Artikel

Marginalien der Designgeschichte
Neue Zürcher Zeitung

Neue Arbeiten von Stararchitekten an der Möbelmesse Köln

4. Februar 2000 - Irene Meier
Wenn renommierte Firmen an der Möbelmesse in Köln mit berühmten Architektennamen auftrumpfen, so ist ihnen der Medienerfolg sicher. Seien es nun die Gebrüder Thonet aus Frankenberg, deren Firma mit Bugholzmöbeln Geschichte geschrieben hat, oder italienische Firmen auf der Suche nach internationalem Erfolg wie Montina. Norman Forster und Jean Nouvel gehören, das wird niemand bestreiten, zur Garde der global mit Erfolg tätigen Architekten. Ab und zu entstehen da auch Möbel, die als Nebenprodukte zu den architektonischen Grossprojekten entstehen.

Wie gross bei diesen Objekten der entwerferische Anteil der Architekten ist, sei dahingestellt. Gleichwohl reissen sich die Möbelfirmen um solche Produkte mit Starnimbus. Oft scheint dies eine Verlegenheitslösung zu sein, weil die Möbel nicht exakt ins Kollektionsprogramm passen, aber ein gewisses Prestige versprechen. Solche Beispiele waren im Januar an der Kölner Möbelmesse zu sehen: etwa das von Forster and Partners in Zusammenhang mit dem Berliner Reichstagsumbau erarbeitete Stuhl- und Tischprogramm «Thonet S 900» oder die von Nouvel und seinen Mitarbeitern ursprünglich für das Kultur- und Kongresszentrum Luzern entworfene Montina- Kollektion. Die beiden Firmen produzieren die Möbel dieser Architekten nun auch für den Haus- und Bürogebrauch.

Beim Betrachten der Erzeugnisse erinnert man sich mit Nostalgie an die Architektenmöbel aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Eileen Gray kreierte ihre Möbel und Wohnaccessoires seinerzeit auf Mass für die Häuser, die sie für ihre Freunde baute. Die französische Innenarchitektin Andrée Putman und die deutsche Firma Classicon haben sie vor rund 15 Jahren wieder an die Öffentlichkeit gebracht und reediert. Die Möbel von Le Corbusier und Charlotte Perriand haben ihren Siegeszug als Inbegriff des guten Geschmackes erst angetreten, als sie die italienische Firma Cassina in exklusivem Rahmen neu herstellte. Als «Volksmöbel» im Sinne des Bauhauses haben sie nie Erfolg gehabt. Auch Beispiele aus späterer Zeit drängen sich zum Vergleich auf: Mario Botta stand, als er seine Möbel entwarf, die dann von der italienischen Firma Alias produziert wurden, erst am Anfang des internationalen Renommees. Es ging damals weit mehr um das Produkt als um einen prestigeträchtigen Namen. Und die Stühle und Tische von Max Bill aus den fünfziger Jahren stellt die Schweizer Firma Horgen Glarus, die seit 1882 besteht, immer noch her - und zwar heute mit neuem Verkaufserfolg. Nicht zu vergessen die Stühle von Max Ernst Haefeli und Werner Max Moser, die seit den zwanziger und dreissiger Jahren in ihrem Programm sind.

Auch wenn ein gewisser Nostalgiefaktor bei ihrem erneuten Erfolg mitspielt, ist diesen Produkten eine durchdachte Qualität eben nicht abzusprechen. Doch inzwischen hat sich die Situation umgekehrt: Ein Produkt lässt sich heute allein über den Namen des Entwerfers anpreisen. Aber lässt es sich auf Dauer auch verkaufen? Noch scheinen gewisse Möbelfirmen an Entwürfen interessiert zu sein, wenn der Name des Architekten einen publikumswirksamen Auftritt verspricht, selbst wenn das Produkt nicht den erhofften Absatz garantiert.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: