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Theater an der Wien nach der Sanierung: Der neue Charme der alten Bühne
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Das Theater an der Wien wurde aufwendig generalsaniert. Das tat ihm gut, und die Architekten bewiesen Mut: Sie eliminierten Büros im ersten Stock, räumten im Foyer auf und setzten eine neue Treppe in die Mitte.

11. Februar 2025 - Isabella Marboe
Wie ein Baldachin ragt die matt schimmernde Untersicht aus Aluminium über das Trottoir vor dem Eingang ins Theater an der Wien, dezent dehnt es so sein Foyer in den öffentlichen Raum aus. Endlich. Dass dieses Vordach im ersten Stock einen veritablen Balkon ausbildet, lassen erst die sechs Stahlsäulen am Gehsteigrand erahnen. Beim zweiten Blick hinauf nimmt man die gläserne Brüstung wahr. Für ein Vordach wäre es sehr stark dimensioniert, für den Pausenbalkon eines Theaters hingegen bemerkenswert schmal. Das neue, zweite Foyer, dem dieser Balkon seine Berechtigung verdankt, ist die eigentliche Sensation des Umbaus, den das Theater gerade hinter sich hat. Doch davon später – schon sein neuer Auftritt in der Stadt ist eine Sensation.

Die Geschichte des Theaters beginnt mit Emanuel Schikaneder. Dieser war nicht nur Textdichter und erster Papageno der „Zauberflöte“, er war auch Theaterprinzipal. Bis 1799 hatte er das Freihaustheater geführt und dann bei Kaiser Franz II. um Baubewilligung des Theaters an der Wien angesucht. Architekt Franz Jäger der Ältere plante es im klassizistischen Baustil, sein Sohn Anton und Joseph Raymund führten den Bau nach nur 13 Monaten zu Ende. Er reicht über die gesamte Tiefe des Häuserblocks bis zur Lehárgasse.

Einst Ausweichbühne der Staatsoper

Am 13. Juni 1801 war die Eröffnung, der ursprüngliche Eingang, das „Papageno-Tor“ in der Millöckergasse, ist heute noch zu sehen. Ludwig van Beethoven, Johann Strauß, Carl Millöcker, Franz Lehár: Hier wurde Musikgeschichte geschrieben. 1845 erweiterte man das Haus, 1854 malte Josef Geyling das Fresco der neun Musen an die Decke des Zuseherraums, den die versierten Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer 1901 neu gestalteten, 1902 riss man das Vorderhaus an der Wienzeile ab und ersetzte es durch ein vierstöckiges Zinshaus. Daher trat das Theater an der Wien nach außen hin kaum in Erscheinung, auch sein Foyer war nicht viel mehr als ein breiterer Gang ins Parkett, selbst der Bühnenturm taucht im Stadtbild unter, die Anlieferung befindet sich rückwärtig an der Lehárgasse. Dazwischen liegt ein Höhenunterschied von 1,20 Metern.

Trotzdem zählt das Theater mit seinen 1124 Sitz- und 50 Stehplätzen zu Wiens größten Häusern. Nach dem Krieg diente es der Staatsoper als Ausweichbühne, 1960 bis 1962 wurde es von Otto Niedermoser umgebaut. Das Interieur von Foyer und Garderobe stammt aus dieser Zeit, in den frühen 1980er-Jahren rekonstruierte man die Fassade, sonst passierte nicht viel. Barrierefreiheit, Brandschutz, Haus-, Elektro-, Bühnen- und Sicherheitstechnik: alles veraltet.

Zeitplan wurde eingehalten

Eine zukunftsfähige Generalsanierung inklusive Bausubstanz und Innenraum war überfällig, das Bewerbungsverfahren dafür gewann die Arbeitsgemeinschaft Riepl Kaufman Bam­mer Architektur und L-Bau-Engineering. Das war im Juli 2021, neun Monate später begann der Bau, im Oktober 2024 wurde eröffnet. Mehr als sportlich. „Wir hielten den Zeitplan haarscharf ein“, bestätigt Daniel Bammer.

Die Königsidee der Architekten war, die Büros im ersten Stock aufseiten der Wienzeile zu eliminieren und so dem neuen Foyer im ersten Rang den Weg zu ebnen. Das war mutig, denn es antizipierte den nutzerseitigen Verzicht auf Büros mit Aussicht und die Zustimmung des Bundesdenkmalamts zu größeren Eingriffen. Beides geschah. Als großzügiger, offener Raum mit hellbeigem, an die Tonigkeit der 1960er-Jahre angepasstem Terrazzo und mattblauer Decke zieht sich das neue Foyer nun bis zu den verglasten Fenstertüren auf den neuen Balkon. „Himmel“ steht etwas euphemistisch im Parterre auf einem der vier weißen Pfeiler in der Mitte, zwischen denen nun eine leichte Treppe aus Schwarzstahl alle Ebenen vom Untergeschoß – der „Hölle“ – bis zum ersten Rang verbindet.

Der Saal strahlt wieder

Die Umsetzung war extrem aufwendig. Um der Treppe Raum zu schaffen, musste der mittlere Teil des Foyers entkernt, die ovale, denkmalgeschützte Decke mit den runden Lichtern von Oskar Niedermoser entfernt, wieder eingesetzt und eine eindrucksvolle Stahlkonstruktion errichtet werden: eine Art Grid aus mächtigen, stützenbildenden I-Trägern, Unterzügen und der Konstruktion der Rasterkassettendecke mit Oberlichten im Hof, die nun einen Teil des Foyers belichtet und nicht so drückend erscheinen lässt. Im Kontext seiner neuen Größe wirken die drei Meter Raumhöhe niedrig, was allerdings bei Festbeleuchtung in Pausen und auf Premierenfeiern keine Rolle spielt.

Betritt man das Theater, herrscht nun eine ganz andere Atmosphäre: Die Entkernung tat ihm gut, das Foyer wirkt auf einmal luftig. Es sind einfach alle Zwischenwände weg, kein Sanitärkern an der falschen Stelle und keine Stiege, die das Foyer zum Gang reduzieren. Stattdessen eine offene Treppe, die den Blick nach oben zieht und zwischen ihren Untersichten seitlich weiter. Trotzdem ist das Wesen des Theaters noch dasselbe, um nicht zu sagen: Es kam noch mehr zu sich.

Der unauffällige Charme der 1950er-Jahre kommt im nunmehr aufgeräumten Umfeld viel besser zur Geltung. Man nimmt die eigenartig reizvollen Mosaikarbeiten von Wolfgang Hutter und Roman Haller besser wahr, dasselbe gilt für Garderoben, Lampen, Spiegel. Auch die Bestuhlung aus den 1960er-Jahren blieb. „Es sind solide Sessel mit guten akustischen Eigenschaften. Die konnte man durchaus wiederverwenden“, erklärt Bammer. Alle originalen Möbel, Türen, Luster, Wandbespannungen, Brüstungen, Kyriatiden wurden in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt sorgfältig saniert. Der Saal strahlt wieder.

Ort der Begegnung

Ein Theater ist eine Maschine: Etwa 80 bis 85 Menschen arbeiten in der Bühnentechnik, es braucht kleine Werkstätten zur Montage, eine Einbringöffnung für Hubbühnen, zwischen Bühnen- und Schnürboden liegen 22 Meter. Der Orchestergraben ist 4,70 Meter tief, er musste unterfangen werden; das Parkett bekam einen neuen, ansteigenden Boden, aus dem Frischluft strömt, unter den ersten Sesselreihen parkt das Stuhllager.

Von all dem kriegt das Publikum nichts mit, es genießt einfach das Resultat. „Ein Theater ist ein Ort, wo man sich begegnen kann. Ein gesellschaftliches Ereignis“, sagt Bammer. Dem gibt diese vornehme, zurückhaltende und doch selbstbewusste Architektur nun wieder einen angemessenen Rahmen.

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