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Die Ruine Signa-Wunderland
Der Autor und Schauspieler Calle Fuhr bringt den „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ auf die Volkstheater-Bühne. Es ist ab heute, Samstag, zu sehen. Die [in der gedruckten Ausgabe] eingefärbten Textstellen sind Originalzitate aus dem Stück.
16. März 2024 - Wojciech Czaja
Die Signa wächst und wächst und wächst. Das muss sie auch. Das ist der Fluch von Benkos Geschäftsmodell. „Und ich finde es spannend und beachtlich, bis zu einem gewissen Grad ringt es mir sogar Respekt ab, mit welchem Geschick René Benko in der Lage war, hunderte, vielleicht tausende Menschen an der Nase herumzuführen“, sagt Calle Fuhr, hellblauer Anzug wie ein Entertainer in einer US-amerikanischen TV-Show à la Jeopardy! oder Der Preis ist heiß. „In der Zwischenzeit ist das Kartenhaus in sich zusammengekracht. Viele Menschen – ob mit Geld, Arbeitsplätzen oder unbeglichenen Rechnungen – sind dabei zu Schaden gekommen.“
Heute Abend soll es um einen Mann gehen, der in den letzten Monaten die Schlagzeilen gefüllt hat wie kaum ein anderer. Calle Fuhr, gebürtiger Düsseldorfer, Autor, Regisseur und Schauspieler in Personalunion, hat die Causa Benko und sein Unternehmensimperium Signa, das aus rund 1000 Töchtern und Enkeltöchtern besteht, im Laufe des letzten Jahres in Zusammenarbeit mit der österreichischen Investigativplattform Dossier studiert und analysiert – und beschlossen, darüber ein Ein-Personen-Stück zu schreiben und sich selbst auf den Leib zu schneidern: Aufstieg und Fall des Herrn René Benko.
Weil eben doch längst nicht alles gesagt ist. Heute, Samstag, ist Premiere im Volkstheater, der große Saal längst ausgebucht bis auf den letzten Platz, der STANDARD war bei der Generalprobe live dabei und hat Zitate daraus, fett markiert in diesem Text, aufgenommen und notiert. „Ob in Österreich bei Kika/Leiner oder in Deutschland mit Karstadt und Galeria Kaufhof: Der Signa wurden Millionen an Steuergeldern hineingepumpt, um die maroden Kaufhäuser vermeintlich am Leben zu halten. Dabei scheint es von Anfang an ein abgekartetes Spiel gewesen zu sein, und zwar auf Kosten der Öffentlichkeit. Daher finde ich“, meint Calle Fuhr, „geht die Sache uns alle an.“
Der René will Geld verdienen. Während seine Klassenkameraden wohl gerade die rubinrote Edition von Pokémon für sich entdeckten, begann er, sich in das Immobilienbusiness einzulesen. Passagenweise gleicht Fuhrs Stück einem Vortrag, einer Univorlesung, beginnend in Benkos Schulkarriere, die er frühzeitig abbrach, um bereits in jungen Jahren Kleinanleger für Immo-Aktien zu keilen, wird dabei aber nie fad, besser jedenfalls als jeder Immobilienlehrgang an einer FH. Erst allmählich füllt sich der Theaterabend mit dramaturgisch hineininszenierten Elementen wie etwa Film, Zaubertrick, fiktiven Dialogen, Rollenwechseln mit Brille und Dialekt, zahlreichen Interaktionen mit dem Publikum.
René Benko zeichnet vor allem eines aus: Er ist schnell. Er weiß oft als Erster Bescheid, sobald eine Perle in einer Innenstadt am Markt ist. „Am meisten interessiert mich das Firmengeflecht aus Geschäftsführung, Aufsichtsräten und Beiratsmitgliedern, die sich bei der Signa aber nie als klassischer Beirat, sondern eigenen Angaben zufolge vielmehr als Impulsgeber und strategischer Beraterkreis verstanden haben“, sagt Calle Fuhr. Ob Gusenbauer, Haselsteiner oder Riess-Hahn: „Ich denke, ihre Besetzung folgt wohl auch einem politischen Kalkül, um in allen Koalitionskonstellationen manövrierfähig zu bleiben und immer als Erster zu erfahren, wann wieder einmal ein Filetstück in der Innenstadt frei wird.“ Und nicht nur das.
