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Was Wien von Rom lernen kann
Der Standard

Am Mittwoch wurde der österreichische Beitrag für die Architekturbiennale 2025 in Venedig präsentiert. Sabine Pollak, Michael Obrist und Lorenzo Romito vergleichen das Wohnen in zwei europäischen Hauptstädten.

29. Februar 2024 - Wojciech Czaja
Bikini, Badehose und Schwimmflügerln wird man auf der kommenden Architekturbiennale zwar nicht brauchen. Denn dafür wird der Pool im Innenhof des Österreich-Pavillons mit 50 Zentimeter Tiefe nicht groß genug sein. Doch dafür soll das Becken mit Meerwasser, Lagunenpflanzen und umliegendem Holzdeck für mikroklimatische Abkühlung und für eine kurze Verschnaufpause sorgen auf der reizüberfluteten Erkundungstour von einem Pavillon zum anderen. Ausgestattet mit Sesseln, Liegestühlen und Sonnenschirmen sollen hier während der Architekturbiennale 2025 in Venedig kuratierte Poolgespräche zum Thema Wohnen stattfinden.

Agency for Better Living nennt sich der Beitrag des Dreierteams Sabine Pollak, Architektin und Professorin für Raum- & Designstrategien an der Kunstuniversität Linz, Michael Obrist, Architekt und Professor für Wohnbau an der TU Wien, und Lorenzo Romito, Aktivist, Gründer des Stadtforschungslabors Stalker, Professor an der Nuova Accademia di Belle Arti (NABA) in Rom sowie Gastprofessor an der ETH Zürich.

Länderübergreifend

Das länderübergreifende Projekt versteht sich als Agentur, Ausstellung und Forschungslabor, um aus wohn- und gesellschaftspolitischen Ansätzen in Wien und Rom zu lernen.

„Wien ist eine Vorzeigestadt für Top-down-Wohnbau“, sagt Kuratorin Pollak. „Vieles, was in dieser Stadt in den letzten 100 Jahren entstanden ist, ist weltweit einzigartig, die ganze Welt schaut da hin. Doch nicht alles entwickelt sich zum Guten. Grundstücke werden rarer und teurer, die technischen Anforderungen steigen, architektonische Qualitäten werden gekürzt, es wird schwieriger, Gemeinschaft herzustellen.“

Im Gegensatz dazu präsentiert sich Rom, das im Umgang mit historischen Ruinen und innovativer Bodenressourcennutzung schon seit hunderten Jahren Erfahrung hat – als europäischer Hotspot für Bottom-up-Ansätze. Leerstände werden besetzt, Bürohäuser zu Wohnzwecken transformiert, immer öfter findet man aktivistische Wohnmodelle und selbstorganisierte Formen des Widerstands.

Projekte wie Corviale, Spin Time, Porto Fluviale und Metropoliz sind Resultate autonomer Strukturen, die Kurator Romito als „Magie der Zivilgesellschaft“ bezeichnet. Aktuell gebe es in den römischen Behörden Bestrebungen, die zum Teil illegal errichteten und genutzten Wohnräume zu legalisieren und als Best-Practice-Wohnprojekte nachhaltig zu verankern. „Die beiden Modelle könnten nicht unterschiedlicher sein“, sagt Kurator Obrist. „In Zeiten globaler Wohnungskrise, in der sich immer weniger Menschen ein gutes Leben in der Stadt leisten können, wollen wir uns die Frage stellen, wie Wien und Rom voneinander lernen können.“

Dabei soll der denkmalgeschützte, nach Plänen von Josef Hoffmann gebaute Österreich-Pavillon in den Giardini in eine Wohnung mit Foyer, Wohnzimmer, Home-Cinema, Küche, einem Ort für unterschiedliche Rezeptexperimente also, und einem begrünten Innenhof mit temporärem Salzwasser-Pool umgebaut werden. Die Interviewpartner der dort stattfindenden Poolgespräche nehmen an einer Lotterie teil und können Übernachtungen in einem der in der Ausstellung präsentierten Wohnprojekte in Wien oder Rom gewinnen. Rote Faden- und Perlenvorhänge, typisch für den europäischen Süden, sollen den Pavillon einhüllen und in seinem Inneren strukturieren.

Politische Verantwortung

Staatssekretärin Andrea Mayer bezeichnete das Konzept für die 19. Architektur-Biennale 2025 als „wichtigen Beitrag, um abseits ästhetischer Fragestellungen auch über die soziale, kulturelle und politische Verantwortung von Architektur zu diskutieren“. Das Budget beläuft sich auf 600.000 Euro. In Zeiten, in denen SPÖ und Wirtschaftskammer so ökologisch desaströse Wahlzuckerl-Ideen wie 100.000 Euro „Eigenheimbonus“ präsentieren, scheint das Geld wertvoll angelegt.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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