Artikel
Das Modell als Entwurfswerkzeug
Die Ausstellung im Werkraum Bregenzerwald zeigt Architekturmodelle aus dem Atelier Peter Zumthor
6. April 2023 - Martina Pfeifer Steiner
Zumthor Modelle in einem Zumthor Haus – diese Ausstellung wird bestimmt wieder zahlreiches internationales Publikum in den Bregenzerwald locken, noch dazu wenn sie bis Mitte September im Werkraumhaus zu erleben ist. Vor zehn Jahren feierte man die Eröffnung dieses Bauwerks von besonderer Strahlkraft. „Es war für mich spannend, mit dem Werkraumhaus ein ländliches Gegenstück zum Kunsthaus Bregenz zu bauen, das ebenso stolz ist und selbstbewusst. Das nicht nur vom eigenen Dorf und vom eigenen Ort spricht, sondern auch ein wenig von der Welt“, sagte Peter Zumthor damals bei einem Interview (mit M PS, vorum, 2/2013).
Für diese Schau werden nun die siebenhundert Quadratmeter komplett leergeräumt und vierzig Architekturmodelle aus dem Atelier Peter Zumthor im Innen- sowie Außenraum inszeniert. Die spektakulär-umfassende Präsentation im Sammlungsschaufenster des Kunsthaus Bregenz (2012–2014) ist gewiss noch in Erinnerung, machen die angekauften Zumthor-Modelle doch einen der größten Teile der KUB-Sammlung aus. Nach Andelsbuch werden aber auch die allerneuesten, noch nie öffentlich gezeigten Modelle geliefert, wie zum Beispiel das Konzept-Model des LACMA - Los Angeles County Museum of Art aus Beton, im Maßstab 1:15 (L250 x B260 x H50 cm). Dafür brauchte es wieder das von Zumthor so hochgeschätzte Geschick und Knowhow des Bregenzerwälder Handwerks: die Andelsbucher Baufirma Oberhauser & Schedler vermochte dieses zu fertigen. Vom Museumsprojekt, das nach zehn Jahren Entwicklungs- und Planungsarbeit nächstes Jahr eröffnet wird, gibt es noch zu sehen: ein Standortmodell 1:500, ein Ausstellungskonzept-Modell 1:33 mit über sechs Meter Länge und ein Ensemble von 26 Betonmodellen 1:20 der „Chapel Gallery Houses“ in Beton.
Die Modelle im Modell
Faszinierend ist auch das aktuelle Ausstellungsmodell des Werkraumhauses im Maßstab 1:20, das aus fünf Bodenplatten, zwei Dachteilen und 16 Stützen besteht, aus keramischem Gips, Holz und Pappe; im Inneren alle in akribischer Feinarbeit gefertigten Modelle genau platziert. Betrachtet man Fotos davon, könnte man diese für ein perfektes Rendering halten. Doch genau das macht den großen Mehrwert einer analogen Veranschaulichung aus. Die Abstraktion im Modell erleichtert das räumliche Vorstellungsvermögen wesentlich, vermittelt ein Gefühl für Konstruktion, Material, Dimensionen, Proportionen und Atmosphäre.
Für Peter Zumthor sind das Arbeitsmodelle, an denen experimentell und künstlerisch ausprobiert werden kann, eigentlich eine Antwort auf den Einzug des computergestützten Entwerfens, mit dem der Bezug zur Materialität von Architektur verloren zu gehen droht. Die Modellbauabteilung im Atelier in Haldenstein (bei Chur) ist bei jedem Projekt hochbeschäftigt. Es beginnt bei genauen Landschafts- und Umgebungsmodellen und spielt alle Maßstäbe und für notwendig gehaltenen Detailbereiche durch.
In reale Dimensionen geht es mitunter auf der Baustelle, wie in Andelsbuch beim Werkraumhaus. Das sogenannte Mock-up bildete vor Ort die südöstliche Gebäudeecke eins-zu-eins ab und erlaubte Experimente zu Ausführungsvarianten und die Bemusterung von Farben, Oberflächen, Formen und Materialien. Das war ein wichtiges Hilfsmittel im Bauprozess um Fertigungstechniken mit den Handwerkern durchgehen, zu überprüfen und sich Proportionen vorstellen sowie erleben zu können. So wurde auch deutlich, wie die Gebäudehöhe, gemessen an der Umgebung wirkt, denn die Andelsbucher hatten am Anfang Bedenken, das Haus wäre zu lang, zu breit, zu hoch.
