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Die Diskussion um Hitlers Geburtshaus in Braunau ist seit dem Wettbewerb 2019 verebbt. Doch damals blieben viele kritische Fragen unbeantwortet. Eine junge Initiative hat sie jetzt wieder vor den Vorhang geholt und eine „alternative Kommission“ zur Debatte geladen.
1. April 2023 - Maik Novotny
Seit Jahren steht das Haus Salzburger Vorstadt 15 in Braunau leer. Zutritt streng verboten. Dabei sollten hier schon die Umbauarbeiten im Gange sein. Doch die Baukosten sind von geplanten fünf auf 20 Millionen gestiegen, jetzt soll es im Herbst so weit sein, heißt es. Es ist nicht irgendein Haus, sondern eines, das Historiker, Architekten, fünf Innenminister und die Öffentlichkeit beschäftigt hat, das Geburtshaus Adolf Hitlers. Seit dem Architekturwettbewerb 2020 ist diese Beschäftigung ebenso wie das Haus wieder aus der Öffentlichkeit verschwunden.
Haus mit Gesichts-OP
2016 hatte die vom damaligen Innenminister Wolfgang Sobotka beauftragte Expertenkommission „eine tiefgreifende architektonische Umgestaltung“ empfohlen, die den „Wiedererkennungswert und die Symbolkraft des Gebäudes dauerhaft unterbinden“ sollte, was nach Abschluss des aufwendigen Enteignungsprozesses in die Ausschreibung des Wettbewerbs übernommen wurde, in der die Wörter „Hitlers Geburtshaus“ kein einziges Mal vorkamen. „Durch die zukünftige Nutzung des Hauses durch die Polizei soll ein unmissverständliches Zeichen dafür gesetzt werden, dass dieses Gebäude für immer einer Erinnerung an den Nationalsozialismus entzogen ist“, so Sobotka-Nachfolger Wolfgang Peschorn damals. Der Siegerentwurf von Marte Marte Architekten versuchte, diesem Wunsch zu entsprechen, mit der Idee, die Zeit zurückzudrehen ins Jahr 1750. Der ursprüngliche Doppelgiebel soll rekonstruiert, die Umbauten aus der NS-Zeit entfernt und die Fassade weiß getüncht werden.
Das alles blieb damals nicht ohne Kritik, von der Initiative Denkmalschutz über das Mauthausen-Komitee bis zu den Braunauern selbst wurde argumentiert, einen solchen Ort könne man nicht einfach neutralisieren. Wie ein Teilnehmer berichtet, wussten auch die Architekten anfangs nicht, was genau unter „Neutralisierung“ zu verstehen sei. Ein Haus mit Gesichts-OP und neuem Namen, eine Architektur im Zeugenschutzprogramm? Die Architektur wurde alleingelassen mit der Anweisung, was das Gebäude nicht sein sollte. Wie geht man damit konstruktiv um, und wie sinnvoll ist die Herstellung einer vagen Art von Normalität? Würde sich ein Neonazi aus Bautzen oder Wiener Neustadt von der Pilgerreise nach Braunau wirklich durch die Tatsache abhalten lassen, dass das Haus nun zwei Giebel hat? So bauhistorisch sensibel sind die Wiederbetätiger nicht, und auch nicht so naiv.
„How to Hitlerhaus“
Sicher, es gibt hier keine einfache Lösung, die auf der Hand liegt, und ein Geburtshaus ist kein Täterort wie viele, viele andere. Aber viele Fragen blieben offen, die Diskussion auf breiter Ebene auch durch den fragwürdigen und recht österreichischen Umgang mit den Wettbewerbsergebnissen, die 2020 ohne Ankündigung für drei Tage jeweils ein paar Stunden in Braunau ausgestellt wurden: „Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen“, schien hier das unausgesprochene und zur geplanten polizeilichen Nutzung passende Motto.
Jetzt wurden diese unbeantwortet gebliebenen Fragen wieder in die Öffentlichkeit geholt von den jungen Architektinnen Laura Amann, Teresa Klestorfer, Daniela Mehlich, Linda Lackner, Anna Paul und Sophia Walk, die 2020 den Verein DA – Diskurs Architektur gegründet hatten. Unter dem dezent provokanten Titel „How to Hitlerhaus“ sollte bewusst der schöne Frieden gestört werden. Die Gruppe führte dafür Interviews mit Jurymitgliedern und Architekten, die am Wettbewerb beteiligt waren, die Wettbewerbssieger Marte Marte und das Innenministerium lehnten die Beteiligung ab. Diese Gespräche und eine exzellent aufbereitete Quellenrecherche und Chronologie wurden in einer online verfügbaren Publikation zusammengefasst, um so „Transparenz in einen intransparenten Prozess zu bringen“.
