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Das neue Cobenzl: Die Swinging Sixties lassen grüßen
Das beliebte Ausflugsziel der Wiener ist ein wandelbarer Ort: Auf dem Cobenzl waren bereits ein alchemistisches Labor, ein Hotel und ein Lazarett untergebracht. Nach dem Umbau lädt das Café zur Zeitreise ein und Schloss und Meierei zu opulenten Feiern.
19. Oktober 2023 - Sigrid Verhovsek
An der weißen Reling über der alten Steinmauer des Rondells sieht man auf das Meer, das einmal Wien war. „Man hat, von hier hinunterblickend, einen großen Teil der Stadt wie auf der flachen Hand“, umschreibt Heimito von Doderer den Blick von der Meierei des Cobenzl. Der blaue See aus Gebäuden scheint unendlich und ist dennoch ein maßstäblich kleines Wien – erstaunlich, wie sehr die Distanz die Perspektive zu verändern vermag. Das mit dieser Weitsicht ausgestattete Café Rondell auf dem Cobenzl scheint über dem Alltag zu schweben.
Einer langen Tradition des Cobenzl als Ausflugsziel der Wiener:innen stehen immer wieder veränderte räumliche Gestaltungen gegenüber. Das im 18. Jahrhundert errichtete einstige Schloss derer von Cobenzl auf dem Reisenberg – eine Erweiterung zweier Erholungsheime der Jesuiten – wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, diente als alchemistisches Labor, Hotel, Lazarett und Flüchtlingsheim, bevor es 1966 abgerissen wurde. Die Stadt Wien, die das Gelände 1907 erworben hatte, errichtete damals nicht nur die Höhenstraße, sondern im Anschluss an die etwas talwärts gelegene Meierei auch einen Restaurationsbetrieb in barockisierendem Heimatstil, der in der Zwischen- und Nachkriegszeit florierte. 1952 wurde durch Architekt Anton Potyka die Moderne in Form eines Café- und Bar-Pavillons hinzugefügt. In den 1980er-Jahre brannte das nicht mehr bewirtschaftete „Schloss-Restaurant“, wurde später partiell renoviert und nach Umbauten nochmals in Betrieb genommen.
„Was kann weg, was muss bleiben?“
2017 forderte die Stadt eine grundlegende Erneuerung des Areals und lud mögliche Investor:innen bzw. Pächter:innen zur Bewerbung ein. Das Konzept sah vor, einen anmietbaren Bereich für Veranstaltungen jeglicher Größe zu bieten, während das frei stehende Rondell ein Café-Restaurant beherbergen sollte. Anfang 2018 wurde ein zweistufiger offener europaweiter Architekturwettbewerb ausgeschrieben, den das Berliner Büro Realarchitektur und Mostlikely Architecture aus Wien für sich entschieden. Ein pandemiebedingter Betreiberwechsel zur Motto-Group brachte später die Interieur-Spezialist:innen von Kroenland Design ins Team.
Baufreimachung und Abbruch begannen 2020, die Durchführung erfolgte von April 2021 bis September 2022. Aufgrund der ständigen Änderungen der historischen Substanz war seitens des Bundesdenkmalamtes gegen eine Unterschutzstellung entschieden worden. Petra Petersson von Realarchitektur meint, dass eine Frage deshalb lautete: „Was kann weg, was muss bleiben?“, um den Charakter des Ortes herauszuarbeiten.
Das „Schloss“ (die Festhalle des Restaurants) und die Meierei, die durch Zwischentrakte verbunden waren, wurden wieder frei gestellt. Die Halle wurde von einem containerartigen Einbau mit flacher Holzdekordecke befreit, und so konnte die fragile originale Eisen-Betonschalen-Kuppel von einem Kamindurchbruch geheilt und sichtbar gemacht werden. Auch die Aussichtsterrasse wurde wieder auf ihr ursprüngliches Niveau gesenkt, was den Proportionen der großzügigen Fenstertüren zugutekommt. Der Wintergarten, der die klare Fassade der Meierei beinahe vollkommen verdeckt hatte, wurde durch eine offene Terrasse ersetzt.
Alte und neue Bäume
Das Farbkonzept ist zurückhaltend, in verschiedenen Oberflächenstrukturen wechselt Beton- und Steingrau mit sanftem Ocker. Der Außenraum präsentiert sich barrierefrei, auf wassergebundenen Wegen wandelt man zwischen altem Baumbestand, 9500 neu gesetzten Pflanzen und moderner Kunst von Erwin Wurm oder Bruno Gironcoli, die unprätentiös, wie zufällig in der Anlage platziert ist. Das ursprüngliche Café konnte bis auf die Basis der Steinmauer nicht erhalten werden; aber die Idee der Swinging Sixties, die Leichtigkeit und Form wurden aufgenommen und auf den zweiten Ensemble-Neuling, ein dreigeschoßiges Veranstaltungsgebäude, übertragen. „Im Entwurfsprozess“, schildert Mark Neuner von Mostlikely, „näherten wir uns anhand von vielen Arbeitsmodellen von rechteckigen Gebäuden hin zu geschwungenen Formen und fließenden Landschaften: sanfte Kurven, die sich je nach Blickpunkt verändern und die Lebensfreude des Ortes ausdrücken.“
Die imposanten geschwungenen Flachdächer, die nicht nur eine konsumfreie Aussichtsplattform bieten, Schatten spenden und auch bei Regen eine Nutzung der Außenräume erlauben, konkurrieren nicht mit den ausladenden Walmdächern, sondern kontrastieren die Bauhistorie der Bestandsgebäude. Die verglasten Talseiten von Café und Veranstaltungsgebäude können von raumhohen Vorhängen umhüllt werden. Veranstaltungsgebäude, Schloss und Meierei sind unterirdisch verbunden und teilen sich Haustechnik- und Serviceräume; oberirdisch können sie separat angemietet werden. Hier nimmt der Gast Technik nur als gebotene Bequemlichkeit wahr. Lüftungsauslässe präsentieren sich als glänzende Bullaugen eines großen Dampfers. Treppenanlagen aus Stahlbeton scheinen in sich zu schwingen und tragen hinauf bis in den Terrassenhimmel am Wienerwald oder führen in Opulenz hinab in Sanitäranlagen.
Zeiten und Räume schwingen ineinander
Das Steinpflaster der Aussichtsterrasse ist durch eine Steinschüttung von der Rondell-Mauer abgerückt. Die weiße Reling und Lampen mit halb runden Schirmen verstärken den maritimen Eindruck. Um grüne Malachit-Tische flirten gelbe Spaghetti-Stühle mit weißen Eisensesseln samt rosengemusterten Sitzpolstern. Die leise klappernde Geräuschkulisse entsteht durch das denkmalgeschützte Granitstein-Pflaster der Höhenstraße. Auch das Interieur der Innenräume ist durchgehend an den 1950er- und 1960er-Jahren orientiert und teils mit Originalsitzmöbeln und alten Teppichen ausgestattet.
Dieser Retro-Charme wäre erdrückend, würde er nicht ständig gebrochen und neu interpretiert: einerseits durch den Einsatz moderner Kunst, andererseits durch eine pragmatische, klare Architektur, wo etwa mintgrün changierende Stofftapeten auf roh belassene Betondecken treffen. Im Innenraum des Rondells wirken Bilder der polnischen Künstlerin Weronika Gesicka erst wie Waschmittelwerbungen aus den 1960er-Jahren, bekommen dann aber aktuell pikante Schärfe. Auf dem Cobenzl scheinen Zeiten und Räume ineinanderzuschwingen: Hier lässt sich gut Leichtigkeit einfangen und mitnehmen.
Einer langen Tradition des Cobenzl als Ausflugsziel der Wiener:innen stehen immer wieder veränderte räumliche Gestaltungen gegenüber. Das im 18. Jahrhundert errichtete einstige Schloss derer von Cobenzl auf dem Reisenberg – eine Erweiterung zweier Erholungsheime der Jesuiten – wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, diente als alchemistisches Labor, Hotel, Lazarett und Flüchtlingsheim, bevor es 1966 abgerissen wurde. Die Stadt Wien, die das Gelände 1907 erworben hatte, errichtete damals nicht nur die Höhenstraße, sondern im Anschluss an die etwas talwärts gelegene Meierei auch einen Restaurationsbetrieb in barockisierendem Heimatstil, der in der Zwischen- und Nachkriegszeit florierte. 1952 wurde durch Architekt Anton Potyka die Moderne in Form eines Café- und Bar-Pavillons hinzugefügt. In den 1980er-Jahre brannte das nicht mehr bewirtschaftete „Schloss-Restaurant“, wurde später partiell renoviert und nach Umbauten nochmals in Betrieb genommen.
„Was kann weg, was muss bleiben?“
2017 forderte die Stadt eine grundlegende Erneuerung des Areals und lud mögliche Investor:innen bzw. Pächter:innen zur Bewerbung ein. Das Konzept sah vor, einen anmietbaren Bereich für Veranstaltungen jeglicher Größe zu bieten, während das frei stehende Rondell ein Café-Restaurant beherbergen sollte. Anfang 2018 wurde ein zweistufiger offener europaweiter Architekturwettbewerb ausgeschrieben, den das Berliner Büro Realarchitektur und Mostlikely Architecture aus Wien für sich entschieden. Ein pandemiebedingter Betreiberwechsel zur Motto-Group brachte später die Interieur-Spezialist:innen von Kroenland Design ins Team.