Disziplinübergreifendes Rahmenprogramm
Über die faktische Beschreibung der einzelnen Modelle hinaus, braucht es in der Ausstellung eigentlich keine weiteren Kommentare oder Erklärungen mehr. Wohlkomponiert – die finnische Architektin Hannele Grönlund übernahm die Kuration – stehen die beeindruckenden großmaßstäblichen Modelle im Raum, das Publikum darf sich auf architektonische Atmosphären ganz und gar einlassen. Für das wirklich spannende Rahmenprogramm zeichnet Renate Breuß – bis 2016 Leiterin Werkraum Bregenzerwald – verantwortlich, bei dem es um einen disziplin- und länderübergreifenden Wissensaustausch geht und über nachhaltige Planungs- und Bauprozesse diskutiert wird.
Peter Zumthor nimmt sich dafür reichlich Zeit und steht sieben Mal (!) zur Verfügung. Beispielsweise zum Ausstellungsrundgang mit Handwerkern und Lehrlingen, bei dem er verdeutlicht, was im Prozess des Modellbauens passiert, wie Können und Erfahrung des Handwerks, das Wissen einer Region in seine Entwürfe einfließen. Als Brücke zur Ausstellung im Werkraumhaus sind in den Institutionen zweier Kooperationspartner weitere Modelle – sozusagen als Satelliten – platziert und damit kontextuell verankert.
Zum einen ist dies das Barockbaumeister Museum in Au, wo man sich in der Kuratiekirche Rehmen ins Gespräch über „Das Architektur-Modell zur Zeit der Barockbaumeister“ vertieft. Auch diese wussten nämlich anhand von Modellen – die im Vorfeld sogar dezidiert eingefordert wurden, wie schriftliche Zeugnisse überliefern – ihre kirchlichen Auftraggeber zu überzeugen. Und zum anderen in der Juppenwerkstatt in Riefensberg, wo es um den „Wert von Oberflächen“ geht, denn auch im Prozess der Herstellung dieser Bregenzerwälder Frauentracht findet das Material Leinen über spezielle Verarbeitungstechniken zur Stabilität der Falten, zu seinem eleganten Glanz, zu seinem tiefen Schwarz – und zur gewünschten Form.
Eine großzügige Einladung geht an die Jugendlichen der Werkraum Schule – das ist ein Kooperationsprojekt des Werkraum Bregenzerwald und der Bezauer Wirtschaftsschulen. Sie haben die besondere Gelegenheit zu einer Exkursion nach Haldenstein, in die Modellbauwerkstatt des Atelier Peter Zumthor und können dort eindrücklich das Arbeiten mit Modellen kennenlernen. Gewiss gewinnen sie dabei ein größeres Verständnis für das analoge Entwerfen und wie dies mit einer Vielfalt an Materialien handwerklich umgesetzt wird.
[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, März 2023, http://www.kulturzeitschrift.at ]
Für diese Schau werden nun die siebenhundert Quadratmeter komplett leergeräumt und vierzig Architekturmodelle aus dem Atelier Peter Zumthor im Innen- sowie Außenraum inszeniert. Die spektakulär-umfassende Präsentation im Sammlungsschaufenster des Kunsthaus Bregenz (2012–2014) ist gewiss noch in Erinnerung, machen die angekauften Zumthor-Modelle doch einen der größten Teile der KUB-Sammlung aus. Nach Andelsbuch werden aber auch die allerneuesten, noch nie öffentlich gezeigten Modelle geliefert, wie zum Beispiel das Konzept-Model des LACMA - Los Angeles County Museum of Art aus Beton, im Maßstab 1:15 (L250 x B260 x H50 cm). Dafür brauchte es wieder das von Zumthor so hochgeschätzte Geschick und Knowhow des Bregenzerwälder Handwerks: die Andelsbucher Baufirma Oberhauser & Schedler vermochte dieses zu fertigen. Vom Museumsprojekt, das nach zehn Jahren Entwicklungs- und Planungsarbeit nächstes Jahr eröffnet wird, gibt es noch zu sehen: ein Standortmodell 1:500, ein Ausstellungskonzept-Modell 1:33 mit über sechs Meter Länge und ein Ensemble von 26 Betonmodellen 1:20 der „Chapel Gallery Houses“ in Beton.
Die Modelle im Modell
Faszinierend ist auch das aktuelle Ausstellungsmodell des Werkraumhauses im Maßstab 1:20, das aus fünf Bodenplatten, zwei Dachteilen und 16 Stützen besteht, aus keramischem Gips, Holz und Pappe; im Inneren alle in akribischer Feinarbeit gefertigten Modelle genau platziert. Betrachtet man Fotos davon, könnte man diese für ein perfektes Rendering halten. Doch genau das macht den großen Mehrwert einer analogen Veranschaulichung aus. Die Abstraktion im Modell erleichtert das räumliche Vorstellungsvermögen wesentlich, vermittelt ein Gefühl für Konstruktion, Material, Dimensionen, Proportionen und Atmosphäre.
