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Aufmarsch der Badeenten
Der Standard

Letzte Woche hat das Hotel Badeschloss seinen Betrieb aufgenommen. Der erste nennenswerte Neubau in Bad Gastein seit langem. Aber nicht der letzte! Eine Geschichte über lustige Hotelzimmer und drohende Bettenfluten.

9. Dezember 2023 - Wojciech Czaja
Wir waren zwei Tagesreisen vom Badeschloss entfernt, als durch ein verbotenes, verbotenes, verbotenes, ruckartiges Zurückwenden, durch eine Drehung aus der Schulter der gesamte, bereits zurückgelegte Weg wieder vor uns lag“, singt der deutsche Musiker Friedrich Liechtenstein in seinem Chanson Das Badeschloss. Und als hätte er es bereits damals geahnt, 2014, noch lange, bevor sich irgendein Impuls abzeichnete, bevor der erste Bagger anrollte und der Baukran die gelb-pink-königsblau gekachelte Saunalandschaft im 13. Stock fertigbetonierte: „Once upon a time, memories of them, looks like promises of Cadillacs and glam. Wir liegen Rücken an Rücken, und jeder hält sein gelbes Yo-Yo fest, wir sind made for the future.“

Wider den morbiden Charme

Seit letzter Woche ist das Zukunftsversprechen nun manifest, standfest im Ortszentrum verankert, nur wenige Meter vom Gasteiner Wasserfall entfernt, der mit 80 Dezibel die Felswand herunterkracht und die Fassade des historischen Badeschlosses mit einer eisigen Gischt umspült. Nach rund dreijähriger Bauzeit wurde das Hotel Badeschloss, das jahrzehntelang vor sich hingammelte, mit seinem zum Teil abgebrannten Dachstuhl und längst vermoosten Wänden, am 1. Dezember feierlich wiedereröffnet – und ist nach vielen, vielen Jahren der erste nennenswerte Neubau in ganz Bad Gastein.

„Bad Gastein war im 18. Jahrhundert ein Pionier des alpinen Tourismus“, sagt Lisa Loferer, Geschäftsführerin des lokalen Kur- und Tourismusverbands. „In den letzten Jahrzehnten jedoch haben viele Hoteliers verabsäumt zu investieren. Zuletzt war Bad Gastein vor allem für seinen morbiden Charme bekannt. Doch plötzlich“, meint Loferer, „wir konnten es kaum glauben, stand nach langer Zeit wieder ein Kran im Ort, ein Meilenstein für uns alle, ein Zeichen für Neubeginn.“

Bad Gastein – das sogenannte, vielzitierte Manhattan der Alpen, mit kaisergelben Villen und dramatischen Türmchen, mit Grandhotels, die auf der steilen Böschung zu gigantischen Herbergen heranwachsen. Was also läge näher, meint Erich Bernard, Partner bei BWM Architects and Designers, als sich dieser Typologien anzunehmen und die Stadt mit einem neuen, zeitgemäßen Hochhaus weiterzubauen? Mit 13 Geschoßen und 35 Meter Höhe birgt es 82 Zimmer, eine zweigeschoßige Spa-Landschaft und einen beheizten Dach-Pool mit Blick ins Gasteinertal.

Außen präsentiert sich das neuneckige Prisma als doppelschalige Betonkonstruktion mit unregelmäßig versetzten französischen Fenstern, rau, rough, brutalistisch, je nach Wetterlage scheint sich die graue Fassade vor der Felsenkulisse in ein paar gesprenkelte Pixel aufzulösen.

Innen hingegen ließ sich BWM von der namensgebenden Prämisse des 1794 errichteten Hauses inspirieren und verwandelte das Ding in ein neues, ziemlich freches Bobo-Badeschloss – mit knalligen Farben, gefliesten Schwimmstreifen und gelben Perlonbändern, die mit Chip und Kästchennummer üblicherweise unsere Handgelenke zieren und in den Zimmern nun als Schlaufe zum Öffnen der Laden und Schränke dienen.

„Es war eine wunderschöne Aufgabe, die Geschichte in die Gegenwart zu übertragen“, sagt Bernard. „Im Neubau haben wir uns mit dem Motto des Hotels ausgetobt, es ist ein Haus für Badefreunde und detailverliebte Hedonisten, die hier in die Ästhetik eines Siebzigerjahre-Hallenbades abtauchen wollen. Den Altbau hingegen haben wir behutsam saniert und aufpoliert.“ Hier befinden sich nun Lobby, Bar, Rezeption, Restaurant mit Showküche sowie 20 historische Zimmer, eines davon sogar mit zwei freistehenden Badewannen mitten im Schlafzimmer. Selbstquietschend, Badeenten überall.

