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Zwei Seiten Bekenntnislosigkeit
Architektur muß sich dem schnellen Tagesgang der Dinge entziehen können, sie braucht langsame Reifung. Und nirgends in Europa entfaltet sich Baukultur ganz ohne staatliche Unterstützung, auch in Österreich nicht. Eine Aufforderung zum kulturpolitischen Tempowechsel.
26. Februar 2000 - Walter Chramosta
Die Zeiten sind kaum geeignet, um für Kontinuitäten zu argumentieren. Wenden sind angesagt, Paradigmenwechsel unerläßlich, Konzeptfragen endlich an der Tagesordnung. Die Aussicht auf Fundamentalreformen im österreichischen Gemeinwesen beflügelt, die Ausweglosigkeit der innenpolitischen Selbstfesselung beklemmt. Immerhin: Die politische Übergangsphase zum Staat nach besten europäischen Maßstäben, auf die Österreich seit Jahren ängstlich zusteuert, hat offenbar wirklich eingesetzt. Ein Zurück in die Selbstgefälligkeitsdemokratie der letzten Jahrzehnte ist ausgeschlossen.
Aus der Perspektive von Künstlern und Kulturschaffenden stehen jetzt Grundsatzfragen zur Freiheit der Kunst im Vordergrund. Aber die direkten Existenzfragen von Architektur und Baukultur stehen ebenso unbeantwortet da, wenn auch momentan im Hintergrund.
Sie sind der jetzigen Regierung mit Nachdruck vorzulegen, würden aber auch jede andere zu einer eindeutigen Abkehr vom Gewohnten zwingen. Die österreichische Architekturszene sieht sich nach einer langen Phase der Unzufriedenheit mit den „üblichen Zuständen“ in erhöhter Unsicherheit. Wird Baukunst verstärkt von der Regierung unterstützt, aber gleichzeitig ideologisch in den Dienst genommen? Oder zieht sich der Bund zunehmend aus dem öffentlichen Baugeschehen zurück und überläßt seine ureigenen Bauaufgaben den Marktmechanismen? Muß sich eine Bundesregierung, die einem solchen Szenario der Deregulierung folgt, überhaupt noch der Baukunstproduktion fördernd widmen, oder genügen generell stimulierende, etwa steuerlich vorteilhafte Rahmenbedingungen?
Sind die lange Nichtexistenz eines Bundesbautenressorts und die Auslagerung der Bundesbauvorbereitung in den privatwirtschaftlichen Sektor (BIG) ohne gleichzeitige Sicherstellung einer manifestartigen baukulturellen Programmatik nicht signifikante Hinweise auf die zumindest von den drei größten politischen Parteien bereits vor vielen Jahren still akzeptierte Entlassung der Architektur aus der Bundespolitik?
Die bedrängenden Umstände gebieten es, präziser zur Sache zu kommen, politische Ursachen und Wirkungen auf dem Feld der Architektur zu benennen, um bereits eingenommene Haltungen oder noch beziehbare Positionen deutlicher zu machen: Es hat in Österreich in den letzten Jahrzehnten keine politische Programmatik zur
Architekturproduktion gegeben, die von Gebietskörperschaften und deren Legislativorganen ausgegangen wäre. Weder gibt es ein vom Nationalrat beschlossenes Baukulturförderungsgesetz noch in irgendeinem Bundesland eine konzeptiv langfristig abgesicherte Architekturstrategie. Immerhin muten sich manche Länder in Zusammenhang mit den Raumordnungsgesetzen, mit den Bauordnungen, dem Natur- und Landschaftsschutz et cetera im Sinne verbesserter Ortsverträglichkeit regulierende Eingriffe in das Baugeschehen zu. Einige Kommunen versuchen durch Fachbeiräte die Baukultur in ihrem lokalen Wirkungsbereich zu heben.