Für Peter Zumthor sind das Arbeitsmodelle, an denen experimentell und künstlerisch ausprobiert werden kann, eigentlich eine Antwort auf den Einzug des computergestützten Entwerfens, mit dem der Bezug zur Materialität von Architektur verloren zu gehen droht. Die Modellbauabteilung im Atelier in Haldenstein (bei Chur) ist bei jedem Projekt hochbeschäftigt. Es beginnt bei genauen Landschafts- und Umgebungsmodellen und spielt alle Maßstäbe und für notwendig gehaltenen Detailbereiche durch.
In reale Dimensionen geht es mitunter auf der Baustelle, wie in Andelsbuch beim Werkraumhaus. Das sogenannte Mock-up bildete vor Ort die südöstliche Gebäudeecke eins-zu-eins ab und erlaubte Experimente zu Ausführungsvarianten und die Bemusterung von Farben, Oberflächen, Formen und Materialien. Das war ein wichtiges Hilfsmittel im Bauprozess um Fertigungstechniken mit den Handwerkern durchgehen, zu überprüfen und sich Proportionen vorstellen sowie erleben zu können. So wurde auch deutlich, wie die Gebäudehöhe, gemessen an der Umgebung wirkt, denn die Andelsbucher hatten am Anfang Bedenken, das Haus wäre zu lang, zu breit, zu hoch.
Disziplinübergreifendes Rahmenprogramm
Über die faktische Beschreibung der einzelnen Modelle hinaus, braucht es in der Ausstellung eigentlich keine weiteren Kommentare oder Erklärungen mehr. Wohlkomponiert – die finnische Architektin Hannele Grönlund übernahm die Kuration – stehen die beeindruckenden großmaßstäblichen Modelle im Raum, das Publikum darf sich auf architektonische Atmosphären ganz und gar einlassen. Für das wirklich spannende Rahmenprogramm zeichnet Renate Breuß – bis 2016 Leiterin Werkraum Bregenzerwald – verantwortlich, bei dem es um einen disziplin- und länderübergreifenden Wissensaustausch geht und über nachhaltige Planungs- und Bauprozesse diskutiert wird.
Peter Zumthor nimmt sich dafür reichlich Zeit und steht sieben Mal (!) zur Verfügung. Beispielsweise zum Ausstellungsrundgang mit Handwerkern und Lehrlingen, bei dem er verdeutlicht, was im Prozess des Modellbauens passiert, wie Können und Erfahrung des Handwerks, das Wissen einer Region in seine Entwürfe einfließen. Als Brücke zur Ausstellung im Werkraumhaus sind in den Institutionen zweier Kooperationspartner weitere Modelle – sozusagen als Satelliten – platziert und damit kontextuell verankert.
Zum einen ist dies das Barockbaumeister Museum in Au, wo man sich in der Kuratiekirche Rehmen ins Gespräch über „Das Architektur-Modell zur Zeit der Barockbaumeister“ vertieft. Auch diese wussten nämlich anhand von Modellen – die im Vorfeld sogar dezidiert eingefordert wurden, wie schriftliche Zeugnisse überliefern – ihre kirchlichen Auftraggeber zu überzeugen. Und zum anderen in der Juppenwerkstatt in Riefensberg, wo es um den „Wert von Oberflächen“ geht, denn auch im Prozess der Herstellung dieser Bregenzerwälder Frauentracht findet das Material Leinen über spezielle Verarbeitungstechniken zur Stabilität der Falten, zu seinem eleganten Glanz, zu seinem tiefen Schwarz – und zur gewünschten Form.
Eine großzügige Einladung geht an die Jugendlichen der Werkraum Schule – das ist ein Kooperationsprojekt des Werkraum Bregenzerwald und der Bezauer Wirtschaftsschulen. Sie haben die besondere Gelegenheit zu einer Exkursion nach Haldenstein, in die Modellbauwerkstatt des Atelier Peter Zumthor und können dort eindrücklich das Arbeiten mit Modellen kennenlernen. Gewiss gewinnen sie dabei ein größeres Verständnis für das analoge Entwerfen und wie dies mit einer Vielfalt an Materialien handwerklich umgesetzt wird.
[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, März 2023, http://www.kulturzeitschrift.at ]
Für den Beitrag verantwortlich: newroom
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom