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Das neue „Magdas Hotel“: Sozial mit einem Hauch Retro
Magdas Hotel ist umgezogen und wurde in einem ehemaligen Priesterwohnheim in Wien-Landstraße permanent heimisch. Das Projekt der Caritas erfüllt nun alle Auflagen an ein Hotel – und hat nichts von seinem Charme verloren.
17. Dezember 2022 - Isabella Marboe
Unweit von Wien-Mitte, einem Bahnhof mit Shopping-Mall und perfekter Flughafenanbindung, verläuft die Ungargasse: verstaubte Authentizität in Zentrumslage. Die Gastwirtschaft Zum alten Heller auf Nummer 34 musste schließen, das zweistöckige Biedermeierhaus wich einem Neubau: ein Wiener Schicksal für niedrigen Bestand ohne Denkmalschutz. Daneben verströmt der schwarze Wagen der Aevum Bestattung die Zuversicht alles Blankpolierten. Das morbide Klischee bröckelt – im Oktober eröffnete auf Hausnummer 38 Magdas Hotel, ein Social Business der Caritas. Auf dem Gehsteig stehen Pflanztröge, dazwischen rote Holzbänke, so viel Entgegenkommen hebt selbst an eisigen Tagen die Laune. Durch raumhohe Scheiben blickt man in einen hellen Raum voll reger Betriebsamkeit: Magdas Lokal.
Es ist Frühstückszeit, Fariba Gholami an der Rezeption ist herzerwärmend freundlich. Neun Lehrlinge gibt es, sie sind zwischen 16 und 30 Jahre alt, viele aus Syrien und Afghanistan. „In der Gastronomie herrscht Fachkräftemangel, wir integrieren Menschen mit Fluchthintergrund in den ersten Arbeitsmarkt“, so Gabriela Sonnleitner, Geschäftsführerin und Leiterin von Magdas Hotel. Das erste startete als Zwischennutzung in einem umgebauten Caritas-Pensionistenheim beim Prater. „Wir mussten mit ganz wenig Mitteln ein Haus einrichten und machten aus dieser Not einen Stil.“ Designer Daniel Büchel baute mit kreativem Witz einige halbierte Pensionistenheimstühle zu coolen Nachttischen um, kombinierte sie mit Vintage-Möbeln aus Carla-Lagern und Tischlerarbeit aus Caritas-Werkstätten. Das Zahlenverhältnis von Fachkräften zu Auszubildenden passte nicht gleich, Magdas lernte rasch, professionalisierte sich, wurde zur Erfolgsgeschichte.
Minimalistisches Gebäude
Das Haus in der Ungargasse 38 war von Dombaumeister Kurt Stögerer als Priesterwohnheim geplant worden, es hatte eine permanente Hotelgenehmigung. Seit Jahrzehnten realisieren BWM Architekten Hotels jeder Dimension und Kategorie, ein sozialökonomischer Betrieb war auch für sie neu. Partner Johann Moser leitete den Umbau; in einem gemeinsamen Workshop mit Magdas bestimmte man den Markenkern des Hauses, das immer ein Ort der Begegnung und Stille gewesen war. Aus der Traufkante ragt die Kapelle im sechsten Stock. Ein schöner Raum, leicht konisch zugeschnitten, die Decke strebt dem indirekten Licht über dem Altar zu.
Baujahr 1963, atmet der Stahlbetonbau den spröden Charme eines Nachkriegsjahrzehnts, in dem sich schon Zuversicht unter die Sparsamkeit mischte. Das Erdgeschoß ist zur Straße hin großzügig verglast, in den ersten zwei Stöcken wohnten Steinmetze der Dombauhütte und Gäste, darüber Priester. Zimmer mit Sanitärzellen an einem Mittelgang, rückseitig kleine Balkone. Die Einteilungen blieben, sonst ist alles neu: Haustechnik, Sanitär, Fluchtstiege, Lift.
