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Ein Haus wie ein Dampfer: die Badesiedlung in Greifenstein
Die ersten Häuschen der Strandsiedlung in Greifenstein waren wirklich nur zum Baden da – heute darf und will man hier mit allem Komfort leben. Wie aus einer „Piratenhaus“ genannten Hütte ein ganzjährig bewohnbares Domizil wurde.
14. Juni 2024 - Isabella Marboe
Wasser ist ein konstituierendes Element der Badesiedlung Greifenstein. Eine halbe Stunde von Wien rückt die Stadt hier schlagartig in die Ferne und es beginnt eine andere Zeitrechnung. Wasser in der Luft, Grillen zirpen, es ist grün und frisch. Die Badesiedlung liegt an einem Altarm der Donau, der Bau des Kraftwerks Greifenstein zähmte den Fluss, trotzdem kommt es immer wieder zu Überschwemmungen. Deshalb stehen alle der rund 700 Häuser hier auf Stelzen, deren Höhe sich am Jahrhunderthochwasser 2013 misst: 170, 49 cm über Adria.
Das Hochwasser eint alle, die Kontrolle des Wasserstands der Donau gehört zum Alltag, er findet sich auch auf der Website der Gemeinde. Regelmäßig werden die Häuser geflutet. „Wir konnten direkt vom Balkon aus in unser Schlauchboot steigen“, erinnert sich Andreas Etzelstorfer, der das Büro Backraum Architektur betreibt und selbst in Greifenstein wohnt. Er erweitert sein Haus gerade um einen schlanken, zweigeschoßhoch verglasten, spitzen Zubau aus rotem Holz.
Anfangs nicht mehr als ein Umkleideraum
Bis auf die vorgeschriebenen Stelzen, die den spezifischen Charme dieser Siedlung am Wasser ausmachen, ist jedes Haus ein Unikat. Viele Geschmacksrichtungen, Farben und Formen finden sich, der gehobene Komfortanspruch der zunehmend sesshaften Siedlergemeinschaft ist an der Architektur ablesbar. Die ersten Badehütten wurden Ende der 1930er-Jahre errichtet. Anfangs nicht viel mehr als ein Umkleideraum, kamen später Kochzellen dazu, die zu Küchen wurden, kleine Wohn-, Badezimmer, Hoch- und Stockbetten folgten.
In erster Reihe am Wasser hat sich am Treppelweg ein recht geschlossenes Ensemble alter, dunkelbrauner Holzhäuser auf Stelzen erhalten. Der dezente, dezidiert zeitgenössische Zubau von Architekt Andreas Fellerer ging als vorbildlich sensibel in die Annalen der Architekturpublizistik ein. Unweit davon führt ein massiver Neubau ebenso exemplarisch vor, wie leicht die ausgewogen stimmungsvolle Balance, die diese Atmosphäre bedingt, zu stören ist.
Die Gebäudehülle wurde erhalten
Wer neu baut, nutzt fast immer aus, was die Bauordnung hergibt. Immerhin 80 m² Wohnfläche sind erlaubt, dazu ein Raum mit 50 Prozent der bebauten Fläche zwischen den Stützen, sofern er zwei Öffnungen aufweist, die das Wasser durchfließen lassen. Die Traufhöhe darf 7,50 m betragen. Baugrund in Greifenstein ist hoch begehrt, auf der Suche nach einem Haus bestückte der Bauherr alle greifbaren Postkästen mit Flugzetteln. Die Übung gelang: 2018 erwarb er ein kleines, eingeschoßiges Holzhaus auf Stelzen mit dunkelbrauner, horizontaler Lärchenlattung, weißen Fensterrahmen und Fensterläden auf einer etwa 15 m breiten Parzelle, die sich rund 43 m nordwärts zieht.
Im Süden die Straße, dahinter das Haus, elf Stützen im Erdgeschoß, auf dem in 2,50 m Höhe die Wohnebene aufliegt. Etwa sieben Meter breit, acht Meter lang, im nordöstlichen Eck führt eine dreiläufige Treppe mit Viertelpodest zum Eingang im gartenseitig vorstehenden Erker. Damals war die Bauherrin mit dem zweiten Kind schwanger, das Haus war höchst desolat. Man wollte es erhalten und auch im Frühjahr und Herbst nutzen, es musste saniert und neu gedämmt werden.
