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Zwei Tage und eine Nacht im Wunderland
Mitten in der Altstadt von Brixen hat das Luxushotelchen Badhaus seine Pforten geöffnet. Schön ist es, hier zu nächtigen. Noch erquickender jedoch ist die Entstehungsgeschichte dieses Projekts im Schoße einer weitsichtigen Politik und einer freigeistigen Auseinandersetzung mit dem baulichen Erbe.
31. August 2024 - Wojciech Czaja
In der schmalen Via Ponte Aquila, ein Shop neben dem anderen, drängen sich die Touristenmassen, schießen Fotos vom Weißen Turm, dem Wahrzeichen der Stadt, 72 Meter in die Höhe ragend, und den vielen, vielen Giebelzinnen, die das gesamte historische Altstädtchen zieren. Angeblich, so erzählt man sich, das meistbegangene und meistfotografierte Gässchen in ganz Brixen.
Unter der Hausnummer 5, ganz plötzlich, mehr mit dem Sog und dem Reiz der Subtraktion spielend als mit Druck und additiver Reizüberflutung, klafft ein Spalt in der Fassadenlinie, keine zwei Meter breit an der schmalsten Stelle, dahinter eine roughe, eigenartige, streng durchlinierte Fassade aus Kupfer und gebrannten Ziegeln. Über einer der gusseisernen Stangen, die wie überall in der Stadt die mittelalterlichen, leicht aufeinander zufallenden Außenmauern stützen, hängt ein übergroßer Bademantel, ein Aluminiumguss, ein ziemlich freches Kunst-am-Bau-Projekt des Vinschgauer Künstlers Michael Flieri, mehr ist nicht. Willkommen im Hotel Badhaus.
Radikal und spannend
„Das Badhaus als behutsame Wiederbelebung“, heißt es auf der Website des Hotels. „Das Gebäude nutzt den verfügbaren Raum geschickt, vereint verschiedene Volumina und erhebt sich in einer schlanken, nach oben verjüngenden Form.“ Und tatsächlich: Auf dem rund 400 Quadratmeter großen Grundstück, dem man andernorts wohl nicht einmal Beachtung schenken würde, rundum von Nachbarparzellen umzingelt, keine Aussicht weit und breit, steht heute eines der spannendsten, radikalsten Luxushotels Südtirols. Die Zimmer sind groß und teuer, das Raumerlebnis ein introvertiertes Eintauchen in einen alpinen Kokon aus Marmor, Kupfer und Beton.
„Wir wollten die umliegende Altstadt weiterbauen, ohne sie dabei museal zu kopieren, zwar mit durchaus alten, traditionellen Baustoffen, dafür aber mit einer schlichten, zeitgenössischen Formensprache“, sagt Michaela Wolf, die mit ihrem Partner Gerd Bergmeister das vielfach prämierte Architekturbüro bergmeisterwolf betreibt, keine drei Fußminuten vom Badhaus entfernt. „Mit den Tonziegeln und dem Kupfer, die die Materialität des Weißen Turms aufgreifen, entsteht eine ruhige Fügung. Mit den horizontalen Fensterbändern wiederum – drei horizontale Schlitze pro Etage – wirkt das Haus abstrakter, maßstabsloser, irgendwie auch türmiger und hochhausiger.“
Neuschlichtung
Einst stand hier ein dreigeschoßiges Badhaus, das ganze Grundstück ausfüllend, eine Art Südtiroler Tröpferlbad, errichtet direkt über einem unterirdischen Wasserlauf, einer sogenannten Wiere, die heute noch den Trinkwasserbrunnen im Innenhof speist. Laut Wiedergewinnungsplan konnte der Nutzbau aus dem 19. Jahrhundert abgerissen und die damalige Kubatur – in diesem Fall 2559 Kubikmeter – wiederaufgebaut werden, und zwar in welcher architektonischen Konstellation auch immer, vorausgesetzt die Stadt, das Denkmalamt und die angrenzenden Nachbarn stimmen dieser volumetrischen Verschiebung und Neuschlichtung zu.
