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Stellplätze, Balkone, Begrünungen und der ganze Rest
Der Standard

Die kommende Bauordnungsnovelle wirft ihre Schatten voraus, eine Fachenquete fand Ende des Vorjahres statt. Planer und Bauträger haben kürzlich ein umfassendes Forderungspaket präsentiert – und hoffen darauf, dass möglichst viel umgesetzt wird.

18. März 2023 - Martin Putschögl
Eine Novelle der Wiener Bauordnung steht bevor, und es soll nach 2014 und 2018 wieder eine „politische“ werden. Sie soll also nicht nur Änderungen rein technischer Natur, sondern politische Weichenstellungen beinhalten. So lautet der Plan.

Und diese Weichenstellungen sind aus Sicht der Planerinnen und Planer sowie der Bauträger und Entwickler auch dringend nötig, um die Bundeshauptstadt zu dekarbonisieren und an den Klimawandel anpassen zu können. Um in Sachen Novelle etwas Dampf zu machen, hielten Vertreterinnen und Vertreter der Architektenschaft kürzlich gemeinsam mit den Bauträgersprechern der WKÖ und des Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI) sowie der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) eine Pressekonferenz ab. Sie forderten schlankere Verfahren, eine Aufdröselung von Zielkonflikten wie dem leidigen Thema „Brandschutz versus Fassadenbegrünung“, mehr Flexibilität in Geschäftsvierteln und bei Dachgeschoßausbauten, diverse Klarstellungen und außerdem so scheinbar profane Dinge wie eine Reduktion mancher in der Bauordnung definierter Mindestabstände.

„Flut von Vorschriften“

Insbesondere bei Balkonen. Denn diese würden allzu häufig „an der Flut von Vorschriften und Zuständigkeiten“ scheitern, beklagte Sophie Ronaghi-Bolldorf, Vorstandsmitglied der Kammer der ZiviltechnikerInnen, Architekt:innen und Ingenieur:innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Ausreichende Abstände nach unten, zur Grundgrenze und zu benachbarten Liegenschaften müssen bedacht werden, es gebe zudem Unvereinbarkeiten mit Bäumen, Laternenmasten etc.

Auch Fassadenbegrünungen seien in Wien oft nicht möglich, vor allem „aus dem Gehsteig heraus“ sei die Begrünung in Wien nicht erlaubt, „in vielen anderen Metropolen aber schon“, kritisierte Hans Jörg Ulreich, WKÖ-Bauträgersprecher. Und die Interessengemeinschaft aus Planern und Bauträgern macht auch ganz konkrete Vorschläge, wie viel mehr Feuermauern begrünt werden könnten: Es sollte eine gesetzliche Grundlage für das Hineinragen der Bepflanzung in das Nachbargrundstück geschaffen werden, samt einem „Beseitigungsanspruch“ des Eigentümers des „dienenden“ Grundstücks. Und andererseits sollte auch der Eigentümer jener Liegenschaft, zu der die Feuermauer gerichtet ist, das Recht bekommen, diese auf eigene Faust zu begrünen.

Dieser Vorschlag findet sich im sehr konkreten Forderungspapier des ÖVI, das Bauträgersprecher Klaus Wolfinger erarbeitet hat. Für ihn gehen die Probleme aber viel weiter. „Ein Großteil der Wiener Flächenwidmungs- und Bebauungspläne entspricht nicht den aktuellen Zielen der Stadtplanung und stammt teilweise noch aus dem vorigen Jahrhundert“, kritisierte er.
„Mobilitätsgesetz“

Sein Papier enthält auch Änderungsvorschläge für das Wiener Garagengesetz. In diesem ist die sogenannte Stellplatzverpflichtung festgeschrieben, die schon in der Novelle 2014 ein großes Thema war. Damals wurde noch die Regelung geschaffen, dass pro 100 Quadratmeter Wohnfläche ein Stellplatz errichtet werden muss.

Doch sowohl für die Bauträger als auch für die Planerinnen und Planer ist das ein Konzept von gestern. Sie schlagen die Umwandlung in ein „Mobilitätsgesetz“ und ein „bedarfsgerechtes Stellplatzregulativ“ anhand eines Zonenplans vor, wie es ihn etwa in Zürich gibt. Sebastian Beiglböck, Sprecher der VÖPE, erläutert dies näher: Ein Zonenplan für das gesamte Stadtgebiet, mit abgestuftem Pflichtstellplatzschlüssel je nach Lage und Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln, soll in zentralen, gut erschlossenen Lagen eine Reduktion bis auf nur noch zehn Prozent des geltenden Stellplatzregulativs ermöglichen.

„Weniger Pflichtstellplätze haben ökologische und ökonomische Vorteile“, wird argumentiert: weniger Ressourcenverbrauch, geringere Errichtungskosten, mehr Anreize zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr. Und es wäre vermutlich ohnehin nur ein Zwischenschritt hin zu jener Regelung, die es schon in manchen deutschen Städten gibt: gar kein Stellplatzregulativ mehr. In Hamburg ist das seit 2013 so, in Berlin mittlerweile ebenfalls.

Auf einer Fachenquete zur Bauordnungsnovelle im vergangenen November im Wiener Rathaus wurde das Stellplatzregulativ auch als eigener Punkt behandelt, es referierten dazu Michael Gehbauer, Geschäftsführer des gemeinnützigen Bauträgers WBV-GPA, sowie die beiden Bezirksvorsteher Markus Rumelhart (sechster) und Gerald Bischof (23. Bezirk). Sie berichteten von „unterschiedlich gelagerten“ Stellplatzbedürfnissen in den Innen- und Außenbezirken, wie es in einer quasi amtlichen Zusammenfassung der Diskussion heißt. Im 23. Bezirk sei die derzeitige Stellplatzverpflichtung nur knapp ausreichend, während in dicht bebauten Innenstadtbezirken wie eben Mariahilf ein großer „Nutzungsdruck“ auf den öffentlichen Raum spürbar sei, u. a. in Form von Schanigärten, Radabstellanlagen oder E-Ladestellen. Trotz sinkender Kfz-Zahlen nehme der Parkplatzdruck im öffentlichen Bereich nicht merklich ab; als einer der Hauptgründe wurden die vielen leerstehenden privaten Parkplätze genannt, die oft zu teuer angeboten werden. Sammelgaragen oder mehrstöckige Garagen könnten ein Lösungsansatz sein, sagte Gehbauer. Eine Evaluierung sei nötig; in einer anschließenden Diskussion wurde das Züricher Modell als positives Beispiel genannt, die Anregung zur Abschaffung der Stellplatzverpflichtung nach Hamburger Vorbild hingegen „kritisch gesehen“, wie im Protokoll vermerkt wurde. Die Nutzung vorhandener leistbarer Garagen sollte forciert werden.

„Geförderter Wohnbau“

Die Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ war ein weiteres Thema der Enquete, hier berichtete der Leiter der MA 21A, Bernhard Steger, zunächst über erste Erfahrungen mit dem 2018 eingeführten Instrument. Die Widmungskategorie, die bei Neuwidmungen ab 5000 Quadratmetern einen Zwei-Drittel-Anteil des geförderten Wohnbaus vorschreibt, wurde demnach seither auf 14 Plandokumente angewandt, die Wohnbaufläche betrug 750.000 Quadratmeter.

Laut Steger hat sich die Widmungskategorie nach ersten Einschätzungen grundsätzlich bewährt, im Detail könnten aber „Nachschärfungen“ erforderlich sein. Im Gespräch ist hier beispielsweise eine Ausweitung auf die bisher ausgenommene Bauklasse I. Und bei Neufestsetzungen bei Betriebsbaugebieten hätten sich Diskrepanzen in der Handhabung ergeben, auf die Rücksicht zu nehmen sein werde. Auch die Anwendung auf gemischte Baugebiete („rosa Zone“) gemäß Fachkonzept „Produktive Stadt“ sollte präzisiert werden, „um zusätzlichen Wohnbau ohne Gefährdung der Betriebs- oder anderweitiger planerischer Anforderungen zu ermöglichen“. Ob die Widmungskategorie aber auch tatsächlich und nachweisbar dämpfend auf die Bodenpreise gewirkt habe, das konnte Steger nicht beantworten.

Für VÖPE-Geschäftsführer Beiglböck sind die gewünschten Wirkungen „bisher nicht nachweislich spürbar“, im Gegenteil werde sinnvolle Stadtentwicklung durch das Instrument eher eingeschränkt. Die Entwickler fordern eine Abkehr von der Zwei-Drittel-Regelung. Und im Zusammenspiel mit den „rosa Zonen“, in denen Wohnen und Gewerbe vermischt werden sollen, sei die Verpflichtung für gefördertes Wohnen (die hier auf 50 Prozent reduziert werden kann) „wirtschaftlich kaum darstellbar“. Die VÖPE fordert, dass „Leistbares Arbeiten“ in Form von leistbaren Gewerbeflächen als gleichwertiges Ziel innerhalb der rosa Zonen anerkannt wird.

Gar kein Thema in den bisherigen Diskussionen, jedenfalls in den von der Stadt initiierten, waren hingegen die städtebaulichen Verträge, die die Stadt mit der Bauordnungsnovelle 2014 ermöglichte. Die Neos, der kleine Koalitionspartner der SPÖ in Wien, traten noch im Wahlkampf vehement für mehr Transparenz und die Schaffung eines verbindlichen Katalogs bei der Anwendung dieses Instruments ein. Davon ist nun nichts mehr zu hören. DER STANDARD fragte bei den Chefverhandlerinnen der Koalitionsparteien, Waltraud Karner-Kremser (SPÖ) und Selma Arapovic (Neos), an, bekam bisher aber keine Antworten.

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