Wann immer in Österreich architektonische Phänomene gehäuft wahrzunehmen sind - die Ursache ist in persönlichem und nicht in institutionellem Engagement zu erkennen. Letzteres ist bestenfalls nach erkennbarem Erfolg ersterem zu Hilfe gekommen oder gelegentlich auch in den Rücken gefallen. Vorarlberg, das heute vielbewunderte Musterland heimischer Baukultur, schöpft seine international unstreitige Qualitätsdichte aus einer jahrzehntelang betriebenen Reform von unten. Nicht ein Partei- oder ein Regierungsbeschluß, sondern das beharrliche Zusammenwirken von Bauherren, Planern, Baukünstlern, Beamten und Politikern an konkreten Projekten hat sukzessive das produktive Klima geschaffen, dessen man sich nun auch offiziell rühmt.
Die zwei Jahrzehnte ihres Architekturfrühlings verdankt die Steiermark dem politischen Gespür, der persönlichen Interessenlage von Josef Krainer und einer gerade aufbruchbereiten Generation von Architekten; mit dem Übergang der Verantwortung für das Baugeschehen an andere Personen und Parteien ging dieser global spürbare Frühling abrupt in einen nur mehr steirischen Herbst über.
Das Wiener Schulbauprogramm der neunziger Jahre war eine vielbeachtete architektonische Aufwertungsinitiative von Hannes Swoboda, die endlich die baukulturelle Tradition des „Roten Wien“ wiederaufzunehmen schien. Nach seinem Weggang wurde das Programm, so wie es ohne öffentliche Diskussion oder gar medialen Druck entstanden war, auch ohne politische Kontroverse in aller Stille entsorgt.
Selbst die mit höchstem Elan und sichtbaren Bauerfolgen vorgetragene Salzburger Architekturreform unter Johannes Voggenhuber reduzierte sich in der engmaschigen Normalität der Provinzkultur auf die Verwaltung eines touristisch gut vermarktbaren Bildes.
Die einzige wirklich politisch motivierte Bauaufgabe der letzten Zeit, das Regierungsviertel in St. Pölten, ist architektonisch und städtebaulich gescheitert.
O ffensichtlich daran, daß der Bauherr keine klare Stellung zur Frage genommen hat, ob ein Landhaus am Rand einer Stadt oder eine neue Hauptstadt aus einer bestehenden Struktur zu entwickeln wäre. Spitzenpolitiker haben verlernt, sich der Architektur als eines legitimen, sogar unverzichtbaren Mittels der Politik zu bedienen. Wird jetzt alles schlagartig besser? - Die Geschäftsgrundlage der FPÖVP- Regierung läßt diesen Schluß nicht zu. Selbst an der prekären Sonderlage der Republik gemessen, ist der Text der Regierungsvereinbarung „Österreich neu regieren“ für Belange der Kunst und Kultur zu generell und unengagiert. Sie tangiert auf 125 Seiten alle Sektoren der Regierungsverantwortung, wobei die Schwergewichte erwartungsgemäß in Feldern wie Europa, Soziales und Wirtschaft liegen. Nur zwei (!) Seiten sind der „Kultur und Kunst“ gewidmet, obwohl Österreich kaum etwas mehr mangelt als Kultur in der Politik, in der Bildung, im Umgang mit Kunst und Künstlern.
Not tut folglich vorerst eine glaubhafte Einschätzung der Realien dieser Republik. Wenn aber auf Seite 99 des Programms steht: „Kultur und Kunst haben in Österreich ei-nen überdurchschnittlich hohen Stellenwert“, dann ist das schon generell ein schönendes Wunschbild eines Binnenbetrachters. Auf Architektur und Baukultur bezogen ist die Einschätzung, daß im wesentlichen alles zum besten stünde, jedenfalls unhaltbar, vor allem wenn vorbildliche europäische Phänomene als Maß dienen.
Das „Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik in Österreich“, 1999 herausgegeben von der Kunstsektion des Bundeskanzleramtes, von einer großen Zahl von Fachleuten betreut, sagt dagegen zum Status quo: „Die alltägliche Baukultur ist von einem besinnungslosen Pragmatismus geprägt, von Antimodernismus, Historizität, Behübschungen und Diensten am Tourismus.“
Und weiter zum Verhältnis von öffentlichen Bauten und Ge- genwartsarchitektur: „Die Re- publik Österreich als Bauherr hat sich nur in wenigen Fällen einer baukulturellen Verantwortung gestellt. Es mangelt seit jeher an einem klaren öffentlichen Bekenntnis der Politik zur zeitgenössischen Baukultur ebenso wie an einem klaren Leitbild. Die architekturhistorische Qualität von Bauten, die vom Bund finanziell getragen oder unterstützt werden, ist daher gering. Wettbewerbsergebnisse werden in der Verwirklichung marginalisiert und erfolgreiche Bauten in der Öffentlichkeit kaum kommuniziert.“
Die Absicht des Regierungsprogramms: „Diesen Stellenwert gilt es zu erhalten, auszubauen und für die Zukunft zu sichern“ wirkt bedrohlich. Und die handlungsbezogenen Aussagen sind trivial: „Die Freiheit der Kunst ist das tragende Prinzip der Kunstförderung und Kulturpolitik. Der Staat hat dabei seine Tätigkeit auf die Schaffung von stimulierenden Rahmenbedingungen und Entfaltungsmöglichkeiten für Künstlerinnen und Künstler zu konzentrieren.“ Nicht mehr überraschend ist dann die Knappheit der Maßnahmen: „Im Wohnbau und im öffentlichen Bau sollen baukünstlerische Schwerpunkte gesetzt werden. Vordringlich sind dabei Begleitmaßnahmen in der Stadtplanung, in der Architekturforschung und im Architekturmarketing sowie die konsequente Sicherung von Nachlässen österreichischer Architekten und deren Dokumentation.“ Jeder dieser Punkte ist wichtig. Viel wichtiger, weil wirklicher Beweis der Ernsthaftigkeit dieser Ankündigungen, wäre aber, endlich erstmals eine nationale Anstrengung in Sachen Baukultur einzuleiten und dazu ein Bekenntnis samt Zeit- und Budgetplan abzulegen.
I m Herbst hatte Kanzler Klima noch einen Anlauf zu einer fachlich fundierten Charta der Bundesarchitekturpolitik genommen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse interessieren nun offenbar nicht mehr.
Der Schlüssel zu einer wirksamen Architekturpolitik liegt im kontinuierlichen Lobbying für Verzögerungseffekte gegenüber der Eigengesetzlichkeit von Wirtschaft, Technik et cetera, die erst den Freiraum für die sich langsamer konkretisierende Architektur öffnen. Die Niederlande (seit 1992) und Finnland (seit 1998) führen vor, wie die architektonische Dimension der Kultur, wie die kulturelle Bedeutung des Raumes urbar zu machen ist. Dort ist Architektur ein anerkanntes politisches Instrument, weil sie Probleme aus der tagespolitischen Raserei herausführt, in ihren Tempi löst - und dabei meist schneller ist als die Raser.
Aus der Perspektive von Künstlern und Kulturschaffenden stehen jetzt Grundsatzfragen zur Freiheit der Kunst im Vordergrund. Aber die direkten Existenzfragen von Architektur und Baukultur stehen ebenso unbeantwortet da, wenn auch momentan im Hintergrund.
Sie sind der jetzigen Regierung mit Nachdruck vorzulegen, würden aber auch jede andere zu einer eindeutigen Abkehr vom Gewohnten zwingen. Die österreichische Architekturszene sieht sich nach einer langen Phase der Unzufriedenheit mit den „üblichen Zuständen“ in erhöhter Unsicherheit. Wird Baukunst verstärkt von der Regierung unterstützt, aber gleichzeitig ideologisch in den Dienst genommen? Oder zieht sich der Bund zunehmend aus dem öffentlichen Baugeschehen zurück und überläßt seine ureigenen Bauaufgaben den Marktmechanismen? Muß sich eine Bundesregierung, die einem solchen Szenario der Deregulierung folgt, überhaupt noch der Baukunstproduktion fördernd widmen, oder genügen generell stimulierende, etwa steuerlich vorteilhafte Rahmenbedingungen?
Sind die lange Nichtexistenz eines Bundesbautenressorts und die Auslagerung der Bundesbauvorbereitung in den privatwirtschaftlichen Sektor (BIG) ohne gleichzeitige Sicherstellung einer manifestartigen baukulturellen Programmatik nicht signifikante Hinweise auf die zumindest von den drei größten politischen Parteien bereits vor vielen Jahren still akzeptierte Entlassung der Architektur aus der Bundespolitik?