Jede Menge Patina

Das Badeschloss ist nicht die einzige Neuigkeit in Bad Gastein. Genau vis-à-vis hat bereits vor wenigen Monaten das Straubinger Grand Hotel seinen Betrieb aufgenommen – mit fünf Sternen, 46 Zimmern und jeder Menge Patina und abgeblätterten Wänden, die hier auf luxuriöseste Weise ästhetisch zelebriert werden. Obwohl sich das Haus vollkommen anders am Markt positioniert (die Maybachs und Jaguars sind bereits geparkt), werkt hinter den Kulissen das exakt gleiche Team: Architektur von BWM, betrieben wird das Haus von der Berliner Travel Charme Hotel GmbH & Co. KG, im Grundbuch steht die Hirmer Verwaltungs GmbH mit Sitz in München.

Interessantes Detail: Mehr als 20 Jahre waren die beiden Liegenschaften in Besitz des Wiener Investors und „Garagenkönigs“ Philippe Duval, dem auch das Haus Austria und das denkmalgeschützte Kongresshaus gehören und der sich weigert, auch nur einen Cent in die Erhaltung seiner Immobilien zu investieren. Aufgrund von Gefahr in Verzug ist das Land Salzburg als eine Art Zwischenhändler eingesprungen und hat die beiden Häuser nach Abschluss der dringlichsten Sofortmaßnahmen zum Nullsummenspiel weiterverkauft. Duval selbst ist auf Anfrage des ΔTANDARD nicht zu erreichen.

„Die beiden Hotels sind ein schöner Impuls“, sagt Eva Hody, Landeskonservatorin Salzburg im Österreichischen Bundesdenkmalamt. „Straubinger respektiert die alte Bausubstanz, und das Badeschloss, obwohl neu, fügt sich in seiner Hochhaustypologie sowie in seiner Struktur, Farbigkeit und Materialität sehr gut in die dahinterliegende Felslandschaft. Bad Gastein zeichnet sich von jeher durch eine extreme Bebauung in Hanglage aus, mit talseitig bis zu acht- und neungeschoßigen Fassaden. Ein Turm wie dieser ist ein durchaus möglicher Weg.“

Epoche der Baukräne

Des einen Segen, der anderen Fluch: Die Revitalisierung von Straubinger und Badeschloss hat eine Handvoll internationaler Hotelketten und Projektentwickler auf den Plan gerufen. 15 Jahre nachdem Lokalmatadore wie etwa Ike Ikrath, Evelyn Ikrath und Olaf Krohne bislang sensibel auf den Ort reagiert und in den leerstehenden Immobilien nachhaltige Hotelkonzepte implementiert haben, scheint nun eine Epoche der Baukräne zu starten. Die aktuell 8500 Hotelbetten sollen auf 10.000 bis 12.000 Betten aufgestockt werden.

„Über ungelegte Eier möchte ich nicht sprechen“, sagt Gerhard Steinbauer (ÖVP), Bürgermeister von Bad Gastein. „Aber ja, Fakt ist: Einige Projekte befinden sich bereits in Entwicklung, wir sind mit den Betrieben in intensiven Gesprächen. Und wir werden uns darauf konzentrieren, Altsubstanz zu sanieren und alte, bereits gewidmete Grundstücke zu bebauen, auf denen früher schon mal ein Hotel stand. Bis zu maximal 3500 Betten sind möglich.“

Die Renaissance von Bad Gastein ist eine große Chance. „Promises of Cadillacs and glam, wir sind made for the future.“ Zugleich ist jetzt der dringliche Zeitpunkt, diese Renaissance aktiv zu planen und nicht allein fremden, ausschließlich ökonomisch fokussierten Investoren und Spekulanten zu überlassen. Es braucht dringend ein baukulturelles Leitbild, besser noch, einen unabhängigen städtebaulichen Wettbewerb. Andernfalls läuft Bad Gastein Gefahr, seinen einzigartigen Charme einzubüßen.

Die Übernachtung im Straubinger Grand Hotel erfolgte auf Einladung von Travel Charme.

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