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Hier waren Kinder am Werk: ein neues Kunstlabor in St. Pölten
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St. Pölten präsentiert sich als Kulturstadt von europäischem Rang. Das Besondere an ihrem Flaggschiff, dem Kinderkunstlabor: Der Kinderbeirat hatte ein Mitspracherecht bei der Form des Parks und der Museumsräume.

21. Juni 2024 - Isabella Marboe
Es ist schwierig, etwas zu beschreiben, was es noch nicht gibt“, bringt Mona Jas das Problem auf den Punkt. Dass in St. Pölten ein Ort für zeitgenössische Kunst entstehen soll, bei dem die Perspektive der Kinder die Hauptsache ist, lockte die künstlerische Leiterin des Kinderkunstlabors von Berlin in die Stadt. Das Kinderkunstlabor war das Herzstück der Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2024 und sollte unabhängig vom Bewerbungserfolg realisiert werden. Zunächst hatten wohl viele kein klares Bild, was so ein Haus leisten kann und wie seine architektonische Beschaffenheit sein soll.

Kunstvermittlungsprogramme für Kinder gibt es heute in fast jedem Museum. Auch Kindermuseen, die altersgerechte Ausstellungen und Mitmachprogramme anbieten, sind nichts Neues. Ein Kunsthaus aber, bei dem Kinder an inhaltlichen, programmatischen und gestalterischen Entscheidungen beteiligt sind, dafür findet sich selbst international kein Beispiel.

Von Schenker Salvi Weber Architekten aus Wien

Um die Architektur ebenso partizipativ zu entwickeln, hätte es mehr Zeit gebraucht. Immerhin wurde ein offener einstufiger Realisierungswettbewerb ausgelobt, der kreativen, kleineren Architekturbüros die Beteiligung ermöglichte. Gewonnen wurde er von Schenker Salvi Weber Architekten aus Wien, die mit ihren Schulbauten schon gezeigt haben, dass sie für die Bedürfnisse von Kindern planen können, ohne sie zu verniedlichen.

Während der Planungs- und Bauphase war der aus Kindergartengruppen und Schulklassen gebildete Kinderbeirat in die weitere Ausgestaltung des Parks und der Museumsräume ebenso einbezogen wie in die Programmgestaltung. Er stand im direkten Austausch mit dem Architekturbüro und vielen Künstlern und Künstlerinnen und hatte zum Beispiel eine Stimme in der Wettbewerbsjury für die Spielskulpturen im Park. Schon das ist eine Leistung: Kinder einzubinden und so ernst zu nehmen, dass sie sich im fertigen Produkt wiederfinden.

Die Wege sind nun wassergebunden

Standort ist der nach der amerikanischen Partnerstadt in Pennsylvania benannte Altoona-Park an einer stadträumlich wenig attraktiven Kreuzung am Schulring, etliche Schulen liegen in der Umgebung. Nur wenige Schritte sind es zur kürzlich als Zentrum für Kultur und Geschichtsvermittlung wiedereröffneten Ehemaligen Synagoge St. Pölten. Der städtebauliche Ansatz, direkt an der Kreuzung in die Höhe zu gehen, den Schwung der Straße im Baukörper aufzunehmen und ein Gelenk zwischen Innenstadt und Kulturbezirk zu bilden, bringt mit sich, dass der Park eine räumliche Fassung erhält und der Fußabdruck möglichst gering bleibt. Gesegnet mit einem schönen dichten Baumbestand und der Lage am Mühlbach, zuvor aber unambitioniert gestaltet, erfuhr die Grünanlage eine Neugestaltung durch das Landschaftsarchitekturbüro Bauchplan. Die Wege sind nicht mehr asphaltiert, sondern wassergebunden.

