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Renzo Piano plant einen Museumsneubau in Sarajewo. Europa und die Künstler helfen in Tranchen.
Wenn das Geld fehlt, kann reine Begeisterung Brücken bauen. Die Begeisterung ist an dem heißen Juniabend in Sarajewo mit Händen zu greifen; lokale und EU-Politiker, der Präsident der bosniakisch-kroatischen Föderation und der Hohe Repräsentant, Kulturräte, Kuratoren und Kunststudenten drängen in das ehemalige Museum der Revolution, einen durch den Krieg arg mitgenommenen Kubus zwischen alter und neuer Stadt. Sie wollen sehen, was vorläufig nur als Entwurf an die Wand gepinnt ist: das neueste Projekt des italienischen Architekten Renzo Piano. Und sie wollen ihn hören. „Das Museum, das auf diesem Gelände entstehen soll“, sagt er, „sehe ich als Symbol einer Wiedervereinigung, wo bisher Teilung und Zerstörung geherrscht haben“, gerade hier, direkt an der Zmaja od Bosne, der berüchtigten ehemaligen „Sniper Alley“.
Nur gibt es keinen Platz für die Arbeiten. Provisorisch lagern bzw. hängen sie in Depots und im Kubus.
Das geplante Museum für Gegenwartskunst soll Teil einerseits eines Uni-Campus werden, andererseits eines Netzwerkes weiterer Ausstellungsbauten. Es soll wachsen und seine Funktion ändern können. Piano hat also eine modulare Bauweise vorgeschlagen, mit 160 Stahlpfeilern als Basis. „Ich stelle mir das Gebäude weniger als Museum und mehr als Meeting-Place vor“, sagt der Architekt, der an dem Projekt als Goodwill-Botschafter der UNESCO ohne Honorar arbeitet. „Im Erdgeschoß wird es die Aktivitäten geben, die mit der Uni zu tun haben - Auditorium, Geschäfte, Seminarräume. Und einen Secondhand-Buchladen: Ich glaube, dafür gibt es einen Markt in Sarajewo.“ Die Ausstellungen sollen im Obergeschoß stattfinden, 6000 m² sind insgesamt vorgesehen.
Auf der großen Konferenz zum Stabilitätspakt im Vorjahr in Sarajewo wurde dem Museumsneubau hohe EU-Priorität eingeräumt - eine schöne, wenn auch nicht verbindliche Geste. Die Vision der Schutzherren und -damen geht aber noch weiter. Um den Sprung von der Zerstörung in die Avantgarde zu ermöglichen, sollen mehrere Pavillons über Sarajewo verstreut gebaut werden, von europäischen Ländern verantwortet und in weiterer Folge als deren Kulturinstitute geführt. (Bezüglich eines österreichischen Pavillons hat Hadziomerspahic mit Hans Hollein Kontakt aufgenommen; vereinbart wurde bis dato nichts.) Pianos Bau wäre dann der zentrale und der italienische Pavillon zugleich. Das lässt sich als Verbeugung vor dem Land deuten, das die Museumsidee von Anfang an besonders aktiv unterstützt hat. Sogar Regionen und Stadtgemeinden etwa aus der Toskana transferieren Know-how nach Sarajewo. Und schließlich ist der Planer für Gottes Lohn Italiens bekanntester Architekt.
Bei seinem Auftritt vor den Culturati der Stadt zerstreut Renzo Piano jedoch Befürchtungen, hier würde sich einer der Stars der Bauwelt mit großer Geste inszenieren. Er hält sich persönlich und programmatisch im Hintergrund. Schon an den ersten Skizzen haben zwei junge Architekten aus Sarajewo mitgearbeitet, die dafür extra nach Genua zum „Renzo Piano Building Workshop“ gezogen sind. Und wenn gebaut wird, werden lokale Studios die Arbeit leiten und leisten.
Wenn. Denn das große Aber ist das Geld. Mit rund 200 Millionen Schilling Kosten allein für das Museum wird gerechnet, vorläufig aber ist nicht einmal ein Bruchteil der Summe vorhanden. Der gemeinsame Kraftakt so vieler Institutionen, Gremien, lokaler Verbände und privater Aktivisten hat zwar Vorleistungen in Form von Arbeitszeit und publizistischen Maßnahmen gebracht. Er hat aber auch dazu geführt, dass niemand sich direkt zuständig fühlt und alle darauf warten, dass jemand den ersten Griff in die Schatulle tut.
„Das macht nichts“, kontert Piano im Gespräch mit den ALBUM, „dann bauen wir eben erstmal die ohnehin geplante Fußgängerbrücke über den Fluss Miljacka, der jetzt den Zugang vom südlichen Teil der Stadt zum Museum erschwert. Hier eine Verbindung zu schaffen, hat einen ebenso praktischen wie metaphorischen Wert.“ Wenn es nicht anders geht, dann als provisorische Konstruktion. Und wenn das immer noch zu teuer ist, dann soll das Militär die Brücke bauen. Michael Freund []
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