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Roquebrune Cap Martin – auf den Spuren von Le Corbusier
24. November 2024 - Martina Pfeifer Steiner
An der Cote d´Azur fand Le Corbusier einen Ort „zum Sterben schön“ und errichtete eine Hütte nach den Prinzipien seines Modulors: Le Cabanon. Doch das Orakel erfüllte sich, er fand eben dort, im August 1965, den Tod durch Ertrinken nach einem Herzversagen. Der Cimetière du Roquebrune Cap Martin war also mein erstes Ziel. Hier ruht er in Frieden, mit einer unsagbar schönen Aussicht übers Meer und auf Monaco, wo seine Frau aufwuchs. Für sie hat er die Ferienhütte gebaut, für sie hat er aber auch das Grabmal gestaltet.
Die Villa E 1027, von Eileen Gray geplant und Jean Badovici überlassen, interessierte Le Corbusier immer schon, und er war nur zu erfreut, als Badovici ihn 1938 einlud die Wände zu bemalen (siehe PS: Architektur). Eileen Gray erfuhr davon erst, als der Architekt diese Wandmalereien publizierte – und war entsetzt. Das veranlasste Badovici wiederum, sein schlechtes Gewissen erleichtern und diese entfernen lassen zu wollen, was jedoch nie geschah. Am 1.1.1950 schrieb Le Corbusier einen Brief: „Mein lieber Bado. … Wenn ich Sie richtig verstehe, werden Sie meine Malereien entfernen, um Ihrem Haus „den tieferen Sinn einer Geisteshaltung“ zurückzugeben, „die jede Malerei ausdrücklich verbietet“. Ich bitte Sie ebenso ausdrücklich, meine Malereien fotografieren zu lassen, bevor Sie sie auslöschen. Vielleicht entgeht mir ja der tiefere Sinn Ihres Denkens, denn obwohl Sie seit 30 Jahren in Paris leben, gelingt es Ihnen immer noch nicht, anderen verständlich zu machen, was Sie schreiben. …“ Das war dann auch das Ende der Freundschaft.
Dabei fragte Le Corbusier noch im Sommer davor an, ob er die Villa einen Monat lang nützen könne, um an einem Projekt zu arbeiten. Dass sich am oberen Nachbargrundstück ein Fischer angesiedelt und soeben ein kleines Restaurant eröffnet hatte, erhöhte den Komfort wesentlich, denn die Wege zum Einkaufen waren lang. Er freundete sich mit Thomas Rebutato an, bereits im Sommer 1950 schmückte Le Corbusier die Wände von L´Étoile de Mer mit seinen Gemälden, und zwei Jahre später war das direkt an das Schlafzimmer von Rebutato angebaute Cabanon bezugsfertig. „Für meinen persönlichen Gebrauch habe ich ein Chateau an der Cote d´Azur, das 3,66 x 3,66 Meter misst. Es war für meine Frau gedacht … im Inneren ist es verschwenderisch bequem und schön“, sagte er 1962 in einem Interview.
Le Corbusier brauchte nicht mehr als 45 Minuten, um den Plan für die rustikale Blockhütte auf einer Serviette zu skizzieren. Sein Modulor lieferte alle Proportionen für den spartanisch eingerichteten, höchst funktionellen Raum. In Korsika wurde das Holzbauwerk komplett von der Zimmerei Charles Barbéris vorgefertigt und direkt an der Zugstrecke vor dem Bahnhof in Roquebrune ausgeladen. Sperrholzwände, das Pultdach als Stauraum genutzt, Möbel aus Eichen- und Kastanienholz, nur ein Waschbecken, keine Küche, geduscht wird draußen, jedoch eine mit rotem Vorhang abgetrennte Nische für das WC, die sich in den Gang hinaus stülpt. Das Wandgemälde in dieser Eingangszone hat andererseits in Rebutatos Zimmer das Pendant inklusive einer Tapetentür. Le Corbusier merkte bald, dass für seine Zeichnungen und Pläne zu wenig Platz war und kaufte eine vorgefertigte Bauhütte (1,90 x 3,90 m), die er innen mit Fiberglas und Sperrholz zum Arbeiten adaptieren und dreizehn Meter entfernt aufstellen ließ.
Am steilen Hanggrundstück oberhalb der Villa E 1027 plante Le Corbusier für Thomas Rebutato einige Ferienhausprojekte: ROQ, ROB und CAP, welche die Idee der vorgefertigten Minimalhäuser aufnahmen. Die einzigen greifbaren Resultate sind fünf Camping-Einheiten aus Holzplatten zum Vermieten. Charles Barbéris hätte sie laut dem Architekten patentieren lassen können, im Endeffekt blieb der Zimmerer jedoch auf den Kosten sitzen.
Am Plage du Buse ging ich an jedem Sonnentag Schwimmen, eingedenk des Schicksals, das sich genau hier erfüllte. Präsent die strahlende weiße Villa von Eileen Gray, ganz knapp darüber sitzen die bunt gerasterten Camping-Units am Hang, Le Cabanon ist nicht zu sehen, aber die Terrasse von L´Étoile de Mer und die in (zu) kräftigen Farben renovierte Werkstatt von Le Corbusier.