Baufreimachung und Abbruch begannen 2020, die Durchführung erfolgte von April 2021 bis September 2022. Aufgrund der ständigen Änderungen der historischen Substanz war seitens des Bundesdenkmalamtes gegen eine Unterschutzstellung entschieden worden. Petra Petersson von Realarchitektur meint, dass eine Frage deshalb lautete: „Was kann weg, was muss bleiben?“, um den Charakter des Ortes herauszuarbeiten.
Das „Schloss“ (die Festhalle des Restaurants) und die Meierei, die durch Zwischentrakte verbunden waren, wurden wieder frei gestellt. Die Halle wurde von einem containerartigen Einbau mit flacher Holzdekordecke befreit, und so konnte die fragile originale Eisen-Betonschalen-Kuppel von einem Kamindurchbruch geheilt und sichtbar gemacht werden. Auch die Aussichtsterrasse wurde wieder auf ihr ursprüngliches Niveau gesenkt, was den Proportionen der großzügigen Fenstertüren zugutekommt. Der Wintergarten, der die klare Fassade der Meierei beinahe vollkommen verdeckt hatte, wurde durch eine offene Terrasse ersetzt.
Alte und neue Bäume
Das Farbkonzept ist zurückhaltend, in verschiedenen Oberflächenstrukturen wechselt Beton- und Steingrau mit sanftem Ocker. Der Außenraum präsentiert sich barrierefrei, auf wassergebundenen Wegen wandelt man zwischen altem Baumbestand, 9500 neu gesetzten Pflanzen und moderner Kunst von Erwin Wurm oder Bruno Gironcoli, die unprätentiös, wie zufällig in der Anlage platziert ist. Das ursprüngliche Café konnte bis auf die Basis der Steinmauer nicht erhalten werden; aber die Idee der Swinging Sixties, die Leichtigkeit und Form wurden aufgenommen und auf den zweiten Ensemble-Neuling, ein dreigeschoßiges Veranstaltungsgebäude, übertragen. „Im Entwurfsprozess“, schildert Mark Neuner von Mostlikely, „näherten wir uns anhand von vielen Arbeitsmodellen von rechteckigen Gebäuden hin zu geschwungenen Formen und fließenden Landschaften: sanfte Kurven, die sich je nach Blickpunkt verändern und die Lebensfreude des Ortes ausdrücken.“
Die imposanten geschwungenen Flachdächer, die nicht nur eine konsumfreie Aussichtsplattform bieten, Schatten spenden und auch bei Regen eine Nutzung der Außenräume erlauben, konkurrieren nicht mit den ausladenden Walmdächern, sondern kontrastieren die Bauhistorie der Bestandsgebäude. Die verglasten Talseiten von Café und Veranstaltungsgebäude können von raumhohen Vorhängen umhüllt werden. Veranstaltungsgebäude, Schloss und Meierei sind unterirdisch verbunden und teilen sich Haustechnik- und Serviceräume; oberirdisch können sie separat angemietet werden. Hier nimmt der Gast Technik nur als gebotene Bequemlichkeit wahr. Lüftungsauslässe präsentieren sich als glänzende Bullaugen eines großen Dampfers. Treppenanlagen aus Stahlbeton scheinen in sich zu schwingen und tragen hinauf bis in den Terrassenhimmel am Wienerwald oder führen in Opulenz hinab in Sanitäranlagen.
Zeiten und Räume schwingen ineinander
Das Steinpflaster der Aussichtsterrasse ist durch eine Steinschüttung von der Rondell-Mauer abgerückt. Die weiße Reling und Lampen mit halb runden Schirmen verstärken den maritimen Eindruck. Um grüne Malachit-Tische flirten gelbe Spaghetti-Stühle mit weißen Eisensesseln samt rosengemusterten Sitzpolstern. Die leise klappernde Geräuschkulisse entsteht durch das denkmalgeschützte Granitstein-Pflaster der Höhenstraße. Auch das Interieur der Innenräume ist durchgehend an den 1950er- und 1960er-Jahren orientiert und teils mit Originalsitzmöbeln und alten Teppichen ausgestattet.
Dieser Retro-Charme wäre erdrückend, würde er nicht ständig gebrochen und neu interpretiert: einerseits durch den Einsatz moderner Kunst, andererseits durch eine pragmatische, klare Architektur, wo etwa mintgrün changierende Stofftapeten auf roh belassene Betondecken treffen. Im Innenraum des Rondells wirken Bilder der polnischen Künstlerin Weronika Gesicka erst wie Waschmittelwerbungen aus den 1960er-Jahren, bekommen dann aber aktuell pikante Schärfe. Auf dem Cobenzl scheinen Zeiten und Räume ineinanderzuschwingen: Hier lässt sich gut Leichtigkeit einfangen und mitnehmen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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