Brückenmodell. Wie in Maria Gugging wurde ein vorhandener Betrieb (Pöttinger Landmaschinen) auf einem Grundstück auf der anderen Seite der Innviertler Bundesstraße um ein Forschungszentrum erweitert und beides fußläufig aneinander angebunden. Als Mehrwert für die Allgemeinheit wurde auch diese Brücke öffentlich zugänglich gemacht. Architektin Claire Braun aus Vöcklabruck hat den Fahrrad- und Fußgängersteg, der auf beiden Seiten auf Straßenniveau startet, konstruktiv in einer Mischkonstruktion gelöst: Zwei gebogene Holzleimbinder sind von vier schräg gestellten Stahlbetonstützen abgespannt, zwischen denen der Boden des Steges einhängt ist. Die Zufahrtsrampen sind in Stahlkonstruktion mit Brüstungen in Stahlblech errichtet, wobei die eine in einer Rundung hinaufführt, die andere geradlinig nach oben zieht und in einen Halbkreis ausschwingt, bevor sie auf den Steg und über die Straße führt.
Als Eyecatcher für die Autofahrer und Sicht- und Blendschutz für die Radfahrer:innen ist zusätzlich auf beiden Seiten jeweils ein Segel eingespannt, das erst recht zur Dynamisierung des Objektes beiträgt. Speziell an dieser Brücke ist, dass sie wie ein Bausatz funktioniert, in nur vier Monaten Planungs- und Bauzeit fertiggestellt war und adaptiert an örtliche Gegebenheiten jederzeit nachgebaut werden könnte.
Dies ist durchaus als Aufforderung an die Verkehrsplanung zu verstehen, denn gerade auf dem Land, wo die Vormachtstellung des Autos ungebrochen ist, muss verstärkt auf ein gesondertes Wegesystem geachtet werden – vor allem in der Nacht ist an das Fahrrad als gängiges Verkehrsmittel auf einer Landstraße nicht zu denken. Während in den Städten immer öfter auch Fahrbahnen auf den Straßen den Fahrradfahrern überlassen werden, ist im ländlichen Gebiet die sicherste Bahn jene, die von der Autostraße getrennt ist. Wenn diese Wege – im doppelten Sinne – darüber hinaus eine Straße ungebremst kreuzen können, erhöht das nicht nur die Sicherheit, sondern auch die durchschnittliche Geschwindigkeit.
Brücken wie die zwei beschriebenen setzen mit ihrem schwungvollen Design ein architektonisches Zeichen für die unten durchfahrenden Autos und halten Fahrradfahrer und Fußgänger in Schwung, damit sie schneller und sicher zu ihrem Ziel kommen – selbstbewegt und emissionsfrei!
Trotzdem ist in Sachen Entflechtung der Fahrbahnen seitens der Verkehrsplaner und des Straßenbaus noch viel zu tun, um eigene Wegenetze für Fahrräder und Fußgänger herzustellen. Ihre Exponiertheit muss reduziert werden, denn Tatsache ist, dass von den Autos und ihren Lenker:innen potenzielle Gefahr ausgeht. Umso erfreulicher ist es, dass die Errichtung von Fußgänger- und Fahrradbrücken über stark befahrenen Straßen im ländlichen Gebiet nicht nur notwendige Infrastruktur herstellt, sondern auch ein Zeichen für alle Autofahrer setzt: Die „Selbstbeweger“ müssen sich nicht einbremsen, um den Autoverkehr queren zu können, sondern können sich einfach „drüberschwingen“, ob zu Fuß oder per Rad.
Die schwungvolle Anmutung macht die Planungsaufgabe einer solchen Brücke spannend und das fertige Objekt ansehnlich – daher sollen zwei Vorzeigeprojekte dieser Art hier vorgestellt werden.