Statt flach und niedrig sind die 2559 Kubikmeter Raum nun zu einem sechsstöckigen Hochhäuschen gestapelt, dafür aber auf lediglich halber Grundstücksfläche, die restliche Parzelle ist nun ein öffentlich zugänglicher Innenhof mit Rasen, befestigten Sitzstufen und steinernem Trinkwasserbrunnen. „Der Volumentausch ist eine Besonderheit unserer historischen Innenstadt“, sagt der Brixener Bürgermeister Andreas Jungmann. „Im gesamten Altstadtkern, der sogenannten A-Zone, arbeiten wir nicht mit Traufkanten und Gebäudehöhen, sondern ausschließlich mit Kubaturen. Nur 5,5 Prozent der Südtiroler Landesfläche sind überhaupt bebaubar, der Rest ist Gebirge. Wenn man so stark limitiert ist, dann lernt man, die Angst vor Bauhöhe abzulegen.“
Auch das Landesdenkmalamt war vom Abbruch bis zur ersten Hotelnächtigung Anfang Mai in den gesamten Prozess lückenlos miteingebunden. „Vor allem in schönen, pittoresken Altstädten müssen wir aufpassen, dass wir nicht in die Sackgasse der reinen Musealisierung abbiegen“, sagt Karin Dalla Torre, Landeskonservatorin Südtirol. „Aus denkmalpflegerischer Sicht sprechen wir uns eher für einen Dialog zwischen Alt und Neu aus – aber dieser hat natürlich auf allerhöchstem architektonischen Niveau stattzufinden, ohne Abstriche und Kompromisse.“
Möglich war all dies, weil Architekten, Gemeinde, Denkmalamt, Grundstückseigner und die Hotelbetreibergruppe Viertel Group alle an einem Strang gezogen, offen kommuniziert und die Bevölkerung von Anfang an in den Prozess miteingebunden haben. Und weil Südtirol überhaupt so viel weiter ist als wir, weil es verstanden hat, dass die Ressource Boden nicht unendlich ist. Mit dem neuen Landesgesetz Raum und Landschaft, seit 2020 in Kraft, hat der Bürgermeister nicht mehr das alleinige Sagen. Innerhalb der bereits bestehenden Siedlungsgrenzen ist die Bauentwicklung Sache der Gemeinde, außerhalb dieser Grenzen hat das Land Südtirol das Zepter in der Hand. Das soll – über die Innenstädte hinaus – das Land vor Zersiedelung und weiterer Versiegelung bewahren.
Ach, Österreich, du Land der partikularen Interessen, der freunderlichen Wirtschaft und der vielen Machtmänner auf dem Bürgermeistersessel, was hast du noch viel zu lernen! Nach Brixen ist es ein breiter Weg.
Unter der Hausnummer 5, ganz plötzlich, mehr mit dem Sog und dem Reiz der Subtraktion spielend als mit Druck und additiver Reizüberflutung, klafft ein Spalt in der Fassadenlinie, keine zwei Meter breit an der schmalsten Stelle, dahinter eine roughe, eigenartige, streng durchlinierte Fassade aus Kupfer und gebrannten Ziegeln. Über einer der gusseisernen Stangen, die wie überall in der Stadt die mittelalterlichen, leicht aufeinander zufallenden Außenmauern stützen, hängt ein übergroßer Bademantel, ein Aluminiumguss, ein ziemlich freches Kunst-am-Bau-Projekt des Vinschgauer Künstlers Michael Flieri, mehr ist nicht. Willkommen im Hotel Badhaus.
Radikal und spannend
„Das Badhaus als behutsame Wiederbelebung“, heißt es auf der Website des Hotels. „Das Gebäude nutzt den verfügbaren Raum geschickt, vereint verschiedene Volumina und erhebt sich in einer schlanken, nach oben verjüngenden Form.“ Und tatsächlich: Auf dem rund 400 Quadratmeter großen Grundstück, dem man andernorts wohl nicht einmal Beachtung schenken würde, rundum von Nachbarparzellen umzingelt, keine Aussicht weit und breit, steht heute eines der spannendsten, radikalsten Luxushotels Südtirols. Die Zimmer sind groß und teuer, das Raumerlebnis ein introvertiertes Eintauchen in einen alpinen Kokon aus Marmor, Kupfer und Beton.