Das Gebäude war sehr minimalistisch, die zeittypischen Ast-Moulin-Stegdecken hatten eine Betondeckung von gerade vier bis fünf Zentimetern. „Da bekam man schon beim Hinschauen Angst“, sagt Moser. Lang diskutierte man, ob der alte Estrich zu erhalten war. „Wir haben sogar überlegt, ihn zu schneiden, um Schallübertragung zu verhindern. Man weiß aber nie, ob die Trittschalldämmung brüchig ist. Wir hätten großen Aufwand treiben müssen und letztlich doch keine Gewähr.“ Gabriela Sonnleitner widerstrebte es, alten Beton zu entfernen, um neuen aufzubringen. Sie hatte aber keine Wahl: Einem mittelpreisigen Hotel verzeiht man keinen Lärm, auch wenn es ein sozialökonomischer Betrieb ist und Magdas heißt. Bei der Nachhaltigkeit muss die Bauwirtschaft noch viel lernen.
In den zwei Dachgeschoßen mit den marginal gedämmten Loggien lebten die Ordensschwestern, die den Betrieb am Laufen hielten, auf einer Ebene mit der Kapelle. Sie ist ein Teil des Hotels und für alle zugänglich, ein multikonfessioneller Raum für Taufen, Hochzeiten, Gebete. „Dieses Haus ist sehr spirituell“, sagt Moser. „Es hat einen ethisch-moralischen Hintergrund. Daher sind die Zimmer zurückhaltend, ohne überbordendes Dekor.“ Auf die Gangwände zeichnete die Künstlerin Michaela Pollacek leichthändig wolkig-organoide Strukturen. 85 Zimmer mit 117 Betten gibt es, die Einrichtung ist schlicht, aber aufmerksam. Weiße Wände, Glastür auf die Loggia, die Betthäupter waren einmal Kastenmöbel. Sie verströmen originales Flair, die Fernseher verschwinden in einem kleinen Kasten an der Wand. „Tabernakel“, scherzt Moser.
Bescheidene Eleganz
In Anordnung und Design des Bades zeigt sich die Erfahrung der Architekten: Nur eine halbhohe, innen weiß gekachelte Wand trennt Waschbecken und Dusche vom Raum, so wirkt er viel großzügiger. Wem das zu exponiert ist, der zieht einen hellgrauen Vorhang zu. Einzig die fünf Suiten inszenierte Daniel Büchel etwas opulenter. Da findet sich schon ein Rosenpolster auf einem Sofa. „Ein Merkmal dieser Architektur ist ihre sparsame, bescheidene Eleganz“, sagt Moser. Der Terrazzo mit der dunkelgrün-schwarzen Maserung im Foyer blieb, auch die Stiege mit dem geschwungenen Geländer und die runden Säulen. Ihre Farbigkeit bestimmt die Gestaltung in Magdas Lokal, das für alle offen ist. Wo im Hof früher ein Parkplatz war, gibt es nun einen kleinen Schanigarten mit 60 Sitzplätzen, Autos stehen in der nahen Parkgarage. „Nachhaltigkeit war sehr wichtig. Da gaben uns Magdas Leute Nachhilfeunterricht: Viel wurde saniert“, sagt Johann Moser.
Bernhard Raftl adaptierte das einstige Rezeptionspult zur Bar, 277 Leuchten aus dem Priesterheim setzten die Materialnomaden, die auf Upcycling spezialisiert sind, zur Wiederverwendung instand. Die Holzverkleidung der Nischen an der Stirnseite des Lokals war einmal Teil eines Beichtstuhls. 124 Lampenschirme wurden von Menschen mit Behinderung in der Caritas-Werkstatt Retz händisch mit Fäden umwickelt. Upcycling bedeutet hier nicht billig.
