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Frauen auf der Baustelle
Spectrum

In Österreich waren Frauen erst ab 1919 zum Architekturstudium zugelassen. Bis heute ist der Beruf des Architekten eine Männerdomäne. Seit zehn Jahren jedoch verzeichnet die TU Wien mehr Studienabschlüsse von Frauen als von Männern, Tendenz zugunsten der Frauen steigend.

25. Februar 2023 - Franziska Leeb
Unter all den auch von Frauen ausgeübten Berufen ist der des Architekten am längsten eine Domäne des Mannes geblieben, weil zu dessen Ausübung nicht allein originelle, sondern gleichzeitig und in sehr weitgehendem Maße auch aggressive Talente, bis zu diktatorischer Strenge gegenüber maskuliner Brutalität, zu bewähren sind“, schrieb der Publizist und Architekt Hans Adolf Vetter in einer der „schaffenden Frau“ gewidmeten Ausgabe der Monatsschrift „Profil“ der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs (ZV) im Jahr 1933. Zu diesem Zeitpunkt waren gerade einmal vier Frauen Mitglied der ZV, die 1907 mit dem Zweck gegründet worden war, die Standesinteressen der freischaffenden Architekten zu vertreten und die künstlerische Qualität in der Architektur zu sichern.

Bedenkt man, dass Frauen in Österreich erst ab 1919 zum Architekturstudium zugelassen waren, verwundert es nicht, dass der Beruf in den 1930er-Jahren eine Männerdomäne war. Er ist es bis heute. Seit zehn Jahren jedoch verzeichnet die TU Wien mehr Studienabschlüsse von Frauen als von Männern, Tendenz zugunsten der Frauen steigend, 61 Prozent waren es 2021. In der Berufspraxis bildet sich dieser Frauenüberhang noch nicht ab. Der Frauenanteil der im Fachgebiet Architektur registrierten Mitglieder der Ziviltechnikerkammer beträgt ein Fünftel. Bedenkt man die notwendigen Praxisjahre, ehe sich Absolventinnen Architektin nennen dürfen, wird es noch dauern, bis sich die Quote der im Studium annähert.

Die österreichische Architekturgeschichtsschreibung erweckt den Eindruck, als hätten Frauen jahrzehntelang nur in Ausnahmefällen Relevantes beigetragen. Erst seit sich eine zunehmende Zahl an Forscherinnen systematisch auf die Spuren der Frauen in der Architektur macht, kommt mehr über die ersten Architektinnen und ihr Werk ans Licht. Sichtbar gemacht werden die „Architekturpionierinnen“ zum Beispiel auf einer gleichnamigen Website und in einer neuen Publikation, zu der die Mitgliederakten im Archiv der ZV wertvolle Anhaltspunkte lieferten. Die Kunst- und Architekturhistorikerin Ingrid Holzschuh befasst sich seit einigen Jahren mit dessen Aufarbeitung. Gemeinsam mit der Kunstgeschichteprofessorin Sabine Plakolm-Forsthuber von der TU Wien legte sie nun den vom Grafikbüro seite zwei vorzüglich gestalteten Band „Pionierinnen der Wiener Architektur“ vor.

Elitärer Männerklub

In der kollektiven Wahrnehmung war die ZV stets ein elitärer Männerklub. Geführt von Präsidenten wie dem Gründer Ludwig Baumann, später Siegfried Theiß, Clemens Holzmeister, Erich Boltenstern, Eugen Wörle oder Hans Hollein. Es dauerte bis in die 1980er-Jahre, ehe mit Maria Auböck, Margarethe Cufer und Bettina Götz die ersten Frauen in den Vorstand des Landesverbandes für Wien, Niederösterreich und das Burgenland einzogen. Als 2007 mit Marta Schreieck die erste Frau Präsidentin wurde, änderte sich der Name des Vereins auf Zentralvereinigung der Architekt:innen Österreichs; aktuell steht mit Maria Auböck die zweite Frau an der Spitze. Diese Konstellationen beförderten zweifellos das Interesse an der Aufarbeitung des Archivs, insbesondere im Hinblick auf die Frauen in der ZV. Für den Zeitraum von 1925 bis 1960 konnten bis dato 58 weibliche Mitglieder festgestellt werden. Selbst dem Fachpublikum sind nur wenige der Namen geläufig. Dabei waren die Aufnahmekriterien streng.