Bei der Eröffnung Ende Juni wird die Ausstattung noch nicht ganz fertig sein. Ein Wasserspiel und (Spiel-)Skulpturen von Andrea Maurer, Christine und Irene Hohenbüchler, Mischer Traxler und Regina Möller versprechen einen angenehmen Erholungs- und Erlebnisort – nicht nur für Kinder. Die Gebäudefigur ist aus der Fernsicht kaum zu erfassen. Aus manchen Blickwinkeln wirkt der viergeschoßige Baukörper wie ein schlanker Quader. Doch im Grundriss handelt es sich um ein Dreieck mit gekappten Ecken und drei leicht nach innen genickten Seiten, also um ein Sechseck, das als Motiv im Inneren immer wieder auftaucht.

Ursprünglich als reiner Holzbau erdacht, stellte sich in der weiteren Bearbeitung ein reines Holztragwerk nicht nur als zu teuer, sondern auch als zu wuchtig heraus. Also entwickelten die Tragwerksplaner aus dem Büro von Werner Sobek eine neue konstruktive Lösung mit einer Baumstütze aus Beton, von deren „Stamm“ in der Gebäudemitte sechs „Äste“ abgehen, und die die Lasten auf zartere Weise aufnehmen. Dieser innere Kern mit der zentralen Stütze nimmt das Raumprogramm auf, um ihn schraubt sich über die ganze Gebäudehöhe ein Erschließungsraum nach oben: Helixtreppe nennen ihn die Architekten.

Nach außen bilden Holzlamellen einen beschattenden und durchlässigen Filter zur Umgebung. Kontrastierend zum weichen hölzernen Kleid wirken die drei Gebäudeeinschnitte mit akkurat gekanteten Gewänden würdevoll streng. Das breiteste markiert den Eingang am Vorplatz, ein Portal führt vom Park in das Café im Erdgeschoß, und das dritte dient als Fenster zum angrenzenden Indoorspielplatz, den der polnische Architekt und Künstler Jakub Szczęsny als vielseitigen Raum, der erobert werden will, gestaltet hat.

Der nach oben zu schmäler werdende Treppenraum erfüllt den Anspruch, „Möglichkeitsräume“ bereitzustellen, zweimal weitet sich die Zone zwischen innen und außen zu zweigeschoßigen Loggien. „Etwas zum Klettern“ wollten die Kinder. Mit diesem Wunsch konfrontiert, entdeckte Mona Jas die Arbeiten der Japanerin Toshiko Horiuchi MacAdam. Die Kinder waren begeistert, und mit ihrem Votum im Rücken kontaktierte Mona Jas die Künstlerin, die für einen der Bereiche ein riesiges buntes Kletternetz häkelte, „das gut erklärt, wofür das Kinderkunstlabor steht“: höchste künstlerische Qualität und immersive Erfahrung. Treppenkonzerte sind geplant, und auch sonst kann sich hier noch vieles entwickeln.

Gefühl des Willkommenseins

Der große Ausstellungsbereich im ersten Stock wird mit einer Ausstellung der gern mit sozialen Interaktionen arbeitenden brasilianischen Künstlerin Rivane Neuenschwander nach den Sommerferien richtig in Betrieb gehen. Im Stock darüber gibt es einen Begrüßungsraum, in dem sich die Kinder sammeln können, bevor sie in den Laboren aktiv werden. Ein Highlight im obersten Stock ist die mit einem runden Oberlicht ausgestattete Kinderbücherei. Ein Gefühl des Willkommenseins ist spürbar, das Materialkonzept macht das Gebäude nahbar. „Die Kinder sollen erkennen, wie das Haus gebaut ist“, erklärt Michael Salvi. Holz und Beton sind sichtbar, ebenso die Leitungsführungen. Metalloberflächen, die berührt werden, etwa die Handläufe, erhielten einen blassgrünen Anstrich. Robuste Basisstrukturen wurden gepaart mit feinen Tischlerarbeiten in Birke.

Manches Kind hätte den Eltern gern den Zutritt verwehrt, das Kinderkunstlabor ist jedoch ein Ort für alle, selbst für kinderlose Erwachsene. „Andere Institutionen beschäftigen sich damit, wie sie ihre Inhalte auch Kindern vermitteln können – wir befassten uns damit, was wir Erwachsenen anbieten können“, erklärt Mona Jas. Die Senior:innen aus dem benachbarten Betreuten Wohnen hat sie schon eingeladen.

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