Artikel
Zum Werk von Josef Lackner (1931-2000)
Friedrich Achleitner über den Tiroler Architekten Josef Lackner.
27. November 2000 - Friedrich Achleitner
Wahrscheinlich wird man erst mit einiger Zeitdistanz das Vakuum wahrnehmen, das Josef Lackner durch seinen Tod hinterlassen hat. Jo, wie ihn seine Freunde nannten, hatte eine merkwürdige Präsenz: Auch wenn es öfters still um ihn geworden war - „Durststrecken“ sind in seiner Biographie genug zu entdecken - war er in Tirol als eine Art „Über-Ich“ für die Architekten vorhanden, nicht nur durch die Maßstäbe, die er durch seine Bauten gesetzt hat, sondern auch durch seine Wortmeldungen, meist nicht zur Freude der Betroffenen, denn seine Kritik traf den Nagel immer auf den Kopf, wenn auch häufig der Hammer für den Nagel viel zu groß war.
Seine originellen Gedanken, oft wie Querschläger die Szene aufschreckend, konnte man ablehnen, aber ihrer Wirkung konnte man sich nicht entziehen. Er besaß die entwaffnende Logik eines geradlinigen Denkers, erst ihre raffinierte verbale Verpackung verriet feinere und komplexere Strukturen dahinter.
Wiener Schule
Josef Lackner hat mit Johannes Spalt, Johann Georg Gsteu, Friedrich Kurrent, Wilhelm Holzbauer, Otto Leitner, Gustav Peichl und anderen bei Clemens Holzmeister studiert. Soweit sich Holzmeister als Tiroler inszenierte, war dies nicht gerade Lackners Art. Das Prinzip der kulturalen Einkleidung war ihm fremd, da hielt er es schon mehr mit dem kontroversiellen Einzelgängertum Lois Welzenbachers.
Lackner hat sich nie mit seinem Lebensraum versöhnt, schon gar nicht in Sachen Architektur. Er ging zwar nach einer längeren „Wanderschaft“ in Deutschland nach Tirol zurück, er suchte aber keine Wurzeln, weder die seinen noch andere. Wenn Lackner etwas in seinem Werk inszenierte, dann war es seine Autonomie, überspitzt, die Rolle des eigensinnigen Erfinders.
Schlagfertiger Querkopf
Seine Schlagfertigkeit in Wort und Entwurf, nicht ganz frei von despotischen Untergriffen, war manchmal auch im engsten Freundeskreis gefürchtet oder zeigte Wirkung.
Als Beleg eine Anekdote aus den späten 1950er Jahren: Nach den Sommerseminaren von Konrad Wachsmann in Salzburg war es unter seinen Jüngern selbstverständlich, bei jedem Entwurf oder Bau nach dem Modul zu fragen, da die modulare Ordnung in der rationalen Moderne als ein Grundkriterium angesehen wurde. Johann Georg Gsteu fragte also Lackner bei der Kirche von Neu-Arzl streng nach dem verwendeten Modul. Die lakonische Antwort Lackners: Ein Zentimeter.
Einzelkämpfer
Josef Lackner war und blieb ein Einzelkämpfer. Dies könnte man aus dem „Gestein der Tiroler Bergwelt“, dem „alten freien Bauerntum der Region“ oder vielen anderen Faktoren alpiner Mythen erklären oder eben nicht. Wenn ich mich richtig erinnere, hat Jo, im Gegensatz zu anderen Holzmeister-Schülern, immer alleine gearbeitet. Dies ist eher aus der Tiroler Situation der 1950er und 1960er Jahre, mehr, ja vielleicht ausschließlich, aber aus seinem Architekturbegriff zu verstehen, der genaugenommen keine Alternativen zuließ.
Lackners Architektur spielt sich im Spannungsfeld von Definition der Bauaufgabe, typologischer Erfindung und Konstruktion ab. Der Raum ist das Ergebnis dieses Spannungsfeldes oder dessen konstituierendes Element. Oft ist die Konstruktion die typologische Erfindung, manchmal erzeugt der Typus einen konstruktiven Gedanken. Das Topologische kommt oft spät oder gar nicht ins Spiel. Auch nicht die Landschaft als Kulturbegriff. Lackners Architektur scheint keinen Kontakt zur Geschichte aufzunehmen. Aber da muss man schon vorsichtig sein. Denn natürlich ist jede noch so betont unabhängige Definition von Gegenwart auch eine bestimmte Form historischen Verhaltens.
Kein Zeitgeist-Architekt
Lackners Architekturbegriff wurde in den 1960er Jahren positioniert. Die Postmoderne der 1970er Jahre hat ihn nicht irritiert, genauso wenig die ganze narrative und semantische Dimension von Architektur und Architekturgeschichte. Lackners Architektur signalisiert nicht nur Autonomie, sondern auch Unabhängigkeit vom Zeitgeist, obwohl seine Architektur unter der Flagge einer zeitgebundenen Moderne gestartet wurde.
Nach rund fünfzigjähriger Entwurfs- und Bautätigkeit ist es nicht so schwer, „abschließende“ Aussagen zu machen. Obwohl man auch da vorsichtig sein sollte, denn Lackner bleibt immer für eine Überraschung gut. Und die Forschungen über sein Werk werden neben einem scheinbar unbeirrbaren geraden Weg viele verschlungene und vielleicht auch irgendwo versiegende Nebenpfade entdecken. Denn Josef Lackner war ein permanent suchender, wenn nicht grübelnder Geist.