Benko kennt alle, und alle kennen Benko. „Benko beherrschte von Anfang an die Sprache von Seitenblicke und Boulevardmedien, und zwar fließend. Er ließ sich mit Promis ablichten, ob das nun Bundespräsidenten, Bürgermeister oder etwa Tina Turner war.“ Ein Schnappschuss mit der Rockröhre, auf der Volkstheater-Bühne ertönt einer ihrer größten Hits: „I call you when I need you, my heart’s on fire. When you come to me, give me everything I need. Give me a lifetime of promises and a world of dreams. You’re simply the best.“ „Das Beste für den einen“, meint Fuhr, „ist aber nicht immer das Beste für alle.“
Wo ich herkomme, im Rheinland, da gehst du nicht einkaufen: Da gehste Kaufhof. Oder da gehste Karstadt. Karstadt und Kaufhof wurden über die Jahrzehnte zum Herz einer typischen deutschen Innenstadt. „Mit der Übernahme von Karstadt und Galeria Kaufhof und der anschließenden Aufsplittung in eine Immobilien- und eine Betreibergesellschaft haben Benko und Co ein perfides Spiel inszeniert.“ Die selbsternannten Spielregeln der Signa werden auf der Bühne anschaulich erklärt, mit einer beliebten Immobilientochter namens Elisabeth und einer ungeliebten Betreibertochter namens Dörte. Bei der Generalprobe schüttelt das Publikum fassungslos den Kopf.
Benko wurde bei seiner Übernahme von Galeria als Retter der deutschen Innenstädte gefeiert. Aber das war nie sein Ziel. „Mit der Schließung vieler Galeria-Filialen“, erzählt Fuhr im Interview mit dem ΔTANDARD, „aber auch mit halbfertigen Rohbauten wie etwa dem Lamarr in Wien, dem Elbtower in Hamburg oder dem Carsch-Haus in Düsseldorf sehen wir nun, wie die Innenstädte nach und nach ausverkauft wurden und wie nun riesige Wunden in ihnen klaffen.“ Der Traum ist geplatzt, das Versprechen wurde gebrochen, viele Baustellen stehen still und warten auf Käufer.
Ich verstehe total, dass Leute gerade schadenfroh sind. Wenn sie denken: Der Benko, der hat’s verdient. „Aber das allein ist zu wenig“, sagt Calle Fuhr. „Außerdem dürfen wir nicht vergessen: Zu Schaden sind wir alle gekommen! Denn das, was Benko den Menschen und den Städten angetan hat, ist eine Form der Zerstörung – nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch in Hinblick auf die bauliche Substanz und auf die eigene urbane Identität.“
Den nächsten René Benko etwas unmöglicher machen. Mit seinem Stück möchte der Produzent verhindern, dass sich die Geschichte eines Tages mit anderen Firmen und anderen Protagonisten wiederholt. „Die Frage also ist: Welche politischen Konsequenzen können wir aus dieser Causa ziehen?“ Vor dem Black, neunte Szene, präsentiert der hellblau gekleidete Entertainer drei Strategien für die Zukunft. Ein Lehrstück an der Schnittstelle von Architektur, Politik und Immobilienwirtschaft.
„Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“, Premiere am 16. März im Volkstheater. Vorstellungen am 20., 24., 25. März sowie am 5., 15., 18. und 27. April. Weitere Termine sind in Planung.
Heute Abend soll es um einen Mann gehen, der in den letzten Monaten die Schlagzeilen gefüllt hat wie kaum ein anderer. Calle Fuhr, gebürtiger Düsseldorfer, Autor, Regisseur und Schauspieler in Personalunion, hat die Causa Benko und sein Unternehmensimperium Signa, das aus rund 1000 Töchtern und Enkeltöchtern besteht, im Laufe des letzten Jahres in Zusammenarbeit mit der österreichischen Investigativplattform Dossier studiert und analysiert – und beschlossen, darüber ein Ein-Personen-Stück zu schreiben und sich selbst auf den Leib zu schneidern: Aufstieg und Fall des Herrn René Benko.
Weil eben doch längst nicht alles gesagt ist. Heute, Samstag, ist Premiere im Volkstheater, der große Saal längst ausgebucht bis auf den letzten Platz, der STANDARD war bei der Generalprobe live dabei und hat Zitate daraus, fett markiert in diesem Text, aufgenommen und notiert. „Ob in Österreich bei Kika/Leiner oder in Deutschland mit Karstadt und Galeria Kaufhof: Der Signa wurden Millionen an Steuergeldern hineingepumpt, um die maroden Kaufhäuser vermeintlich am Leben zu halten. Dabei scheint es von Anfang an ein abgekartetes Spiel gewesen zu sein, und zwar auf Kosten der Öffentlichkeit. Daher finde ich“, meint Calle Fuhr, „geht die Sache uns alle an.“
Der René will Geld verdienen. Während seine Klassenkameraden wohl gerade die rubinrote Edition von Pokémon für sich entdeckten, begann er, sich in das Immobilienbusiness einzulesen. Passagenweise gleicht Fuhrs Stück einem Vortrag, einer Univorlesung, beginnend in Benkos Schulkarriere, die er frühzeitig abbrach, um bereits in jungen Jahren Kleinanleger für Immo-Aktien zu keilen, wird dabei aber nie fad, besser jedenfalls als jeder Immobilienlehrgang an einer FH. Erst allmählich füllt sich der Theaterabend mit dramaturgisch hineininszenierten Elementen wie etwa Film, Zaubertrick, fiktiven Dialogen, Rollenwechseln mit Brille und Dialekt, zahlreichen Interaktionen mit dem Publikum.