Bei Magdas begegnen Designer und Handwerker alten Gegenständen mit neugierigem Interesse und Respekt. Sie bemessen damit Wert und Nutzen neu. Diese Haltung stiftet Identität, erfordert Zeit und belohnt mit Glaubwürdigkeit. Sie bestimmt auch den Umgang mit den Menschen im Haus. Die 115 Sessel von Franz Schuster aus dem alten Magdas, an denen die Caritas-Werkstätte Retz ein Jahr renoviert hat, stehen nun in Magdas Lokal. Der Raum wurde großzügig geöffnet, die Bänke sind neu, von BWM entworfen und mit gemusterten Backhausen-Stoffen in rot-orange-braunen Tönen überzogen: ein Hauch Orient, wie in den Seminarraumnamen und auf der Speisekarte. Im Lokal können 90 Menschen sitzen, rund 40 arbeiten im Hotel. „Etwa ein Viertel hat bei uns gelernt“, sagt Sonnleitner stolz.
Es ist Frühstückszeit, Fariba Gholami an der Rezeption ist herzerwärmend freundlich. Neun Lehrlinge gibt es, sie sind zwischen 16 und 30 Jahre alt, viele aus Syrien und Afghanistan. „In der Gastronomie herrscht Fachkräftemangel, wir integrieren Menschen mit Fluchthintergrund in den ersten Arbeitsmarkt“, so Gabriela Sonnleitner, Geschäftsführerin und Leiterin von Magdas Hotel. Das erste startete als Zwischennutzung in einem umgebauten Caritas-Pensionistenheim beim Prater. „Wir mussten mit ganz wenig Mitteln ein Haus einrichten und machten aus dieser Not einen Stil.“ Designer Daniel Büchel baute mit kreativem Witz einige halbierte Pensionistenheimstühle zu coolen Nachttischen um, kombinierte sie mit Vintage-Möbeln aus Carla-Lagern und Tischlerarbeit aus Caritas-Werkstätten. Das Zahlenverhältnis von Fachkräften zu Auszubildenden passte nicht gleich, Magdas lernte rasch, professionalisierte sich, wurde zur Erfolgsgeschichte.
Minimalistisches Gebäude
Das Haus in der Ungargasse 38 war von Dombaumeister Kurt Stögerer als Priesterwohnheim geplant worden, es hatte eine permanente Hotelgenehmigung. Seit Jahrzehnten realisieren BWM Architekten Hotels jeder Dimension und Kategorie, ein sozialökonomischer Betrieb war auch für sie neu. Partner Johann Moser leitete den Umbau; in einem gemeinsamen Workshop mit Magdas bestimmte man den Markenkern des Hauses, das immer ein Ort der Begegnung und Stille gewesen war. Aus der Traufkante ragt die Kapelle im sechsten Stock. Ein schöner Raum, leicht konisch zugeschnitten, die Decke strebt dem indirekten Licht über dem Altar zu.
Baujahr 1963, atmet der Stahlbetonbau den spröden Charme eines Nachkriegsjahrzehnts, in dem sich schon Zuversicht unter die Sparsamkeit mischte. Das Erdgeschoß ist zur Straße hin großzügig verglast, in den ersten zwei Stöcken wohnten Steinmetze der Dombauhütte und Gäste, darüber Priester. Zimmer mit Sanitärzellen an einem Mittelgang, rückseitig kleine Balkone. Die Einteilungen blieben, sonst ist alles neu: Haustechnik, Sanitär, Fluchtstiege, Lift.
Das Gebäude war sehr minimalistisch, die zeittypischen Ast-Moulin-Stegdecken hatten eine Betondeckung von gerade vier bis fünf Zentimetern. „Da bekam man schon beim Hinschauen Angst“, sagt Moser. Lang diskutierte man, ob der alte Estrich zu erhalten war. „Wir haben sogar überlegt, ihn zu schneiden, um Schallübertragung zu verhindern. Man weiß aber nie, ob die Trittschalldämmung brüchig ist. Wir hätten großen Aufwand treiben müssen und letztlich doch keine Gewähr.“ Gabriela Sonnleitner widerstrebte es, alten Beton zu entfernen, um neuen aufzubringen. Sie hatte aber keine Wahl: Einem mittelpreisigen Hotel verzeiht man keinen Lärm, auch wenn es ein sozialökonomischer Betrieb ist und Magdas heißt. Bei der Nachhaltigkeit muss die Bauwirtschaft noch viel lernen.
In den zwei Dachgeschoßen mit den marginal gedämmten Loggien lebten die Ordensschwestern, die den Betrieb am Laufen hielten, auf einer Ebene mit der Kapelle. Sie ist ein Teil des Hotels und für alle zugänglich, ein multikonfessioneller Raum für Taufen, Hochzeiten, Gebete. „Dieses Haus ist sehr spirituell“, sagt Moser. „Es hat einen ethisch-moralischen Hintergrund. Daher sind die Zimmer zurückhaltend, ohne überbordendes Dekor.“ Auf die Gangwände zeichnete die Künstlerin Michaela Pollacek leichthändig wolkig-organoide Strukturen. 85 Zimmer mit 117 Betten gibt es, die Einrichtung ist schlicht, aber aufmerksam. Weiße Wände, Glastür auf die Loggia, die Betthäupter waren einmal Kastenmöbel. Sie verströmen originales Flair, die Fernseher verschwinden in einem kleinen Kasten an der Wand. „Tabernakel“, scherzt Moser.
Bescheidene Eleganz
In Anordnung und Design des Bades zeigt sich die Erfahrung der Architekten: Nur eine halbhohe, innen weiß gekachelte Wand trennt Waschbecken und Dusche vom Raum, so wirkt er viel großzügiger. Wem das zu exponiert ist, der zieht einen hellgrauen Vorhang zu. Einzig die fünf Suiten inszenierte Daniel Büchel etwas opulenter. Da findet sich schon ein Rosenpolster auf einem Sofa. „Ein Merkmal dieser Architektur ist ihre sparsame, bescheidene Eleganz“, sagt Moser. Der Terrazzo mit der dunkelgrün-schwarzen Maserung im Foyer blieb, auch die Stiege mit dem geschwungenen Geländer und die runden Säulen. Ihre Farbigkeit bestimmt die Gestaltung in Magdas Lokal, das für alle offen ist. Wo im Hof früher ein Parkplatz war, gibt es nun einen kleinen Schanigarten mit 60 Sitzplätzen, Autos stehen in der nahen Parkgarage. „Nachhaltigkeit war sehr wichtig. Da gaben uns Magdas Leute Nachhilfeunterricht: Viel wurde saniert“, sagt Johann Moser.
Bernhard Raftl adaptierte das einstige Rezeptionspult zur Bar, 277 Leuchten aus dem Priesterheim setzten die Materialnomaden, die auf Upcycling spezialisiert sind, zur Wiederverwendung instand. Die Holzverkleidung der Nischen an der Stirnseite des Lokals war einmal Teil eines Beichtstuhls. 124 Lampenschirme wurden von Menschen mit Behinderung in der Caritas-Werkstatt Retz händisch mit Fäden umwickelt. Upcycling bedeutet hier nicht billig.
Bei Magdas begegnen Designer und Handwerker alten Gegenständen mit neugierigem Interesse und Respekt. Sie bemessen damit Wert und Nutzen neu. Diese Haltung stiftet Identität, erfordert Zeit und belohnt mit Glaubwürdigkeit. Sie bestimmt auch den Umgang mit den Menschen im Haus. Die 115 Sessel von Franz Schuster aus dem alten Magdas, an denen die Caritas-Werkstätte Retz ein Jahr renoviert hat, stehen nun in Magdas Lokal. Der Raum wurde großzügig geöffnet, die Bänke sind neu, von BWM entworfen und mit gemusterten Backhausen-Stoffen in rot-orange-braunen Tönen überzogen: ein Hauch Orient, wie in den Seminarraumnamen und auf der Speisekarte. Im Lokal können 90 Menschen sitzen, rund 40 arbeiten im Hotel. „Etwa ein Viertel hat bei uns gelernt“, sagt Sonnleitner stolz.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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