[Die Originalfassung dieses Textes erschien in architektur aktuell. Österreichs größte Architekturzeitschrift von internationalem Rang präsentiert zehnmal jährlich die wichtigsten neuen Bauten sowie Interviews und Essays von renommierten Kritikern.]
Seine originellen Gedanken, oft wie Querschläger die Szene aufschreckend, konnte man ablehnen, aber ihrer Wirkung konnte man sich nicht entziehen. Er besaß die entwaffnende Logik eines geradlinigen Denkers, erst ihre raffinierte verbale Verpackung verriet feinere und komplexere Strukturen dahinter.
Wiener Schule
Josef Lackner hat mit Johannes Spalt, Johann Georg Gsteu, Friedrich Kurrent, Wilhelm Holzbauer, Otto Leitner, Gustav Peichl und anderen bei Clemens Holzmeister studiert. Soweit sich Holzmeister als Tiroler inszenierte, war dies nicht gerade Lackners Art. Das Prinzip der kulturalen Einkleidung war ihm fremd, da hielt er es schon mehr mit dem kontroversiellen Einzelgängertum Lois Welzenbachers.
Lackner hat sich nie mit seinem Lebensraum versöhnt, schon gar nicht in Sachen Architektur. Er ging zwar nach einer längeren „Wanderschaft“ in Deutschland nach Tirol zurück, er suchte aber keine Wurzeln, weder die seinen noch andere. Wenn Lackner etwas in seinem Werk inszenierte, dann war es seine Autonomie, überspitzt, die Rolle des eigensinnigen Erfinders.
Schlagfertiger Querkopf
Seine Schlagfertigkeit in Wort und Entwurf, nicht ganz frei von despotischen Untergriffen, war manchmal auch im engsten Freundeskreis gefürchtet oder zeigte Wirkung.
Als Beleg eine Anekdote aus den späten 1950er Jahren: Nach den Sommerseminaren von Konrad Wachsmann in Salzburg war es unter seinen Jüngern selbstverständlich, bei jedem Entwurf oder Bau nach dem Modul zu fragen, da die modulare Ordnung in der rationalen Moderne als ein Grundkriterium angesehen wurde. Johann Georg Gsteu fragte also Lackner bei der Kirche von Neu-Arzl streng nach dem verwendeten Modul. Die lakonische Antwort Lackners: Ein Zentimeter.
Einzelkämpfer
Josef Lackner war und blieb ein Einzelkämpfer. Dies könnte man aus dem „Gestein der Tiroler Bergwelt“, dem „alten freien Bauerntum der Region“ oder vielen anderen Faktoren alpiner Mythen erklären oder eben nicht. Wenn ich mich richtig erinnere, hat Jo, im Gegensatz zu anderen Holzmeister-Schülern, immer alleine gearbeitet. Dies ist eher aus der Tiroler Situation der 1950er und 1960er Jahre, mehr, ja vielleicht ausschließlich, aber aus seinem Architekturbegriff zu verstehen, der genaugenommen keine Alternativen zuließ.
Lackners Architektur spielt sich im Spannungsfeld von Definition der Bauaufgabe, typologischer Erfindung und Konstruktion ab. Der Raum ist das Ergebnis dieses Spannungsfeldes oder dessen konstituierendes Element. Oft ist die Konstruktion die typologische Erfindung, manchmal erzeugt der Typus einen konstruktiven Gedanken. Das Topologische kommt oft spät oder gar nicht ins Spiel. Auch nicht die Landschaft als Kulturbegriff. Lackners Architektur scheint keinen Kontakt zur Geschichte aufzunehmen. Aber da muss man schon vorsichtig sein. Denn natürlich ist jede noch so betont unabhängige Definition von Gegenwart auch eine bestimmte Form historischen Verhaltens.
Kein Zeitgeist-Architekt
Lackners Architekturbegriff wurde in den 1960er Jahren positioniert. Die Postmoderne der 1970er Jahre hat ihn nicht irritiert, genauso wenig die ganze narrative und semantische Dimension von Architektur und Architekturgeschichte. Lackners Architektur signalisiert nicht nur Autonomie, sondern auch Unabhängigkeit vom Zeitgeist, obwohl seine Architektur unter der Flagge einer zeitgebundenen Moderne gestartet wurde.
Nach rund fünfzigjähriger Entwurfs- und Bautätigkeit ist es nicht so schwer, „abschließende“ Aussagen zu machen. Obwohl man auch da vorsichtig sein sollte, denn Lackner bleibt immer für eine Überraschung gut. Und die Forschungen über sein Werk werden neben einem scheinbar unbeirrbaren geraden Weg viele verschlungene und vielleicht auch irgendwo versiegende Nebenpfade entdecken. Denn Josef Lackner war ein permanent suchender, wenn nicht grübelnder Geist.
[Die Originalfassung dieses Textes erschien in architektur aktuell. Österreichs größte Architekturzeitschrift von internationalem Rang präsentiert zehnmal jährlich die wichtigsten neuen Bauten sowie Interviews und Essays von renommierten Kritikern.]
Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at
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