Fußläufige Anbindung
Kürzlich wurde in Maria Gugging, Niederösterreich, beim Eingang auf den Campus des ISTA – Institute of Science and Technology Austria eine Verbindungsbrücke eröffnet, die die stark befahrene Kierlinger Straße überspannt und gleichzeitig einen Geländesprung überwindet. Am Nordhang des Kierlingtales, gegenüber des ISTA, entsteht ein Technologiepark, dessen Bürobauten fußläufig an den Campus angebunden werden sollen; gleichzeitig soll ein öffentlicher Übergang geschaffen werden. Bestehend aus zwei Bahnen, die hangseitig kurz parallel geführt werden und sich dann in Fußgänger- und Radfahrweg teilen, überspannt das Bauwerk aus Stahlkonstruktion mit einer leichten Rundung die Straße und landet in zwei sich übereinander kreuzenden Strängen geschwungen sanft auf der anderen Seite. Während reine Fußgängerbrücken über eine Straße oder Gleisanlage meist – wie hier – in eine Stiegenanlage münden oder an einem Liftturm enden und dadurch starr wirken, müssen die Rampen geschwungen ausgeführt werden, was ein dynamisches Moment erzeugt. Die seitlich hochgezogenen Brüstungen dieser Brücke in anthrazitfarbenem Blech bieten „Flankenschutz“ und vermitteln ein Sicherheitsgefühl, eine Art des Geführtwerdens. Ohne viel Aufhebens gelangt man auf die andere Seite und hat den Autoverkehr unter der Brücke gar nicht wirklich bemerkt. Dass dieses bandartige Bauwerk sich besonders gut in die Landschaft einfügt, ist dem Planungsteam geschuldet, dem spanischen Büro RCR Arquitectes, dessen architektonisches Wirken immer starken Bezug zur umgebenden Landschaft herstellt. Für diese in ihren zahlreichen Entwürfen unterschiedlicher Größenordnung ausgeprägte planerische Kunstfertigkeit wurde das Architektenteam, bestehend aus einer Frau, Carme Pigem, und zwei Männern, Rafael Aranda und Ramon Vilalta, 2017 mit dem Pritzker-Preis, dem weltweit wichtigsten Preis für Architektur, ausgezeichnet.
Sichtschutz als Eyecatcher
Im oberösterreichischen Grieskirchen war man offensichtlich seiner Zeit voraus, denn dort gibt es bereits seit dem Jahr 2007 ein ähnliches Brückenmodell. Wie in Maria Gugging wurde ein vorhandener Betrieb (Pöttinger Landmaschinen) auf einem Grundstück auf der anderen Seite der Innviertler Bundesstraße um ein Forschungszentrum erweitert und beides fußläufig aneinander angebunden. Als Mehrwert für die Allgemeinheit wurde auch diese Brücke öffentlich zugänglich gemacht. Architektin Claire Braun aus Vöcklabruck hat den Fahrrad- und Fußgängersteg, der auf beiden Seiten auf Straßenniveau startet, konstruktiv in einer Mischkonstruktion gelöst: Zwei gebogene Holzleimbinder sind von vier schräg gestellten Stahlbetonstützen abgespannt, zwischen denen der Boden des Steges einhängt ist. Die Zufahrtsrampen sind in Stahlkonstruktion mit Brüstungen in Stahlblech errichtet, wobei die eine in einer Rundung hinaufführt, die andere geradlinig nach oben zieht und in einen Halbkreis ausschwingt, bevor sie auf den Steg und über die Straße führt.
Als Eyecatcher für die Autofahrer und Sicht- und Blendschutz für die Radfahrer:innen ist zusätzlich auf beiden Seiten jeweils ein Segel eingespannt, das erst recht zur Dynamisierung des Objektes beiträgt. Speziell an dieser Brücke ist, dass sie wie ein Bausatz funktioniert, in nur vier Monaten Planungs- und Bauzeit fertiggestellt war und adaptiert an örtliche Gegebenheiten jederzeit nachgebaut werden könnte.
Dies ist durchaus als Aufforderung an die Verkehrsplanung zu verstehen, denn gerade auf dem Land, wo die Vormachtstellung des Autos ungebrochen ist, muss verstärkt auf ein gesondertes Wegesystem geachtet werden – vor allem in der Nacht ist an das Fahrrad als gängiges Verkehrsmittel auf einer Landstraße nicht zu denken. Während in den Städten immer öfter auch Fahrbahnen auf den Straßen den Fahrradfahrern überlassen werden, ist im ländlichen Gebiet die sicherste Bahn jene, die von der Autostraße getrennt ist. Wenn diese Wege – im doppelten Sinne – darüber hinaus eine Straße ungebremst kreuzen können, erhöht das nicht nur die Sicherheit, sondern auch die durchschnittliche Geschwindigkeit.
Brücken wie die zwei beschriebenen setzen mit ihrem schwungvollen Design ein architektonisches Zeichen für die unten durchfahrenden Autos und halten Fahrradfahrer und Fußgänger in Schwung, damit sie schneller und sicher zu ihrem Ziel kommen – selbstbewegt und emissionsfrei!
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom