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„Beamtete“ Architektur
Eine Ausstellung in Wien
26. Juli 1999 - Gabriele Reiterer
Die Architekturgeschichtsschreibung in Österreich hat der «beamteten» Architektur bisher nur wenig Platz eingeräumt. Dabei verdankt Wien sein architektonisches Gesicht nicht zuletzt dem 1835 gegründeten Wiener Stadtbauamt, das über viele Jahrzehnte und politische Machtgefüge hinweg das kommunale Bauen steuerte. Eine zentrale Position hatte das Amt zur Zeit des «Roten Wien» inne. Das sozialdemokratische Kommunalprogramm der zwanziger Jahre forderte eine grundlegende Reformierung der Bauordnung, die Verkehrserschliessung des Gemeindegebietes und den Bau von Wohnhäusern. Der grosse «Aufbruch» begann 1919; Stadtplanung und Architektur waren bestimmt vom immensen Bedarf an Wohnbauten. Hinter der Bezeichnung «Wiener Stadtbauamt» stand eine ganze Architektenschar.
Diesem Umfeld und einer herausragenden Persönlichkeit, dem Architekten Erich Leischner (1887-1970), widmet zurzeit das Architektur-Zentrum Wien eine Ausstellung, die sich auf die Zwischenkriegszeit konzentriert. Zu Leischners ersten Bauaufgaben zählten Entwürfe für Gemeindewohnbauten der frühen zwanziger Jahre. Bereits hier zeigte sich sein einfühlsamer Umgang mit der Topographie und seine Fähigkeit zu dialogischem Denken im Entwurf. Diese Eigenschaften lassen sich vermutlich auch auf Leischners Ausbildungsjahre an der Wiener Technischen Hochschule zurückführen. Vor allem Max Fabiani vertrat eine Auffassung von Raum und Ort, die sich in Leischners komplexer Architektur wiederfindet.
Die Bauvorhaben, an denen Leischner mitwirkte, umfassten auch Fürsorgeeinrichtungen und Nutzbauten wie Kindergärten, Schulen und Badeanlagen. Das 1928 eröffnete Kongressbad entstand in programmatischer Absicht der reformistischen Arbeiterkultur des «Roten Wien». Im Bürgerkriegsjahr 1934 beschloss die ständestaatliche Regierung den Bau einer Paradestrasse auf die drei Wiener Hausberge. Damit schufen sich die neuen Machthaber ein Vorzeigeprojekt; Überlegungen dazu hatte es allerdings schon seit Jahrzehnten gegeben. Es hatte unter anderem die Funktion eines Arbeitsbeschaffungsprogramms. Leischner plante eine serpentinenartige «Autoaussichtsstrasse» mit Brücken und Panoramastationen, die bis heute nichts von ihrer Beliebtheit eingebüsst hat. Einen Auftrag verschwieg Leischner in seiner Biographie wohlweislich. Baldur von Schirach, der Reichsstatthalter von Wien, beauftragte den Architekten für die Ausstattung seines Luftschutzbunkers auf dem Gallitzenberg. Bis 1949 war Leischner im Stadtbauamt tätig. In der Zeit des Wiederaufbaus übernahmen zunehmend freischaffende Architekten die kommunalen Bauaufgaben. (Bis 2. August)
[ Katalog: Amt Macht Stadt. Erich Leischner und das Wiener Stadtbauamt. Hrsg. Architektur-Zentrum Wien. Verlag Anton Pustet, Salzburg 1999. 95 S., ÖS. 380.-. ]
Diesem Umfeld und einer herausragenden Persönlichkeit, dem Architekten Erich Leischner (1887-1970), widmet zurzeit das Architektur-Zentrum Wien eine Ausstellung, die sich auf die Zwischenkriegszeit konzentriert. Zu Leischners ersten Bauaufgaben zählten Entwürfe für Gemeindewohnbauten der frühen zwanziger Jahre. Bereits hier zeigte sich sein einfühlsamer Umgang mit der Topographie und seine Fähigkeit zu dialogischem Denken im Entwurf. Diese Eigenschaften lassen sich vermutlich auch auf Leischners Ausbildungsjahre an der Wiener Technischen Hochschule zurückführen. Vor allem Max Fabiani vertrat eine Auffassung von Raum und Ort, die sich in Leischners komplexer Architektur wiederfindet.
Die Bauvorhaben, an denen Leischner mitwirkte, umfassten auch Fürsorgeeinrichtungen und Nutzbauten wie Kindergärten, Schulen und Badeanlagen. Das 1928 eröffnete Kongressbad entstand in programmatischer Absicht der reformistischen Arbeiterkultur des «Roten Wien». Im Bürgerkriegsjahr 1934 beschloss die ständestaatliche Regierung den Bau einer Paradestrasse auf die drei Wiener Hausberge. Damit schufen sich die neuen Machthaber ein Vorzeigeprojekt; Überlegungen dazu hatte es allerdings schon seit Jahrzehnten gegeben. Es hatte unter anderem die Funktion eines Arbeitsbeschaffungsprogramms. Leischner plante eine serpentinenartige «Autoaussichtsstrasse» mit Brücken und Panoramastationen, die bis heute nichts von ihrer Beliebtheit eingebüsst hat. Einen Auftrag verschwieg Leischner in seiner Biographie wohlweislich. Baldur von Schirach, der Reichsstatthalter von Wien, beauftragte den Architekten für die Ausstattung seines Luftschutzbunkers auf dem Gallitzenberg. Bis 1949 war Leischner im Stadtbauamt tätig. In der Zeit des Wiederaufbaus übernahmen zunehmend freischaffende Architekten die kommunalen Bauaufgaben. (Bis 2. August)
[ Katalog: Amt Macht Stadt. Erich Leischner und das Wiener Stadtbauamt. Hrsg. Architektur-Zentrum Wien. Verlag Anton Pustet, Salzburg 1999. 95 S., ÖS. 380.-. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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