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Jenseits des «White Cube»
Neue Zürcher Zeitung

Kreative Räume für die Kunst in Vaduz

25. November 2000 - Suzanne Kappeler
Der kürzlich eröffnete, aufsehenerregende Neubau des Kunstmuseums Liechtenstein, ein edler monolithischer Baukörper, der im Innern mit zurückhaltenden, sich ganz den Kunstwerken unterordnenden Sälen aufwartet, war für die Kuratoren Anlass, über mögliche architektonische Hüllen für die Kunst nachzudenken, über ungewohnte Orte und Zusammenhänge jenseits des klassischen Museumsbaus. In der Ausstellung «Zwischenräume - Architekturen für die Kunst» im Engländerbau in Vaduz werden fünf Projekte von vier internationalen Architekturbüros und Architektengemeinschaften vorgestellt, die in den vergangenen zehn Jahren realisiert wurden. Das Spektrum der mit Fotos, Plänen und Modellen visualisierten Räume reicht dabei von kaum sichtbaren architektonischen Eingriffen in ein Industrie- oder Dienstleistungsgebäude bis zum Neubau für einen privaten Sammler oder zur temporären Ausstellungsarchitektur für eine Film- und Videoausstellung in einer Kulturmehrzweckhalle. Eine Text- und Bilddokumentation am Schluss der sorgfältig erarbeiteten Schau zeigt auf, dass ungewohnte Orte der Kunstpräsentation, wie etwa eine Tiefgarage oder ein Lagerschuppen, keine Erfindung unserer Zeit sind, sondern schon seit den fünfziger Jahren von der Künstler-Avantgarde, von Fluxus und Arte povera gepflegt wurden.

Das deutsche Büro Internat (Frank Boehm/ Wilfried Kühn) setzte für den Berliner Init-Kunstverein 1998 einen ehemaligen Supermarkt als temporären Ausstellungsort mit einfachen Mitteln in Szene. Ein Pultkörper für den Empfang und eine aus gemasertem Holzimitat gestaltete, geschlossene Klubbar unterteilen den Raum, der ansonsten mit seinen Neonröhren, den stützenden Pfeilern und Industriebodenplatten kaum verändert wurde. Ein anderes Verfahren wendete das Büro bei der Verwandlung eines ehemaligen Autosalons in Frankfurt in eine Galerie an: Der Raum wurde unterteilt und ausgekleidet, gleichsam als autonomer Einbau in die gegebene Raumstruktur entwickelt. Besonders schön präsentiert wird in der Ausstellung der für 2001 geplante, fast klösterlich hermetische Neubau des Wiener Architekten Gerold Wiederin für ein Privathaus mit Ausstellungstrakt in Budapest. Die Anordnung der langgezogenen Baukörper um einen Hof mit Obstgarten nimmt die traditionelle Zeilenbebauung auf. Der äusseren Reduktion der Gebäude antworten im Innern bis zum Giebel offene Volumen. Vor zehn Jahren wurde in Genf der Umbau eines ehemaligen mehrgeschossigen Industriegebäudes in ein Museum für Gegenwartskunst in Angriff genommen. Erwin Oberwiler, Michel Buri und Serge Candolfi, die Architekten des Mamco, unterteilten die offenen Räume in Zellen aus demontierbaren Holzwänden, die von einem langen Gang erschlossen werden. Neben Konstruktionsdetails der Holzmodulelemente zeigt die Dokumentation den eindrücklichen Weg einer Industriehülle zu einem Museum.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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