Die bedrängenden Umstände gebieten es, präziser zur Sache zu kommen, politische Ursachen und Wirkungen auf dem Feld der Architektur zu benennen, um bereits eingenommene Haltungen oder noch beziehbare Positionen deutlicher zu machen: Es hat in Österreich in den letzten Jahrzehnten keine politische Programmatik zur
Architekturproduktion gegeben, die von Gebietskörperschaften und deren Legislativorganen ausgegangen wäre. Weder gibt es ein vom Nationalrat beschlossenes Baukulturförderungsgesetz noch in irgendeinem Bundesland eine konzeptiv langfristig abgesicherte Architekturstrategie. Immerhin muten sich manche Länder in Zusammenhang mit den Raumordnungsgesetzen, mit den Bauordnungen, dem Natur- und Landschaftsschutz et cetera im Sinne verbesserter Ortsverträglichkeit regulierende Eingriffe in das Baugeschehen zu. Einige Kommunen versuchen durch Fachbeiräte die Baukultur in ihrem lokalen Wirkungsbereich zu heben.
Wann immer in Österreich architektonische Phänomene gehäuft wahrzunehmen sind - die Ursache ist in persönlichem und nicht in institutionellem Engagement zu erkennen. Letzteres ist bestenfalls nach erkennbarem Erfolg ersterem zu Hilfe gekommen oder gelegentlich auch in den Rücken gefallen. Vorarlberg, das heute vielbewunderte Musterland heimischer Baukultur, schöpft seine international unstreitige Qualitätsdichte aus einer jahrzehntelang betriebenen Reform von unten. Nicht ein Partei- oder ein Regierungsbeschluß, sondern das beharrliche Zusammenwirken von Bauherren, Planern, Baukünstlern, Beamten und Politikern an konkreten Projekten hat sukzessive das produktive Klima geschaffen, dessen man sich nun auch offiziell rühmt.
Die zwei Jahrzehnte ihres Architekturfrühlings verdankt die Steiermark dem politischen Gespür, der persönlichen Interessenlage von Josef Krainer und einer gerade aufbruchbereiten Generation von Architekten; mit dem Übergang der Verantwortung für das Baugeschehen an andere Personen und Parteien ging dieser global spürbare Frühling abrupt in einen nur mehr steirischen Herbst über.
Das Wiener Schulbauprogramm der neunziger Jahre war eine vielbeachtete architektonische Aufwertungsinitiative von Hannes Swoboda, die endlich die baukulturelle Tradition des „Roten Wien“ wiederaufzunehmen schien. Nach seinem Weggang wurde das Programm, so wie es ohne öffentliche Diskussion oder gar medialen Druck entstanden war, auch ohne politische Kontroverse in aller Stille entsorgt.
Selbst die mit höchstem Elan und sichtbaren Bauerfolgen vorgetragene Salzburger Architekturreform unter Johannes Voggenhuber reduzierte sich in der engmaschigen Normalität der Provinzkultur auf die Verwaltung eines touristisch gut vermarktbaren Bildes.
Die einzige wirklich politisch motivierte Bauaufgabe der letzten Zeit, das Regierungsviertel in St. Pölten, ist architektonisch und städtebaulich gescheitert.
O ffensichtlich daran, daß der Bauherr keine klare Stellung zur Frage genommen hat, ob ein Landhaus am Rand einer Stadt oder eine neue Hauptstadt aus einer bestehenden Struktur zu entwickeln wäre. Spitzenpolitiker haben verlernt, sich der Architektur als eines legitimen, sogar unverzichtbaren Mittels der Politik zu bedienen. Wird jetzt alles schlagartig besser? - Die Geschäftsgrundlage der FPÖVP- Regierung läßt diesen Schluß nicht zu. Selbst an der prekären Sonderlage der Republik gemessen, ist der Text der Regierungsvereinbarung „Österreich neu regieren“ für Belange der Kunst und Kultur zu generell und unengagiert. Sie tangiert auf 125 Seiten alle Sektoren der Regierungsverantwortung, wobei die Schwergewichte erwartungsgemäß in Feldern wie Europa, Soziales und Wirtschaft liegen. Nur zwei (!) Seiten sind der „Kultur und Kunst“ gewidmet, obwohl Österreich kaum etwas mehr mangelt als Kultur in der Politik, in der Bildung, im Umgang mit Kunst und Künstlern.