René Benko zeichnet vor allem eines aus: Er ist schnell. Er weiß oft als Erster Bescheid, sobald eine Perle in einer Innenstadt am Markt ist. „Am meisten interessiert mich das Firmengeflecht aus Geschäftsführung, Aufsichtsräten und Beiratsmitgliedern, die sich bei der Signa aber nie als klassischer Beirat, sondern eigenen Angaben zufolge vielmehr als Impulsgeber und strategischer Beraterkreis verstanden haben“, sagt Calle Fuhr. Ob Gusenbauer, Haselsteiner oder Riess-Hahn: „Ich denke, ihre Besetzung folgt wohl auch einem politischen Kalkül, um in allen Koalitionskonstellationen manövrierfähig zu bleiben und immer als Erster zu erfahren, wann wieder einmal ein Filetstück in der Innenstadt frei wird.“ Und nicht nur das.
Benko kennt alle, und alle kennen Benko. „Benko beherrschte von Anfang an die Sprache von Seitenblicke und Boulevardmedien, und zwar fließend. Er ließ sich mit Promis ablichten, ob das nun Bundespräsidenten, Bürgermeister oder etwa Tina Turner war.“ Ein Schnappschuss mit der Rockröhre, auf der Volkstheater-Bühne ertönt einer ihrer größten Hits: „I call you when I need you, my heart’s on fire. When you come to me, give me everything I need. Give me a lifetime of promises and a world of dreams. You’re simply the best.“ „Das Beste für den einen“, meint Fuhr, „ist aber nicht immer das Beste für alle.“
Wo ich herkomme, im Rheinland, da gehst du nicht einkaufen: Da gehste Kaufhof. Oder da gehste Karstadt. Karstadt und Kaufhof wurden über die Jahrzehnte zum Herz einer typischen deutschen Innenstadt. „Mit der Übernahme von Karstadt und Galeria Kaufhof und der anschließenden Aufsplittung in eine Immobilien- und eine Betreibergesellschaft haben Benko und Co ein perfides Spiel inszeniert.“ Die selbsternannten Spielregeln der Signa werden auf der Bühne anschaulich erklärt, mit einer beliebten Immobilientochter namens Elisabeth und einer ungeliebten Betreibertochter namens Dörte. Bei der Generalprobe schüttelt das Publikum fassungslos den Kopf.
Benko wurde bei seiner Übernahme von Galeria als Retter der deutschen Innenstädte gefeiert. Aber das war nie sein Ziel. „Mit der Schließung vieler Galeria-Filialen“, erzählt Fuhr im Interview mit dem ΔTANDARD, „aber auch mit halbfertigen Rohbauten wie etwa dem Lamarr in Wien, dem Elbtower in Hamburg oder dem Carsch-Haus in Düsseldorf sehen wir nun, wie die Innenstädte nach und nach ausverkauft wurden und wie nun riesige Wunden in ihnen klaffen.“ Der Traum ist geplatzt, das Versprechen wurde gebrochen, viele Baustellen stehen still und warten auf Käufer.
Ich verstehe total, dass Leute gerade schadenfroh sind. Wenn sie denken: Der Benko, der hat’s verdient. „Aber das allein ist zu wenig“, sagt Calle Fuhr. „Außerdem dürfen wir nicht vergessen: Zu Schaden sind wir alle gekommen! Denn das, was Benko den Menschen und den Städten angetan hat, ist eine Form der Zerstörung – nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch in Hinblick auf die bauliche Substanz und auf die eigene urbane Identität.“
Den nächsten René Benko etwas unmöglicher machen. Mit seinem Stück möchte der Produzent verhindern, dass sich die Geschichte eines Tages mit anderen Firmen und anderen Protagonisten wiederholt. „Die Frage also ist: Welche politischen Konsequenzen können wir aus dieser Causa ziehen?“ Vor dem Black, neunte Szene, präsentiert der hellblau gekleidete Entertainer drei Strategien für die Zukunft. Ein Lehrstück an der Schnittstelle von Architektur, Politik und Immobilienwirtschaft.
„Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“, Premiere am 16. März im Volkstheater. Vorstellungen am 20., 24., 25. März sowie am 5., 15., 18. und 27. April. Weitere Termine sind in Planung.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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