In den Hohlräumen zwischen Holzstützen und Lattenfassade bezeugten alte Zeitungen des Jahres 1953, wie sparsam man nach dem Krieg ausgebaut hatte. MO Architekten ließen die abgehängten Decken abnehmen, um die Raumhöhe zu maximieren, und prüften die Tragkonstruktion. Die Gebäudehülle wurde erhalten, thermisch saniert und mit Isolierglas versehen. „Die Zimmer waren sehr klein und für eine Familie ungeeignet. Wir entfernten alle Zwischenwände, um ein Maximum an Raum herauszuholen und alles unterzubringen“, erklärt MO Architektin Olivia Wieser.
Runde, sinnliche Formen
Gestalterisch folgte man dem Schiffsmotiv. Das Holz wurde weiß lackiert, die Küche nimmt es punkto Raumeffizienz mit jeder Kombüse auf. Die Nirosta-Arbeitsplatte ist nicht viel breiter als das Schiebefenster, die Küche teilt sich den kleinen Erker mit dem winzigen Sanitärraum, wo Waschtisch und Dusche unterkamen. Links vom Eingang schwingt sich eine Eckbank um einen auf dem Holzboden angeschraubten Tisch und erreicht das leicht ansteigende Pultdach 2,34 m Raumhöhe. Das Eckfenster lässt sich aufschieben, das Schlafzimmer hat eine Schiebetür aus Nirosta mit Nieten und rundem Sichtfenster, durch ein kleines Bullauge sieht man vom Bett ins Freie. Dessen Korpus ist selbstredend ein Stauraum, die Kinder lieben die kreisrunden Fenster.
2019 war der Umbau fertig und das zweite Kind geboren, die Bauherren verbrachten die gesamte Pandemiezeit in der Badesiedlung. Als zwei weitere Geschwister nachkamen, waren 40 m² nicht mehr genug und ein Ausbau fällig, den Andreas Etzelstorfer von Backraum plante. Räumlich waren zwei Kinder- und ein Elternwohnzimmer gefordert, gestalterisch mussten runde Formen vorkommen, „weil das sinnlich ist“.
Zweites Bad für innerfamiliären Frieden
Auch Etzelstorfer musste aus minimaler Fläche maximalen Raum generieren, außerdem die geforderte Kreisform mit dem rechtwinkeligen Bestand zu einem Ganzen verbinden. „Die Herausforderung lag in besonders vielen Anforderungen: in der Bauordnung, im Raumprogramm, im Bestand, in der Rundung“, bringt er die Sache auf den Punkt. „Im Detail hatte man ganz genau keinen Spielraum mehr.“ Trotzdem konnte er die Bauherrenfamilie von der Notwendigkeit eines weiteren Bades zu überzeugen. Für den innerfamiliären Frieden mit vier Kindern höchst förderlich.
Der Zubau hat Holzriegelwände, die innen mit Brettsperrholz, außen mit weiß lasierten Latten verkleidet sind: Das ist ökologisch, passt zum Bestand und bedingt geringe Wandstärken, was bei so wenig Fläche durchaus relevant ist. Der Zubau schiebt sich gleichermaßen im Vorgarten vor das alte Haus, zwischen den Stützen wurden im zulässigen Höchstausmaß 50 Prozent der Fläche zum hochwasserexponierten Raum geschlossen, den der Bauherr künftig als Werkstätte oder Atelier nutzen will. Davor parken die Autos zwischen den Stützen. Zur Straße hin eckig, zum Garten hin rund, längsseitig wie ein Schiff, überspielt dieses Haus sein Volumen mit südländisch-mediterraner Lebensfreude, die von der Nachbarschaft sehr positiv aufgenommen wird.
Diese Stimmung setzt sich im hellen, leichten Inneren des weißen Holzzubaus fort. Die Treppe in den ersten Stock verschwindet hinter einer Schiebetür mit Bullauge, jedes Kinderzimmer hat eine raumhohe Fenstertür auf den Balkon, der sich die gesamte Südfassade entlang und ums Eck nach Osten zieht. Weiße, verschiebbare Streckmetallpaneele sorgen für Sonnen- und Blickschutz. Über dem Bullauge, das der Badewanne zu einem fulminanten Ausblick verhilft, führt eine Außentreppe auf die große, gedeckte, halbrunde Südterrasse, die sich um das private Elternwohnzimmer im ersten Stock wickelt. Weich rahmt deren Dachform das Panorama über dem Wasser, das Flachdach hat nur noch den Himmel über sich. Zwei witterungsgebeutelte Fauteuils bezeugen, wo der Bauherr am liebsten sitzt.
Das Hochwasser eint alle, die Kontrolle des Wasserstands der Donau gehört zum Alltag, er findet sich auch auf der Website der Gemeinde. Regelmäßig werden die Häuser geflutet. „Wir konnten direkt vom Balkon aus in unser Schlauchboot steigen“, erinnert sich Andreas Etzelstorfer, der das Büro Backraum Architektur betreibt und selbst in Greifenstein wohnt. Er erweitert sein Haus gerade um einen schlanken, zweigeschoßhoch verglasten, spitzen Zubau aus rotem Holz.
Anfangs nicht mehr als ein Umkleideraum
Bis auf die vorgeschriebenen Stelzen, die den spezifischen Charme dieser Siedlung am Wasser ausmachen, ist jedes Haus ein Unikat. Viele Geschmacksrichtungen, Farben und Formen finden sich, der gehobene Komfortanspruch der zunehmend sesshaften Siedlergemeinschaft ist an der Architektur ablesbar. Die ersten Badehütten wurden Ende der 1930er-Jahre errichtet. Anfangs nicht viel mehr als ein Umkleideraum, kamen später Kochzellen dazu, die zu Küchen wurden, kleine Wohn-, Badezimmer, Hoch- und Stockbetten folgten.
In erster Reihe am Wasser hat sich am Treppelweg ein recht geschlossenes Ensemble alter, dunkelbrauner Holzhäuser auf Stelzen erhalten. Der dezente, dezidiert zeitgenössische Zubau von Architekt Andreas Fellerer ging als vorbildlich sensibel in die Annalen der Architekturpublizistik ein. Unweit davon führt ein massiver Neubau ebenso exemplarisch vor, wie leicht die ausgewogen stimmungsvolle Balance, die diese Atmosphäre bedingt, zu stören ist.
Die Gebäudehülle wurde erhalten
Wer neu baut, nutzt fast immer aus, was die Bauordnung hergibt. Immerhin 80 m² Wohnfläche sind erlaubt, dazu ein Raum mit 50 Prozent der bebauten Fläche zwischen den Stützen, sofern er zwei Öffnungen aufweist, die das Wasser durchfließen lassen. Die Traufhöhe darf 7,50 m betragen. Baugrund in Greifenstein ist hoch begehrt, auf der Suche nach einem Haus bestückte der Bauherr alle greifbaren Postkästen mit Flugzetteln. Die Übung gelang: 2018 erwarb er ein kleines, eingeschoßiges Holzhaus auf Stelzen mit dunkelbrauner, horizontaler Lärchenlattung, weißen Fensterrahmen und Fensterläden auf einer etwa 15 m breiten Parzelle, die sich rund 43 m nordwärts zieht.
Im Süden die Straße, dahinter das Haus, elf Stützen im Erdgeschoß, auf dem in 2,50 m Höhe die Wohnebene aufliegt. Etwa sieben Meter breit, acht Meter lang, im nordöstlichen Eck führt eine dreiläufige Treppe mit Viertelpodest zum Eingang im gartenseitig vorstehenden Erker. Damals war die Bauherrin mit dem zweiten Kind schwanger, das Haus war höchst desolat. Man wollte es erhalten und auch im Frühjahr und Herbst nutzen, es musste saniert und neu gedämmt werden.
In den Hohlräumen zwischen Holzstützen und Lattenfassade bezeugten alte Zeitungen des Jahres 1953, wie sparsam man nach dem Krieg ausgebaut hatte. MO Architekten ließen die abgehängten Decken abnehmen, um die Raumhöhe zu maximieren, und prüften die Tragkonstruktion. Die Gebäudehülle wurde erhalten, thermisch saniert und mit Isolierglas versehen. „Die Zimmer waren sehr klein und für eine Familie ungeeignet. Wir entfernten alle Zwischenwände, um ein Maximum an Raum herauszuholen und alles unterzubringen“, erklärt MO Architektin Olivia Wieser.