[ Diese Fortsetzung der Geschichte zur Villa 1027 erschien auf kultur online, 16. Oktober 2024, https://kultur-online.net/ps-architektur ]
Die Villa E 1027, von Eileen Gray geplant und Jean Badovici überlassen, interessierte Le Corbusier immer schon, und er war nur zu erfreut, als Badovici ihn 1938 einlud die Wände zu bemalen (siehe PS: Architektur). Eileen Gray erfuhr davon erst, als der Architekt diese Wandmalereien publizierte – und war entsetzt. Das veranlasste Badovici wiederum, sein schlechtes Gewissen erleichtern und diese entfernen lassen zu wollen, was jedoch nie geschah. Am 1.1.1950 schrieb Le Corbusier einen Brief: „Mein lieber Bado. … Wenn ich Sie richtig verstehe, werden Sie meine Malereien entfernen, um Ihrem Haus „den tieferen Sinn einer Geisteshaltung“ zurückzugeben, „die jede Malerei ausdrücklich verbietet“. Ich bitte Sie ebenso ausdrücklich, meine Malereien fotografieren zu lassen, bevor Sie sie auslöschen. Vielleicht entgeht mir ja der tiefere Sinn Ihres Denkens, denn obwohl Sie seit 30 Jahren in Paris leben, gelingt es Ihnen immer noch nicht, anderen verständlich zu machen, was Sie schreiben. …“ Das war dann auch das Ende der Freundschaft.
Dabei fragte Le Corbusier noch im Sommer davor an, ob er die Villa einen Monat lang nützen könne, um an einem Projekt zu arbeiten. Dass sich am oberen Nachbargrundstück ein Fischer angesiedelt und soeben ein kleines Restaurant eröffnet hatte, erhöhte den Komfort wesentlich, denn die Wege zum Einkaufen waren lang. Er freundete sich mit Thomas Rebutato an, bereits im Sommer 1950 schmückte Le Corbusier die Wände von L´Étoile de Mer mit seinen Gemälden, und zwei Jahre später war das direkt an das Schlafzimmer von Rebutato angebaute Cabanon bezugsfertig. „Für meinen persönlichen Gebrauch habe ich ein Chateau an der Cote d´Azur, das 3,66 x 3,66 Meter misst. Es war für meine Frau gedacht … im Inneren ist es verschwenderisch bequem und schön“, sagte er 1962 in einem Interview.
Le Corbusier brauchte nicht mehr als 45 Minuten, um den Plan für die rustikale Blockhütte auf einer Serviette zu skizzieren. Sein Modulor lieferte alle Proportionen für den spartanisch eingerichteten, höchst funktionellen Raum. In Korsika wurde das Holzbauwerk komplett von der Zimmerei Charles Barbéris vorgefertigt und direkt an der Zugstrecke vor dem Bahnhof in Roquebrune ausgeladen. Sperrholzwände, das Pultdach als Stauraum genutzt, Möbel aus Eichen- und Kastanienholz, nur ein Waschbecken, keine Küche, geduscht wird draußen, jedoch eine mit rotem Vorhang abgetrennte Nische für das WC, die sich in den Gang hinaus stülpt. Das Wandgemälde in dieser Eingangszone hat andererseits in Rebutatos Zimmer das Pendant inklusive einer Tapetentür. Le Corbusier merkte bald, dass für seine Zeichnungen und Pläne zu wenig Platz war und kaufte eine vorgefertigte Bauhütte (1,90 x 3,90 m), die er innen mit Fiberglas und Sperrholz zum Arbeiten adaptieren und dreizehn Meter entfernt aufstellen ließ.
Am steilen Hanggrundstück oberhalb der Villa E 1027 plante Le Corbusier für Thomas Rebutato einige Ferienhausprojekte: ROQ, ROB und CAP, welche die Idee der vorgefertigten Minimalhäuser aufnahmen. Die einzigen greifbaren Resultate sind fünf Camping-Einheiten aus Holzplatten zum Vermieten. Charles Barbéris hätte sie laut dem Architekten patentieren lassen können, im Endeffekt blieb der Zimmerer jedoch auf den Kosten sitzen.
Am Plage du Buse ging ich an jedem Sonnentag Schwimmen, eingedenk des Schicksals, das sich genau hier erfüllte. Präsent die strahlende weiße Villa von Eileen Gray, ganz knapp darüber sitzen die bunt gerasterten Camping-Units am Hang, Le Cabanon ist nicht zu sehen, aber die Terrasse von L´Étoile de Mer und die in (zu) kräftigen Farben renovierte Werkstatt von Le Corbusier.
[ Diese Fortsetzung der Geschichte zur Villa 1027 erschien auf kultur online, 16. Oktober 2024, https://kultur-online.net/ps-architektur ]
Zur Recherche diente ein zweiwöchiger Aufenthalt in Roquebrune Cap Martin; zwei Führungen durch Cap Moderne und die Dokumentation von Tim Benton, Éditions du Patrimoine, Centre des Monuments Nationaux; die Monografie Le Corbusier le Grand, Phaidon Verlag; und die Besichtigung 2009 der von Möbeldesign Cassina angefertigten Replik in der ETH Zürich.
Für den Beitrag verantwortlich: newroom
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