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Hauptschule im Vorarlberger Satteins: Sanierung für die Boomer
Viele vorgefertigte Stahlbetonschulen der 1960er- und 1970er-Jahre haben nun Sanierungs-
und Erweiterungsbedarf. Die Hauptschule im vorarlbergischen Ort Satteins zeigt, dass sich
dieser Bestand erstaunlich gut adaptieren lässt.
26. Januar 2024 - Isabella Marboe
In der Schnittmenge aus Architektur, Pädagogik und Lehrplan manifestieren sich Ideale und Werte eines Staates. Den Nationalismus noch in den Knochen, bekannte sich die Zweite Republik zur Demokratie und gleichen Bildungschancen für alle. Das Schulgesetzwerk 1962 erhöhte die Schulpflicht auf neun Jahre, führte eine Lehrerbildung an der pädagogischen Akademie ein, ermöglichte Schulversuche und den Wechsel von niederen zu höheren Schulen.
Die Zeichen standen auf Wirtschaftswachstum, Zuversicht und Babyboom. Der Schulbedarf war hoch, man setzte auf vorgefertigte Bauweisen. Die damals fortschrittlichste Technologie war kostengünstig und rasch. Viktor Hufnagl, Franz Kiener, Ferdinand Kitt, Fritz G. Mayr, Herbert Thurnher und Ottokar Uhl erforschten im Auftrag des Ministeriums für Bauten und Bildung zwei Jahre europaweit die Vorfertigung im Schulbau. Sie empfahlen den in Skandinavien weitverbreiteten, hierzulande unüblichen Typus der Hallenschule, die um eine zentrale, großzügige Erschließungshalle organisiert ist und folglich das Land überzog.
Schulreformen halten lang. 1993 und 1997 wurde die Möglichkeit eines integrierten Unterrichts für behinderte Kinder eingeführt, von 2009 bis 2017/18 wurden alle Haupt- zu Neuen Mittelschulen umgewandelt. Die Systemschulen der 1960er und 1970er kommen nun ebenso in die Jahre wie die Babyboomer. Letztere sind pensionsreif, die Schulen müssen an neue Vorschriften und moderne Pädagogik angepasst werden. Das bedeutet: neue, flexible Räume für unterschiedlichste Lernformen.
Typisch für die Zeit
Die Mittelschule am westlichen Ortsrand von Satteins ist ein typisches Kind ihrer Zeit. 1970 gewann Architekt Hugo Purtscher den öffentlichen, baukünstlerischen Wettbewerb. Nach nur 14 Monaten war der vorgefertigte Stahlbetonbau mit den durchgehenden Fensterbändern 1971 – ohne Innenausbau und Turnhalle – zur Benutzung freigegeben, ab 1975 voll ausgebaut.
Auf dem Titelblatt der Eröffnungsbroschüre stürmt eine fröhliche Kinderschar auf den Hof vor dem Eingangstrakt, der zwischen dem vierstöckigen Klassenturm im Osten und dem Turnsaaltrakt im Westen liegt. Letzterer hatte eine „Turnhalle mit internationalen Maßen und Zusehertribüne für 300 Personen“. Im Untergeschoß gab es einen Mehrzwecksaal mit Bühne für ebenfalls 300 Menschen, außerdem eine Lehrschwimmhalle mit einem Becken von 16,66 mal acht Metern.
Von Anfang an hatte die Schule einen Sportschwerpunkt, im Schulversuch „Integrierte Gesamtschule“ wurden auch Sonderschüler:innen unterrichtet. Der Klassentrakt hat einen quadratischen Grundriss mit einem offenen Stiegenhaus zwischen vier Stahlbetonstützen in der Mitte. Um diese zentrale Vertikalerschließung waren pro Ebene vier Norm- und zwei Spezialkassen angeordnet, die ein wenig aus der Fassade vorstanden. In den verglasten Fugen dazwischen lagen die klassenzugeordneten Garderoben.
„Die Architektur war der Pädagogik voraus“
Für Lehrende sah man offensichtlich kaum Platz vor: Sie mussten sich mit einem kleinen Raum beim Eingang begnügen. Konstruktiv ist die Schule ein Stahlbetonskelettbau mit Massivdecken aus Ort- und Fassadenelementen aus Sichtbeton, denen man in den 1980ern Vollwärmeschutz und gelbe Fenster verpasste. Zeitgenössische Pädagogik geht auf Persönlichkeit und Talente der Kinder ein, lernschwache werden unterstützt, leistungsstarke gefördert. Das kann im Einzelunterricht, kleinen, größeren Gruppen und individuell erfolgen. Dazu braucht es „Lernlandschaften“, die sich meist um die Stammklassen anlagern, ebenso wie zentrale „Marktplätze“ zur sozialen Interaktion.
