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Harmonische Bauten im Gleichgewicht
Neue Zürcher Zeitung

Drei prämierte Arbeiten von Jürg Stäuble

Das bisherige Œuvre des Solothurner Architekten Jürg Stäuble fällt durch sein hohes Niveau auf. Dabei bieten die formal sehr unterschiedlichen Bauten markante Erscheinungsbilder, die aber gleichwohl in Harmonie zu ihrer Umgebung stehen. Klare Gebäudestrukturen und einfache Konstruktionen zeichnen die kraftvollen und doch eleganten Gebäude aus.

5. November 1999 - Peter Omachen
1998 vergab der Kanton Solothurn erstmals Auszeichnungen für gute Bauten. 11 der 84 eingereichten, seit 1995 realisierten Projekte wurden ausgezeichnet. Gross war die Überraschung, als ein Architekt gleich mit drei prämierten Arbeiten vertreten war: Es war der Solothurner Jürg Stäuble. Das markanteste unter den prämierten Gebäuden ist das Wohn- und Geschäftshaus für die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) in Solothurn. Die charakteristische Fassade entstand aus der subtilen Reaktion auf vielfältige Randbedingungen und Anforderungen. Der Bau liegt an einem kleinen, baumbestandenen Park an der Aare mit Blick auf die gegenüberliegende Altstadt und die Jurakette. Er folgt einer klassischen Dreiteilung in einen Sockel - mit Räumen für den Publikumsverkehr der Suva-Agentur -, drei Obergeschosse mit Büros und einen Dachaufbau mit Wohnungen auf je zwei Etagen.


Bezug zum städtebaulichen Kontext

Kräftig ausgebildete, horizontale Fassadenbänder überbrücken den grossen Abstand zwischen den beiden angrenzenden, kleinteiligen Bauten einer Blockrandbebauung der Jahrhundertwende, deren letzte Lücke nun vom Neubau geschlossen wird. Die überdimensionalen Dachgauben korrespondieren mit den Giebeln der umstehenden Häuser. Durch die asymmetrische Anordnung vermitteln sie geschickt zwischen den unterschiedlich hohen Nachbarbauten. Deren Fensterläden entsprechen den filigranen Aluminium- Schallschutzläden des Neubaus. Beim Öffnen der Fenster klappen sie durch einen simplen Mechanismus zu und erlauben ein ungestörtes Arbeiten an der verkehrsreichen Quartierstrasse. Die dem Innenhof zugekehrte Südfront ist ihrer Lage gemäss einfach gestaltet: als schmucklose Lochfassade reicht sie bis hinauf zum offenen Laubengang, der die vier Wohnungen über kleine Aussensitzplätze erschliesst. Spektakulär ist der Blick durch die zweigeschossigen Wohnzimmerfenster auf die barocke St.-Ursen-Kathedrale.

Starke Bauten in Harmonie mit ihrer Umgebung strebt der aus einer Architektenfamilie in dritter Generation stammende Stäuble mit seinen Entwürfen an. Nach einer Lehre als Hochbauzeichner absolvierte er eine Ausbildung an der Ingenieurschule Biel. Es folgten verschiedene Praktika und längere Studienreisen nach Skandinavien und Nordafrika. Im Jahre 1985 eröffnete er sein eigenes Büro. Eine Vielzahl ausgeführter Bauten stellt seither seine Fähigkeiten des genauen Hinsehens und der architektonisch wie konstruktiv präzisen Umsetzung seiner Entwürfe unter Beweis. Stäuble ist übrigens nicht mit dem gleichnamigen Basler Künstler zu verwechseln, der eine Sperrholzplastik für die Empfangshalle des Suva-Hauses geschaffen hat.


Ein Schulhaus im Park

Eine erste grössere Aufgabe war die 1996 vollendete, ebenfalls preisgekrönte Aufstockung der Wohnsiedlung Hofmatt in Solothurn. Bei den acht freistehenden, zweigeschossigen Mehrfamilienhäusern aus den vierziger Jahren wurde das behäbige Satteldach durch einen aluminiumverkleideten Dachaufbau ersetzt. Die silberfarbene Aussenhaut der eingeschossigen Attikawohnungen mit flach geneigtem Pultdach ist durch vertikale Holzleisten rhythmisiert und verleiht den zurückversetzten Aufstockungen Leichtigkeit und Eleganz. Der Architekt spricht in diesem Zusammenhang von «Baumhäusern» - beim Betrachten der durchgrünten Siedlung wird klar, was er damit meint. - In einer sich schnell verändernden Welt ist Stäuble der Bezug seiner Bauten zu ihrer Umgebung ein wichtiges Anliegen. Einerseits strebt er mit seinen Entwürfen eine ausgeglichene Gesamterscheinung an, andererseits verleiht er seinen Bauten so viel Charakter und Individualität, dass sie auch in einer veränderten Umwelt bestehen können. Dieses ausgewogene Verhältnis erreicht die Erweiterung des Primarschulhauses Pisoni in Zuchwil, seine dritte prämierte Arbeit. Zusammen mit dem dominanten Schulhaus aus dem Beginn des Jahrhunderts bildet der freistehende Winkelbau ein städtebauliches Ensemble, das sich im subtilen Gleichgewicht zwischen Solitär und Gruppe, zwischen Körper und Aussenraum befindet. Er setzt sich aus dem dreigeschossigen Klassenzimmertrakt in Sichtmauerwerk und dem um ein Geschoss niedrigeren, orthogonal dazu angeordneten Spezialtrakt zusammen, der fast bis an den Altbau heranreicht. Dank seiner beidseitigen Verglasung bleibt der nunmehr zweigeteilte Park als Ganzes erlebbar.

Im Zusammenhang mit der Nachkriegsmoderne ist die sogenannte Solothurner Schule ein internationaler Begriff. Ihre wichtigsten Vertreter - Franz Füeg und Fritz Haller - entsagten in den sechziger Jahren der individuellen künstlerischen Gestaltung und suchten nach allgemeinen, übertragbaren Lösungen unter Einsatz modernster Technik. Seit dieser Zeit hat die Aare-Stadt keinen namhaften Architekten mehr hervorgebracht. Mit Jürg Stäuble könnte sich das ändern.


[ Jürg Stäuble stellt seine Arbeiten am 11. November um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor. ]

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