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Blau-gelber Autotempel aus rot-weiß-rotem Holz
Der Standard

Mit österreichischer Holzbau-Expertise haben die Architekten von Henning Larsen in Göteborg einen spektakulären Markenauftritt für den größten Industriekonzern Skandinaviens geschaffen. Ein Besuch in der World of Volvo.

3. August 2024 - Ulf Meyer
Wenn man über Schweden fliegt, kommt es einem vor, als sei das ganze Riesenland mit einem grünen Veloursteppich aus dichtem Wald überzogen. Für die Papier- und Zelluloseproduktion werden die schwedischen Forste weidlich genutzt. Als es aber darum ging, in Göteborg das größte Holzgebäude Schwedens zu errichten, die sogenannte World of Volvo, wurde österreichisches Holz importiert. Nicht nur wegen dessen materieller Qualität, sondern auch, weil es hierzulande eine unvergleichbar hohe Expertise in Holzbau-Engineering gibt, die weltweit gefragt ist. Das dänische Architekturbüro Henning Larsen aus Kopenhagen hat dabei mit Wiehag, einem Familienbetrieb aus Altheim, Oberösterreich, zusammengearbeitet.

Göteborg, zweitgrößte Stadt des Landes, gilt – im Vergleich zur glänzenden royalen Kapitale Stockholm – als die Industrie- und Handelsstadt Schwedens. Die großen Industriewerke, in denen Fahrzeuge und Kugellager hergestellt werden, liegen nördlich des Flusses Göta Älv. Mit dem Bau der Volvo-Welt jedoch traut sich der führende Automobilkonzern erstmals über den Fluss und rückt gen Süden in den bürgerlicheren Teil der Stadt vor. Bezeichnenderweise direkt neben einem großen Vergnügungspark hat sich Volvo einen riesigen Diskus aus Brettschichtholz und Brettsperrholz gebaut, der von der Stadtautobahn aus nicht zu übersehen ist und jeden Tag Zehntausende von Automobilsten bei Einfahrt in die Stadt mit seinen begrünten Dächern und hölzernen Trägern grüßt.

Neues architektonisches Bild

„Form und Material des Großgebäudes und seine Integration in die grüne Landschaft gehören zur kollektiven Identität Schwedens“, erzählt Martin Ringnér in großen Worten, Design-Director und zuständiger Projektleiter bei Henning Larsen. Aber auch abseits dieses Pathos gehe es bei dem Neubau darum, für die skandinavische Industrie ein neues architektonisches Bild zu finden. Schwedische Autos galten lange als extrem sicher und hochwertig in der Verarbeitung, doch die Wende zur E-Mobilität hat Volvo verschlafen und ist nun fest in chinesischer Hand. Lediglich die Busse, Baugeräte und Bootsmotoren sind noch weitgehend in schwedischem Besitz.

Der Neubau vereint die beiden Marken Volvo Group und Volvo Cars. Holz für einen Schaukasten der Industrie in diesem Maßstab zu verwenden, das erschien bis vor kurzem noch unvorstellbar, ja vielleicht sogar aufgesetzt und scheinheilig. Die nunmehrige Affinität zu Holz rührt aus neuen Planungs- und Herstellungsmethoden. Die komplexen Geometrien, die mit parametrischen Mitteln in CAD-Programmen generiert werden, wären bis vor kurzem nur mit hohem Aufwand baubar und finanzierbar gewesen. Doch das hat sich geändert.

„Wir haben mit Höhe, Radius und Geometrie variiert und experimentiert und haben dafür gesorgt, dass die komplexe Form des Bauwerks mit den Produktionsstandards im Holzbau in Einklang zu bringen sind“, sagt Erich Wiesner, Geschäftsführer von Wiehag, der den aktuell aufregenden Wandel im Holzgroßbau nicht nur begleitet, sondern regelrecht vorantreibt. „Mit dieser digitalen Zusammenarbeit ist es uns gelungen, den Materialeinsatz zu optimieren und ein ökonomisches Projekt auf die Beine zu stellen.“

Die Konstruktion besteht aus drei baumartigen Riesenstützen, die sich auffächern, um die Last des Daches abzuleiten. Der Übergang zwischen Innenraum und Dachgarten ist fließend. In der Halle ist Platz für Veranstaltungen mit weit über tausend Besuchern. Eine große Oldtimer-Ausstellung, Konferenzräume, Restaurants, Lounge und Shop dürfen natürlich auch nicht fehlen. Die Brettschichtholzträger und Brettsperrhölzer aus massiver Fichte geben den Fahrzeugen aus Stahl auf diese Weise einen neuen, weichen, zeitgeistigen Rahmen. „Von den ersten Skizzen bis zur finalen Umsetzung gab es einen digitalen Workflow, der auf die Logik der Holzbalkenelemente eingegangen ist“, so Fabia Baumann, Tragwerksplanerin bei Henning Larsen.

Wie zuvor bereits in den Autowelten von BMW in München, Porsche in Stuttgart und Hyundai in Seoul, allesamt von namhaften österreichischen Architekturbüros entworfen, die bei diesem Bautypus weltweit als führend gelten, wurde das Markenzentrum im Stadtteil Krokslätt auf einer Industriebrache errichtet, in diesem Fall auf dem Gelände der ehemaligen Saab-Getriebefabrik. Die Bebauung von Brownfields gilt als umweltfreundlich, weil kein wertvolles Ackerland erschlossen und versiegelt werden muss. Leider und ironischerweise jedoch steht der ökologisch schlanke Holzneubau auf einem unterirdischen Parkhaus, das fünf Etagen in die Tiefe reicht. Die graue Energie, die in diesen hunderten Tonnen Beton steckt, wird nie mehr sinnvoll weiterzuverwenden sein.

Kein Greenwashing

Volvo, aus dem Lateinischen wörtlich übersetzt so viel wie „ich rolle“, setzt auf Erschließung per Privat-Pkw, und ganz gleich, ob per Verbrenner oder rein elektrisch, so steht diese Rolleinladung doch in einem starken Widerspruch zu den Qualitäten des Baustoffs Holz. „Ich sehe darin aber keinen Akt oberflächlichen Greenwashings“, sagt Valentin Wiesner, Sohn des Firmengründers und Experte für Nachhaltigkeit bei Wiehag. Für eine der drei bekanntesten schwedischen Ikonen zu bauen, für das Triumvirat Abba, Ikea und Volvo, sei für ihn ein Akt der Omtanke, „Umsicht“ auf Schwedisch.

„Holz als CO₂-absorbierendes Material ist für mich der Baustoff der Zukunft. Die Energie, die im Transport der österreichischen Holzbauteile steckt, sorgt mich nicht wirklich. Im Vergleich zu Stahl und Beton ist die Ökobilanz immer noch eine sehr gute.“ Ästhetische Vorteile kommen hinzu: Weil Holz gut aussieht, gut riecht und sich gut anfühlt, ist es wohl unmöglich, sich den Qualitäten dieses Baustoffs zu entziehen.

Auch wenn sich Österreich unter Bundeskanzler Karl Nehammers Ägide unverbesserlich als „Verbrennungsmotorland“ identifiziert, zeigen Gebäude wie die World of Volvo, dass andernorts die Zeit schon reif ist für eine postfossile Fahrzeugwelt, in der österreichische Expertise anderer Provenienz gefragt ist und zu einer neuen Gestaltungswelt beiträgt.

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