Der Bestand musste räumlich erweitert, neu organisiert sowie punkto Akustik, Sicherheitsvorschriften, Gebäudetechnik und Barrierefreiheit aufgerüstet werden. Den Architekturwettbewerb dazu gewannen Gruber Locher Architekten. Das Bregenzer Büro plant Schulen oft, gern und gekonnt, es erweiterte bereits die von Werner Pfeifer entworfene Schule Mittelweiherburg in Hard.
„Die Architektur war damals der Pädagogik voraus“, erklärt Architekt Reinhold Locher. „Der Vorteil der Bauweise von Schulen dieser Zeit ist, dass es großzügige Flächen außerhalb der Klassen gibt.“ Gruber Locher näherten sich dem Bestand voller Respekt, legten seine Potenziale frei, korrigierten Schwächen, die Eingriffe sind moderat und wirksam. Wegen des Sportschwerpunkts ist der Druck auf die Freiflächen groß, die Architekten versiegelten so wenig wie möglich.
Gute Akustik
Der Eingangstrakt ist rückseitig um einen u-förmigen, zweigeschoßigen Zubau erweitert, der ein Innenatrium ausbildet. Rundum verglast, erhellt es den umlaufenden Gang. Trennwände aus Glas lassen vom Eingang durch Atrium und Lehrerzimmer hindurch über das ganze Geschoß hinwegblicken. „Für uns ist es ein Traum zum Arbeiten. Ich finde diese Transparenz im Haus sensationell“, sagt Direktorin Monika Getzner. 32 Lehrende betreuen derzeit 244 Kinder, davon fünf mit hohem sonderpädagogischen Förderbedarf. Auf dem Atrium gibt es noch einen Ruhe- und Aufenthaltsraum für Lehrende.
Das Gelände fällt vom Eingang im Norden bis zu den Freiflächen um ein Geschoß ab, die Sonderunterrichtsräume im Untergeschoß setzen beim rückseitigen Pausenhof auf, der vom Zubau zwar flächenmäßig reduziert, aber mit aufmerksamer Gestaltung aufgewertet wurde. Die großzügige Erschließung wird zum Marktplatz mit Direktzugang zum Pausenhof, an den sich die neue Bibliothek und der Speisesaal anschließen. Die neue Zentralgarderobe schafft Raum für Kleingruppen. Zwischentrennwände aus Glas, neue Möbel und Oberflächen machen den einst drückenden Bestand sehr freundlich.
Ein frei im Raum stehendes Regal schafft einen lose vom Marktplatz getrennten Bereich für die Kinder. „Das Wichtigste an einer Schule ist mir eine gute Akustik“, so Locher. Man verpasste dem Estrich in der Halle einen akustisch wirksamen Teppich und hängte in den Klassen Baffles (schalldämpfende Raumelemente) auf. Die Turnhalle wurde erneuert und um einen neuen Gymnastiksaal ergänzt. Der Veranstaltungssaal mit Bühne bekam ein kleines Foyer mit Küche. Fossile Energie braucht man auch keine mehr: Nun gibt es Fernwärme, Grundwasserbrunnen und Solarkollektoren an Teilen der Fassade und auf allen Dächern.
Die Zeichen standen auf Wirtschaftswachstum, Zuversicht und Babyboom. Der Schulbedarf war hoch, man setzte auf vorgefertigte Bauweisen. Die damals fortschrittlichste Technologie war kostengünstig und rasch. Viktor Hufnagl, Franz Kiener, Ferdinand Kitt, Fritz G. Mayr, Herbert Thurnher und Ottokar Uhl erforschten im Auftrag des Ministeriums für Bauten und Bildung zwei Jahre europaweit die Vorfertigung im Schulbau. Sie empfahlen den in Skandinavien weitverbreiteten, hierzulande unüblichen Typus der Hallenschule, die um eine zentrale, großzügige Erschließungshalle organisiert ist und folglich das Land überzog.
Schulreformen halten lang. 1993 und 1997 wurde die Möglichkeit eines integrierten Unterrichts für behinderte Kinder eingeführt, von 2009 bis 2017/18 wurden alle Haupt- zu Neuen Mittelschulen umgewandelt. Die Systemschulen der 1960er und 1970er kommen nun ebenso in die Jahre wie die Babyboomer. Letztere sind pensionsreif, die Schulen müssen an neue Vorschriften und moderne Pädagogik angepasst werden. Das bedeutet: neue, flexible Räume für unterschiedlichste Lernformen.
Typisch für die Zeit
Die Mittelschule am westlichen Ortsrand von Satteins ist ein typisches Kind ihrer Zeit. 1970 gewann Architekt Hugo Purtscher den öffentlichen, baukünstlerischen Wettbewerb. Nach nur 14 Monaten war der vorgefertigte Stahlbetonbau mit den durchgehenden Fensterbändern 1971 – ohne Innenausbau und Turnhalle – zur Benutzung freigegeben, ab 1975 voll ausgebaut.