Präsentiert wurde diese Publikation im Rahmen einer Debatte im Wiener Mak am 15. März, die als „nachgeholte Öffentlichkeit“ fungierte und zu der die Architektinnen eine „alternative Kommission“ aus Historikern, Kuratorinnen und Architekturforscherinnen aufs Podium luden: Elke Krasny (Akademie der bildenden Künste Wien), Florian Kotanko (Verein für Zeitgeschichte Braunau), Laura Langeder (Haus der Geschichte Österreich), Inge Manka (TU Wien), Nora Sternfeld (HFBK Hamburg) und Florian Wenninger (Institut für Historische Sozialforschung, Universität Wien). Auch hier hatte das Innenministerium die Einladung ausgeschlagen.
Dies sollte die „offizielle“ Kommission nicht diskreditieren, sondern die Fachdiskussion in die Öffentlichkeit tragen. Das funktionierte als Aufklärungsarbeit sehr gut, gerade weil man sich nicht immer einig war. Würde eine auffällige Architektur oder Nutzung des Hauses die Überhöhung des in ihm Geborenen reproduzieren? Gibt es nicht andere Orte, an denen das Erinnern an Hitlers österreichische Jahre noch dringender nötig wäre? Oder lässt sich der Personenkult gerade in Braunau besonders gut kontern? Abgeschlossen könne Erinnerungsarbeit jedenfalls per se nicht sein, in welcher Form und mit welchem Thema sie auch immer stattfindet.
Keine einfache Lösung
Ob eine Polizeistation wirklich die ideale Nutzung ist, auch dazu gingen die Meinungen auseinander, eine Öffnung des Hauses wurde aber empfohlen, da eine Nichtzugänglichkeit die Aura des Geheimen eher noch überhöhte. In den über 30 Jahren, in denen eine soziale Einrichtung im Haus untergebracht war, sei dessen Offenheit nie ein Problem gewesen, so Kotanko. Und die Architektur? Ist die „Weißwaschung“ der Fassade in ihrer Fotogenität zu schön, um unauffällig zu sein? Ist die Architektur, wie es in einem schönen Bonmot heißt, zu wichtig, um sie den Architekten zu überlassen, bräuchte es stattdessen eine fachliche Vielstimmigkeit?
Am Ende bekundete ein etwas ratloser Architekt aus dem Publikum, er hätte sich vom Abend eine konkrete Lösung erwartet. Doch die kann auch eine alternative Kommission nicht aus dem Hut zaubern. Das Fazit der Initiatorinnen? „Es ist bei der Diskussion wieder klar geworden: So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben“, sagt Anna Paul.
„Eine breite öffentliche Debatte ist jetzt dringend notwendig, um die geplante bauliche Verdrängung abzuwenden“ – kurz: Es geht um einen Projektstopp. Vielleicht ist die Diskussion nicht zu Ende, sondern überhaupt erst am Anfang. Vielleicht darf sie auch nie enden.
Haus mit Gesichts-OP
2016 hatte die vom damaligen Innenminister Wolfgang Sobotka beauftragte Expertenkommission „eine tiefgreifende architektonische Umgestaltung“ empfohlen, die den „Wiedererkennungswert und die Symbolkraft des Gebäudes dauerhaft unterbinden“ sollte, was nach Abschluss des aufwendigen Enteignungsprozesses in die Ausschreibung des Wettbewerbs übernommen wurde, in der die Wörter „Hitlers Geburtshaus“ kein einziges Mal vorkamen. „Durch die zukünftige Nutzung des Hauses durch die Polizei soll ein unmissverständliches Zeichen dafür gesetzt werden, dass dieses Gebäude für immer einer Erinnerung an den Nationalsozialismus entzogen ist“, so Sobotka-Nachfolger Wolfgang Peschorn damals. Der Siegerentwurf von Marte Marte Architekten versuchte, diesem Wunsch zu entsprechen, mit der Idee, die Zeit zurückzudrehen ins Jahr 1750. Der ursprüngliche Doppelgiebel soll rekonstruiert, die Umbauten aus der NS-Zeit entfernt und die Fassade weiß getüncht werden.
Das alles blieb damals nicht ohne Kritik, von der Initiative Denkmalschutz über das Mauthausen-Komitee bis zu den Braunauern selbst wurde argumentiert, einen solchen Ort könne man nicht einfach neutralisieren. Wie ein Teilnehmer berichtet, wussten auch die Architekten anfangs nicht, was genau unter „Neutralisierung“ zu verstehen sei. Ein Haus mit Gesichts-OP und neuem Namen, eine Architektur im Zeugenschutzprogramm? Die Architektur wurde alleingelassen mit der Anweisung, was das Gebäude nicht sein sollte. Wie geht man damit konstruktiv um, und wie sinnvoll ist die Herstellung einer vagen Art von Normalität? Würde sich ein Neonazi aus Bautzen oder Wiener Neustadt von der Pilgerreise nach Braunau wirklich durch die Tatsache abhalten lassen, dass das Haus nun zwei Giebel hat? So bauhistorisch sensibel sind die Wiederbetätiger nicht, und auch nicht so naiv.
