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Herrn Štěchs Gespür für Schönes
Der Standard

Der tschechische Fotograf Adam Štěch hat ein Faible für architektonische Details des 20. Jahrhunderts. Er reist durch die Welt und will die Menschen für das Kleine begeistern. Nun sind seine Fotos im Mak zu sehen.

12. Oktober 2024 - Wojciech Czaja
Wie von Geisterhand aufgeklappt, unter einem 70-gradigen Winkel zum Stillstand gekommen, kreisrunden Einblick offenbarend in einen Raum aufregender Stille. „Ich glaube, ich habe noch nie zuvor ein so schönes, außergewöhnliches Toilettenfenster gesehen“, sagt Adam Štěch. „Der Sichtbeton, die geböschte Laibung, die farbliche Reduktion auf das Wesentliche, die Unsichtbarkeit technischer Öffnungs- und Konstruktionsdetails, und dann erst diese über alles überraschende räumliche Lösung zwischen drinnen und draußen: Was für eine Formensprache!“

Ort dieser Begegnung zwischen Objekt und Objektjäger ist die Casa Albero in der italienischen Küstenstadt Fregene in der Einflugschneise des Flughafens Fiumicino, 30 Kilometer von Rom entfernt. Mitten in einem Pinienwäldchen bauten sich Giuseppe Perugini, damals Professor für Gestaltung an der Universität Roma Tre, seine Frau Uga de Plaisant und deren gemeinsamer Sohn Giuseppe Perugini in den Jahren 1967 bis 1975 eine Art betoniertes Baumhaus, das teilweise auf dem Boden stand, teilweise aber auf einer waghalsigen Stützenkonstruktion in den Baumkronen steckte.

Dreidimensionales Tetris

„Die Casa Albero, auch bekannt als Casa Sperimentale“, sagt Štěch, die Begeisterung in seiner Stimme ist nicht zu überhören, „stammt aus einer Zeit, als man sich noch traute, mit Raum und Material zu experimentieren. Manche Elemente dieses Bauwerks wirken wie dreidimensionales Tetris, wie in Beton gegossener Strukturalismus, andere hingegen haben fast schon einen verspielten, postmodernen Charakter. Dieser Brutalismus der europäischen Nachkriegsmoderne hat es mir besonders angetan. Ich kann die Kamera kaum abwenden.“

Štěch (38) studierte Kunstgeschichte an der Karls-Universität in Prag, fühlte sich im Milieu alter Meister, alter Werke aber nie so richtig wohl. Er sei, wie er selbst meint, immer das schwarze Schaf unter den Akademikern gewesen, mehr am Bild, an der visuellen Kraft, an der Entstehungsgeschichte der Architektur des 20. Jahrhunderts interessiert als an Thesen und theoretischen Schriften. „Meine Methodik ist das Foto als analoges, zeitloses Dokumentationsmittel, als Transportmittel von Emotionen und Begeisterung.“

Das Museum für angewandte Kunst (Mak) widmet diesem Transportmittel derzeit eine eigene Ausstellung. Unter dem Titel Elemente. Adam Štěchs Blick auf architektonische Details sind im Kunstblättersaal rund 2500 dieser „Elemente“ zu sehen. In kompakter Größe, mit abgerundeten Ecken wie damals in den Sechzigern, Siebzigern, kann man durch Štěchs Pupillen auf die Welt schauen, unterteilt in kleinteilige Kapitel wie etwa Türen, Griffe, Fenster, Lampen, Uhren, Kamine, Heizkörper, Waschbecken, Stiegengeländer, Wandvertäfelungen und Möbel aller Art. Es sind genau jene Elemente besessener Formgebung, bis zur buchstäblich allerletzten Schraube, von denen Architekten wie Adolf Loos, Jože Plečnik, Frank Lloyd Wright, Le Corbusier und Gio Ponti nicht die Finger lassen konnten.

„Ich fotografiere seit meinem 20. Lebensjahr, und ich kann mich an diesen Details der Moderne einfach nicht sattsehen“, sagt Adam Štěch. Knapp 50 Länder hat er seitdem bereist, aktuell fotografiert er sich mit seiner Sony Alfa durch die japanische Moderne. Das Archiv umfasst bereits an die 10.000 abgelichtete Gebäude, vom winzigsten Detail über Fassadenansichten bis hin zu umfassenden Fotoreportagen. Das 2020 im Prestel-Verlag erschienene Buch Modern Architecture and Interiors zeigt einen kleinen Bruchteil davon: 1000 Häuser auf 1000 Seiten.

Zu fast jedem Bauwerk der Moderne, so scheint es, pflegt Štěch eine leidenschaftliche Beziehung. So auch zur feuerroten Stahltür in der Treppenstütze der Villa Gontero in Cumiana nahe Turin. „Einer meiner absoluten Favoriten! Ein Hauseingang wie auf einem U-Boot, bloß halt nicht unter der Wasseroberfläche, sondern im Schatten des darüber schwebenden Wohngeschoßes.“ Errichtet wurde das expressionistische Wohnhaus von Carlo Graffi und Sergio Musmeci in den Jahren 1969 bis 1971 für den italienischen Maler Riccardo Gontero. „Die Diskrepanz zwischen der Gegenständlichkeit seiner Bilder und der Abstraktion seines Wohnsitzes“, so der Fotograf, „ist mehr als verblüffend.“

Oder etwa zum Dom Umenia (Haus der Kunst) in der slowakischen Kurstadt Piešťany, errichtet 1974 bis 1979 nach Plänen von Ferdinand Milučký und Júlia Kunovská. Während das Gebäude von außen als hermetische, fast schon abweisende Betonbox erscheint, offenbart sich innen ein sinnliches, rot wogendes Universum aus Lampen, Deckenstreben und weich gepolsterten Stühlen. „Diese hunderten Lämpchen!“ Und dann ein glückliches Grinsen am anderen Ende der Welt.

Sein Ziel, sagt Adam Štěch, ist die Begeisterung und Sensibilisierung für das Kleine, für das Detaillierte in der Architektur. Und die Schaffung der weltgrößten Bilddatenbank systemisch erforschter Architekturdetails des 20. Jahrhunderts. Ersteres ist ihm bereits gelungen. Letzteres ist nur eine Frage der Zeit.
[ „Elemente. Adam Štěchs Blick auf architektonische Details“ im Mak, zu sehen bis 2. März 2025. ]

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