Runde, sinnliche Formen
Gestalterisch folgte man dem Schiffsmotiv. Das Holz wurde weiß lackiert, die Küche nimmt es punkto Raumeffizienz mit jeder Kombüse auf. Die Nirosta-Arbeitsplatte ist nicht viel breiter als das Schiebefenster, die Küche teilt sich den kleinen Erker mit dem winzigen Sanitärraum, wo Waschtisch und Dusche unterkamen. Links vom Eingang schwingt sich eine Eckbank um einen auf dem Holzboden angeschraubten Tisch und erreicht das leicht ansteigende Pultdach 2,34 m Raumhöhe. Das Eckfenster lässt sich aufschieben, das Schlafzimmer hat eine Schiebetür aus Nirosta mit Nieten und rundem Sichtfenster, durch ein kleines Bullauge sieht man vom Bett ins Freie. Dessen Korpus ist selbstredend ein Stauraum, die Kinder lieben die kreisrunden Fenster.
2019 war der Umbau fertig und das zweite Kind geboren, die Bauherren verbrachten die gesamte Pandemiezeit in der Badesiedlung. Als zwei weitere Geschwister nachkamen, waren 40 m² nicht mehr genug und ein Ausbau fällig, den Andreas Etzelstorfer von Backraum plante. Räumlich waren zwei Kinder- und ein Elternwohnzimmer gefordert, gestalterisch mussten runde Formen vorkommen, „weil das sinnlich ist“.
Zweites Bad für innerfamiliären Frieden
Auch Etzelstorfer musste aus minimaler Fläche maximalen Raum generieren, außerdem die geforderte Kreisform mit dem rechtwinkeligen Bestand zu einem Ganzen verbinden. „Die Herausforderung lag in besonders vielen Anforderungen: in der Bauordnung, im Raumprogramm, im Bestand, in der Rundung“, bringt er die Sache auf den Punkt. „Im Detail hatte man ganz genau keinen Spielraum mehr.“ Trotzdem konnte er die Bauherrenfamilie von der Notwendigkeit eines weiteren Bades zu überzeugen. Für den innerfamiliären Frieden mit vier Kindern höchst förderlich.
Der Zubau hat Holzriegelwände, die innen mit Brettsperrholz, außen mit weiß lasierten Latten verkleidet sind: Das ist ökologisch, passt zum Bestand und bedingt geringe Wandstärken, was bei so wenig Fläche durchaus relevant ist. Der Zubau schiebt sich gleichermaßen im Vorgarten vor das alte Haus, zwischen den Stützen wurden im zulässigen Höchstausmaß 50 Prozent der Fläche zum hochwasserexponierten Raum geschlossen, den der Bauherr künftig als Werkstätte oder Atelier nutzen will. Davor parken die Autos zwischen den Stützen. Zur Straße hin eckig, zum Garten hin rund, längsseitig wie ein Schiff, überspielt dieses Haus sein Volumen mit südländisch-mediterraner Lebensfreude, die von der Nachbarschaft sehr positiv aufgenommen wird.
Diese Stimmung setzt sich im hellen, leichten Inneren des weißen Holzzubaus fort. Die Treppe in den ersten Stock verschwindet hinter einer Schiebetür mit Bullauge, jedes Kinderzimmer hat eine raumhohe Fenstertür auf den Balkon, der sich die gesamte Südfassade entlang und ums Eck nach Osten zieht. Weiße, verschiebbare Streckmetallpaneele sorgen für Sonnen- und Blickschutz. Über dem Bullauge, das der Badewanne zu einem fulminanten Ausblick verhilft, führt eine Außentreppe auf die große, gedeckte, halbrunde Südterrasse, die sich um das private Elternwohnzimmer im ersten Stock wickelt. Weich rahmt deren Dachform das Panorama über dem Wasser, das Flachdach hat nur noch den Himmel über sich. Zwei witterungsgebeutelte Fauteuils bezeugen, wo der Bauherr am liebsten sitzt.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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