Not tut folglich vorerst eine glaubhafte Einschätzung der Realien dieser Republik. Wenn aber auf Seite 99 des Programms steht: „Kultur und Kunst haben in Österreich ei-nen überdurchschnittlich hohen Stellenwert“, dann ist das schon generell ein schönendes Wunschbild eines Binnenbetrachters. Auf Architektur und Baukultur bezogen ist die Einschätzung, daß im wesentlichen alles zum besten stünde, jedenfalls unhaltbar, vor allem wenn vorbildliche europäische Phänomene als Maß dienen.
Das „Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik in Österreich“, 1999 herausgegeben von der Kunstsektion des Bundeskanzleramtes, von einer großen Zahl von Fachleuten betreut, sagt dagegen zum Status quo: „Die alltägliche Baukultur ist von einem besinnungslosen Pragmatismus geprägt, von Antimodernismus, Historizität, Behübschungen und Diensten am Tourismus.“
Und weiter zum Verhältnis von öffentlichen Bauten und Ge- genwartsarchitektur: „Die Re- publik Österreich als Bauherr hat sich nur in wenigen Fällen einer baukulturellen Verantwortung gestellt. Es mangelt seit jeher an einem klaren öffentlichen Bekenntnis der Politik zur zeitgenössischen Baukultur ebenso wie an einem klaren Leitbild. Die architekturhistorische Qualität von Bauten, die vom Bund finanziell getragen oder unterstützt werden, ist daher gering. Wettbewerbsergebnisse werden in der Verwirklichung marginalisiert und erfolgreiche Bauten in der Öffentlichkeit kaum kommuniziert.“
Die Absicht des Regierungsprogramms: „Diesen Stellenwert gilt es zu erhalten, auszubauen und für die Zukunft zu sichern“ wirkt bedrohlich. Und die handlungsbezogenen Aussagen sind trivial: „Die Freiheit der Kunst ist das tragende Prinzip der Kunstförderung und Kulturpolitik. Der Staat hat dabei seine Tätigkeit auf die Schaffung von stimulierenden Rahmenbedingungen und Entfaltungsmöglichkeiten für Künstlerinnen und Künstler zu konzentrieren.“ Nicht mehr überraschend ist dann die Knappheit der Maßnahmen: „Im Wohnbau und im öffentlichen Bau sollen baukünstlerische Schwerpunkte gesetzt werden. Vordringlich sind dabei Begleitmaßnahmen in der Stadtplanung, in der Architekturforschung und im Architekturmarketing sowie die konsequente Sicherung von Nachlässen österreichischer Architekten und deren Dokumentation.“ Jeder dieser Punkte ist wichtig. Viel wichtiger, weil wirklicher Beweis der Ernsthaftigkeit dieser Ankündigungen, wäre aber, endlich erstmals eine nationale Anstrengung in Sachen Baukultur einzuleiten und dazu ein Bekenntnis samt Zeit- und Budgetplan abzulegen.
I m Herbst hatte Kanzler Klima noch einen Anlauf zu einer fachlich fundierten Charta der Bundesarchitekturpolitik genommen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse interessieren nun offenbar nicht mehr.
Der Schlüssel zu einer wirksamen Architekturpolitik liegt im kontinuierlichen Lobbying für Verzögerungseffekte gegenüber der Eigengesetzlichkeit von Wirtschaft, Technik et cetera, die erst den Freiraum für die sich langsamer konkretisierende Architektur öffnen. Die Niederlande (seit 1992) und Finnland (seit 1998) führen vor, wie die architektonische Dimension der Kultur, wie die kulturelle Bedeutung des Raumes urbar zu machen ist. Dort ist Architektur ein anerkanntes politisches Instrument, weil sie Probleme aus der tagespolitischen Raserei herausführt, in ihren Tempi löst - und dabei meist schneller ist als die Raser.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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