„How to Hitlerhaus“
Sicher, es gibt hier keine einfache Lösung, die auf der Hand liegt, und ein Geburtshaus ist kein Täterort wie viele, viele andere. Aber viele Fragen blieben offen, die Diskussion auf breiter Ebene auch durch den fragwürdigen und recht österreichischen Umgang mit den Wettbewerbsergebnissen, die 2020 ohne Ankündigung für drei Tage jeweils ein paar Stunden in Braunau ausgestellt wurden: „Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen“, schien hier das unausgesprochene und zur geplanten polizeilichen Nutzung passende Motto.
Jetzt wurden diese unbeantwortet gebliebenen Fragen wieder in die Öffentlichkeit geholt von den jungen Architektinnen Laura Amann, Teresa Klestorfer, Daniela Mehlich, Linda Lackner, Anna Paul und Sophia Walk, die 2020 den Verein DA – Diskurs Architektur gegründet hatten. Unter dem dezent provokanten Titel „How to Hitlerhaus“ sollte bewusst der schöne Frieden gestört werden. Die Gruppe führte dafür Interviews mit Jurymitgliedern und Architekten, die am Wettbewerb beteiligt waren, die Wettbewerbssieger Marte Marte und das Innenministerium lehnten die Beteiligung ab. Diese Gespräche und eine exzellent aufbereitete Quellenrecherche und Chronologie wurden in einer online verfügbaren Publikation zusammengefasst, um so „Transparenz in einen intransparenten Prozess zu bringen“.
Präsentiert wurde diese Publikation im Rahmen einer Debatte im Wiener Mak am 15. März, die als „nachgeholte Öffentlichkeit“ fungierte und zu der die Architektinnen eine „alternative Kommission“ aus Historikern, Kuratorinnen und Architekturforscherinnen aufs Podium luden: Elke Krasny (Akademie der bildenden Künste Wien), Florian Kotanko (Verein für Zeitgeschichte Braunau), Laura Langeder (Haus der Geschichte Österreich), Inge Manka (TU Wien), Nora Sternfeld (HFBK Hamburg) und Florian Wenninger (Institut für Historische Sozialforschung, Universität Wien). Auch hier hatte das Innenministerium die Einladung ausgeschlagen.
Dies sollte die „offizielle“ Kommission nicht diskreditieren, sondern die Fachdiskussion in die Öffentlichkeit tragen. Das funktionierte als Aufklärungsarbeit sehr gut, gerade weil man sich nicht immer einig war. Würde eine auffällige Architektur oder Nutzung des Hauses die Überhöhung des in ihm Geborenen reproduzieren? Gibt es nicht andere Orte, an denen das Erinnern an Hitlers österreichische Jahre noch dringender nötig wäre? Oder lässt sich der Personenkult gerade in Braunau besonders gut kontern? Abgeschlossen könne Erinnerungsarbeit jedenfalls per se nicht sein, in welcher Form und mit welchem Thema sie auch immer stattfindet.
Keine einfache Lösung
Ob eine Polizeistation wirklich die ideale Nutzung ist, auch dazu gingen die Meinungen auseinander, eine Öffnung des Hauses wurde aber empfohlen, da eine Nichtzugänglichkeit die Aura des Geheimen eher noch überhöhte. In den über 30 Jahren, in denen eine soziale Einrichtung im Haus untergebracht war, sei dessen Offenheit nie ein Problem gewesen, so Kotanko. Und die Architektur? Ist die „Weißwaschung“ der Fassade in ihrer Fotogenität zu schön, um unauffällig zu sein? Ist die Architektur, wie es in einem schönen Bonmot heißt, zu wichtig, um sie den Architekten zu überlassen, bräuchte es stattdessen eine fachliche Vielstimmigkeit?
Am Ende bekundete ein etwas ratloser Architekt aus dem Publikum, er hätte sich vom Abend eine konkrete Lösung erwartet. Doch die kann auch eine alternative Kommission nicht aus dem Hut zaubern. Das Fazit der Initiatorinnen? „Es ist bei der Diskussion wieder klar geworden: So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben“, sagt Anna Paul.
„Eine breite öffentliche Debatte ist jetzt dringend notwendig, um die geplante bauliche Verdrängung abzuwenden“ – kurz: Es geht um einen Projektstopp. Vielleicht ist die Diskussion nicht zu Ende, sondern überhaupt erst am Anfang. Vielleicht darf sie auch nie enden.
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