„Wir wollten die umliegende Altstadt weiterbauen, ohne sie dabei museal zu kopieren, zwar mit durchaus alten, traditionellen Baustoffen, dafür aber mit einer schlichten, zeitgenössischen Formensprache“, sagt Michaela Wolf, die mit ihrem Partner Gerd Bergmeister das vielfach prämierte Architekturbüro bergmeisterwolf betreibt, keine drei Fußminuten vom Badhaus entfernt. „Mit den Tonziegeln und dem Kupfer, die die Materialität des Weißen Turms aufgreifen, entsteht eine ruhige Fügung. Mit den horizontalen Fensterbändern wiederum – drei horizontale Schlitze pro Etage – wirkt das Haus abstrakter, maßstabsloser, irgendwie auch türmiger und hochhausiger.“
Neuschlichtung
Einst stand hier ein dreigeschoßiges Badhaus, das ganze Grundstück ausfüllend, eine Art Südtiroler Tröpferlbad, errichtet direkt über einem unterirdischen Wasserlauf, einer sogenannten Wiere, die heute noch den Trinkwasserbrunnen im Innenhof speist. Laut Wiedergewinnungsplan konnte der Nutzbau aus dem 19. Jahrhundert abgerissen und die damalige Kubatur – in diesem Fall 2559 Kubikmeter – wiederaufgebaut werden, und zwar in welcher architektonischen Konstellation auch immer, vorausgesetzt die Stadt, das Denkmalamt und die angrenzenden Nachbarn stimmen dieser volumetrischen Verschiebung und Neuschlichtung zu.
Statt flach und niedrig sind die 2559 Kubikmeter Raum nun zu einem sechsstöckigen Hochhäuschen gestapelt, dafür aber auf lediglich halber Grundstücksfläche, die restliche Parzelle ist nun ein öffentlich zugänglicher Innenhof mit Rasen, befestigten Sitzstufen und steinernem Trinkwasserbrunnen. „Der Volumentausch ist eine Besonderheit unserer historischen Innenstadt“, sagt der Brixener Bürgermeister Andreas Jungmann. „Im gesamten Altstadtkern, der sogenannten A-Zone, arbeiten wir nicht mit Traufkanten und Gebäudehöhen, sondern ausschließlich mit Kubaturen. Nur 5,5 Prozent der Südtiroler Landesfläche sind überhaupt bebaubar, der Rest ist Gebirge. Wenn man so stark limitiert ist, dann lernt man, die Angst vor Bauhöhe abzulegen.“
Auch das Landesdenkmalamt war vom Abbruch bis zur ersten Hotelnächtigung Anfang Mai in den gesamten Prozess lückenlos miteingebunden. „Vor allem in schönen, pittoresken Altstädten müssen wir aufpassen, dass wir nicht in die Sackgasse der reinen Musealisierung abbiegen“, sagt Karin Dalla Torre, Landeskonservatorin Südtirol. „Aus denkmalpflegerischer Sicht sprechen wir uns eher für einen Dialog zwischen Alt und Neu aus – aber dieser hat natürlich auf allerhöchstem architektonischen Niveau stattzufinden, ohne Abstriche und Kompromisse.“
Möglich war all dies, weil Architekten, Gemeinde, Denkmalamt, Grundstückseigner und die Hotelbetreibergruppe Viertel Group alle an einem Strang gezogen, offen kommuniziert und die Bevölkerung von Anfang an in den Prozess miteingebunden haben. Und weil Südtirol überhaupt so viel weiter ist als wir, weil es verstanden hat, dass die Ressource Boden nicht unendlich ist. Mit dem neuen Landesgesetz Raum und Landschaft, seit 2020 in Kraft, hat der Bürgermeister nicht mehr das alleinige Sagen. Innerhalb der bereits bestehenden Siedlungsgrenzen ist die Bauentwicklung Sache der Gemeinde, außerhalb dieser Grenzen hat das Land Südtirol das Zepter in der Hand. Das soll – über die Innenstädte hinaus – das Land vor Zersiedelung und weiterer Versiegelung bewahren.
Ach, Österreich, du Land der partikularen Interessen, der freunderlichen Wirtschaft und der vielen Machtmänner auf dem Bürgermeistersessel, was hast du noch viel zu lernen! Nach Brixen ist es ein breiter Weg.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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