Bis 1938 war der Abschluss des Architekturstudiums an einer der Meisterschulen der technischen Hochschulen, der Akademie der bildenden Künstler oder einer gleichgestellten Hochschule im Ausland Voraussetzung, und es galt eine mindestens fünfjährige erfolgreiche Tätigkeit im Atelier eines anerkannten Architekten nachzuweisen. Die erste Frau in der ZV war Ella Briggs, nach ihr Leonie Pilewski, beide 1925 aufgenommen, was nur durch den Umweg über ein Studium in Deutschland möglich war. Mit ihrer beider und neun weiteren Biografien stellt das Buch exemplarisch Lebenswege und Karrieren im Kontext der gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen vor.

Für viele der ersten Architektinnen fiel der Berufseinstieg in die Zeit des Nationalsozialismus. Manche traten der NSDAP bei, aus Überzeugung oder des beruflichen Fortkommens wegen, andere mussten emigrieren. Als viele männliche Kollegen zum Kriegsdienst eingezogen waren, war an Hochschulen und in der Praxis die Kompetenz von Frauen gefragt – bis nach dem Krieg Frauen häufig wieder zugunsten der zurückkehrenden Männer aus dem Berufsfeld gedrängt wurden.

Wohnhaus für Alleinstehende

Eine, die es schaffte, ein respektables Werk zu hinterlassen, ist Edith Lassmann (1920–2007). In der Nachkriegszeit war sie ehrenamtlich für den Bund Österreichischer Frauenvereine als Beraterin für die Adaptierung zerstörter Wohnungen tätig. Für die 1949 gegründete Gemeinnützige Baugenossenschaft berufstätiger Frauen entwickelte sie das Konzept eines Wohnhauses für alleinstehende berufstätige Frauen, das 1954 in der Hadikgasse 112 als eleganter Bau mit feingliedrigen Balkonen und ausgestattet mit Annehmlichkeiten wie Zentralheizung, Müllschlucker und Dachterrasse umgesetzt wurde. Sie plante das erste Pensionistenheim der Stadt Wien, den Sonnenhof in Stadlau und beim Wettbewerb zur „Stadt des Kindes“ belegte sie den zweiten Platz hinter Anton Schweighofer.

Ihre spektakulärste Bauaufgabe war eine Reihe an Planungen im Zuge der Errichtung des Kraftwerks Kaprun. Den Auftrag erhielt sie in Folge ihrer Teilnahme beim geladenen „Ideenwettbewerb für die Ausbildung der Limbergsperrenkrone“, wo sie nur Dritte wurde – womöglich, weil der Beitrag erst als der einer Frau identifiziert werden konnte, als es zu spät war. In der zeitgenössischen Berichterstattung fand das Mitwirken einer Frau an einer stark mit männlichen Mythen konnotierten Großbaustelle keinen Widerhall. Erst die jüngere Zeitgeschichtsforschung (durch Frauen) würdigte ihre Leistung.

Dutzende Biografien von Architektinnen gilt es noch aufzuarbeiten. Jahrzehntelang fokussierte die vornehmlich von männlichen Autoren erzählte Architekturgeschichte auf männliche Protagonisten. Es ist also an der Zeit, dass die weiblichen Akteurinnen nicht nur in den – sehr wertvollen – „Frauenpublikationen“ anerkannt werden, sondern Eingang in Lexika und Übersichtswerke finden.

„Pionierinnen der Wiener Architektur – Das Archiv der Zentralvereinigung der Architekt:innen Österreichs (ZV)“, hrsg. von: Ingrid Holzschuh, Sabine Plakolm-Forsthuber (Birkhäuser).

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