Auf dem Titelblatt der Eröffnungsbroschüre stürmt eine fröhliche Kinderschar auf den Hof vor dem Eingangstrakt, der zwischen dem vierstöckigen Klassenturm im Osten und dem Turnsaaltrakt im Westen liegt. Letzterer hatte eine „Turnhalle mit internationalen Maßen und Zusehertribüne für 300 Personen“. Im Untergeschoß gab es einen Mehrzwecksaal mit Bühne für ebenfalls 300 Menschen, außerdem eine Lehrschwimmhalle mit einem Becken von 16,66 mal acht Metern.
Von Anfang an hatte die Schule einen Sportschwerpunkt, im Schulversuch „Integrierte Gesamtschule“ wurden auch Sonderschüler:innen unterrichtet. Der Klassentrakt hat einen quadratischen Grundriss mit einem offenen Stiegenhaus zwischen vier Stahlbetonstützen in der Mitte. Um diese zentrale Vertikalerschließung waren pro Ebene vier Norm- und zwei Spezialkassen angeordnet, die ein wenig aus der Fassade vorstanden. In den verglasten Fugen dazwischen lagen die klassenzugeordneten Garderoben.
„Die Architektur war der Pädagogik voraus“
Für Lehrende sah man offensichtlich kaum Platz vor: Sie mussten sich mit einem kleinen Raum beim Eingang begnügen. Konstruktiv ist die Schule ein Stahlbetonskelettbau mit Massivdecken aus Ort- und Fassadenelementen aus Sichtbeton, denen man in den 1980ern Vollwärmeschutz und gelbe Fenster verpasste. Zeitgenössische Pädagogik geht auf Persönlichkeit und Talente der Kinder ein, lernschwache werden unterstützt, leistungsstarke gefördert. Das kann im Einzelunterricht, kleinen, größeren Gruppen und individuell erfolgen. Dazu braucht es „Lernlandschaften“, die sich meist um die Stammklassen anlagern, ebenso wie zentrale „Marktplätze“ zur sozialen Interaktion.
Der Bestand musste räumlich erweitert, neu organisiert sowie punkto Akustik, Sicherheitsvorschriften, Gebäudetechnik und Barrierefreiheit aufgerüstet werden. Den Architekturwettbewerb dazu gewannen Gruber Locher Architekten. Das Bregenzer Büro plant Schulen oft, gern und gekonnt, es erweiterte bereits die von Werner Pfeifer entworfene Schule Mittelweiherburg in Hard.
„Die Architektur war damals der Pädagogik voraus“, erklärt Architekt Reinhold Locher. „Der Vorteil der Bauweise von Schulen dieser Zeit ist, dass es großzügige Flächen außerhalb der Klassen gibt.“ Gruber Locher näherten sich dem Bestand voller Respekt, legten seine Potenziale frei, korrigierten Schwächen, die Eingriffe sind moderat und wirksam. Wegen des Sportschwerpunkts ist der Druck auf die Freiflächen groß, die Architekten versiegelten so wenig wie möglich.
Gute Akustik
Der Eingangstrakt ist rückseitig um einen u-förmigen, zweigeschoßigen Zubau erweitert, der ein Innenatrium ausbildet. Rundum verglast, erhellt es den umlaufenden Gang. Trennwände aus Glas lassen vom Eingang durch Atrium und Lehrerzimmer hindurch über das ganze Geschoß hinwegblicken. „Für uns ist es ein Traum zum Arbeiten. Ich finde diese Transparenz im Haus sensationell“, sagt Direktorin Monika Getzner. 32 Lehrende betreuen derzeit 244 Kinder, davon fünf mit hohem sonderpädagogischen Förderbedarf. Auf dem Atrium gibt es noch einen Ruhe- und Aufenthaltsraum für Lehrende.
Das Gelände fällt vom Eingang im Norden bis zu den Freiflächen um ein Geschoß ab, die Sonderunterrichtsräume im Untergeschoß setzen beim rückseitigen Pausenhof auf, der vom Zubau zwar flächenmäßig reduziert, aber mit aufmerksamer Gestaltung aufgewertet wurde. Die großzügige Erschließung wird zum Marktplatz mit Direktzugang zum Pausenhof, an den sich die neue Bibliothek und der Speisesaal anschließen. Die neue Zentralgarderobe schafft Raum für Kleingruppen. Zwischentrennwände aus Glas, neue Möbel und Oberflächen machen den einst drückenden Bestand sehr freundlich.
Ein frei im Raum stehendes Regal schafft einen lose vom Marktplatz getrennten Bereich für die Kinder. „Das Wichtigste an einer Schule ist mir eine gute Akustik“, so Locher. Man verpasste dem Estrich in der Halle einen akustisch wirksamen Teppich und hängte in den Klassen Baffles (schalldämpfende Raumelemente) auf. Die Turnhalle wurde erneuert und um einen neuen Gymnastiksaal ergänzt. Der Veranstaltungssaal mit Bühne bekam ein kleines Foyer mit Küche. Fossile Energie braucht man auch keine mehr: Nun gibt es Fernwärme, Grundwasserbrunnen und Solarkollektoren an Teilen der Fassade und auf allen Dächern.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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