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Die Welt zeigen, wie sie ist
Rede zur Verleihung des Österreichischen Staatspreises an Coop Himmelb(l)au: Wolf D. Prix über die Kunst des Bauens, die Bedrohungen für moderne Architektur durch Statthalter der „pragmatisierten Mittelmäßigkeit“ - und was es mit der Wolke über dem Turm zu Babel auf sich hat.
14. Dezember 2000 - Wolf D. Prix
Wir Architekten stehen an einer Schwelle. Wenn wir sie überschritten haben, wird sich in der Architektur der Traum des ewigen Lebens - den wir durch unsere uns überdauernden Bauten träumen -, wird sich dieser Traum auflösen in das Hier und Jetzt.
Die Rolle des Architekten wird sich in der Zukunft dramatisch verändern. Denn wenn Architekten weiterhin in vorauseilendem Gehorsam ihren verinnerlichten Zwängen folgend alles schön finden, was dumme Investoren von ihnen verlangen, werden sie zu Facility-Managern degradiert werden oder es wird sie nicht mehr geben. Dann wird das Feld frei für zukünftige Strategiedenker, die dann nicht mehr an die Unsterblichkeit durch ihre Bauten glauben. Das „Forever young“ - für immer jung - hätte dann seine Gültigkeit verloren.
Wir haben es oft genug behauptet und wiederholen es auch heute gerne: Architektur ist Kunst. Diesen Anspruch gibt es schon lange, und besonders ausgeprägt ist er in der Architekturgeschichte von Wien. Die barocke Auffassung der Gestalt ist vielen Wiener Architekten eigen, wobei Gestalt nicht Form ist, sondern der Abdruck einer Idee im Material. Golem.
Diese Idee und die Träger dieser Idee zu schützen, zu fördern und ihnen Respekt zu verschaffen, diese Forderung richte ich an Sie, Herr Staatssekretär. Sie dürfen nicht zulassen, dass die moderne Kunst und damit die zeitrichtige Architektur im Bierzelt von einer Sprache, die an primitiver Aggression nichts zu wünschen übrig lässt, verhindert wird.
Das Fremde suchen
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie als Sprecher gegen die pragmatisierte Mittelmäßigkeit Österreichs auftreten und dass das Bekenntnis, dass Architektur im Mittelpunkt des Kulturprogramms der Regierung steht, nicht Lippenbekenntnis ist.
Ich möchte mir wünschen, dass Sie die österreichischen Architekten und Künstler unterstützen, die provinziellen Grenzen Österreichs endgültig zu verlassen. Denn wir suchen das Fremde, den unsicheren Grund und die Verschiedenheit. Und das - befürchten wir - wird hier bald nicht mehr zu finden sein.
In der Architektur gelten vor allem auch ästhetische Kriterien; eine Veränderung der Ästhetik - und die Pflicht jedes Architekten ist die Veränderung - wird daher als politischer Angriff auf bestehende Denk- und Sehgewohnheiten gesehen.
Die Profession des Architekten verlangt daher heute begleitende Strategien, die den Marktkonzepten der Popkultur ähnlich sind. Nämlich den Künstler, den Erfinder, den Kreator als Star in den Vordergrund zu stellen. Denn nur der so genannte Stararchitekt kann noch Einfluss nehmen auf die Veränderung und Weiterentwicklung der Architektur in unserer Express-yourself-Society. Eine Gesellschaft, die sich von Tag zu Tag mehr entsolidarisiert.
Das Team Coop Himmelblau gibt es aber seit über 30 Jahren. Und seit über 30 Jahren haben wir standhaft unseren Namen verteidigt. Himmelblau und jetzt zu Recht Himmelbau.
Himmelblau. Kein Name für ein Architektenteam? Nicht, wenn man nur die Farbe meint.
Aber Himmelblau ist nun mal keine Farbe. Sondern die Idee, Architektur veränderbar wie Wolken zu machen.
Wir befinden uns hier im Gasometer B, in der Rockhalle, einem für uns sehr wichtigen Projekt.
Hier in diesem Raum werden Sie jetzt fragen, wo sind sie denn nun, die Wolken? - Haben Sie Geduld mit uns, wir arbeiten daran. Der Stephansdom wurde auch nicht an einem Tag gebaut und der Turm von Babel erst gar nicht vollendet. Aber auf Breughels Gemälde Der Turm von Babel sieht man auf der rechten Seite des Bildes eine Wolke, die wohl andeuten soll, dass der Turm den Himmel fast erreicht hätte. Und ich denke, dass es die Aufgabe der Architekten unserer Zeit sein muss, dieses hätte in ein hat zu verwandeln.
Die Verwirrung der Sprache, die die Fertigstellung des Turms verhindert hat, könnte aber das Konzept zur Vollendung des Turms werden, wenn wir Verwirrung und Sprache nicht wörtlich, sondern im übertragenen Sinn verstehen.
Die Unterschiede zwischen Denkweisen, die Spannungen zwischen Konzepten, die Diskrepanz der Meinungen werden zu Planungskonzepten der Architektur, die die Welt nicht im schönen Glanz verlügen, sondern zeigen, wie sie ist: Jeder hat Recht, aber nichts ist richtig.
Die Rolle des Architekten wird sich in der Zukunft dramatisch verändern. Denn wenn Architekten weiterhin in vorauseilendem Gehorsam ihren verinnerlichten Zwängen folgend alles schön finden, was dumme Investoren von ihnen verlangen, werden sie zu Facility-Managern degradiert werden oder es wird sie nicht mehr geben. Dann wird das Feld frei für zukünftige Strategiedenker, die dann nicht mehr an die Unsterblichkeit durch ihre Bauten glauben. Das „Forever young“ - für immer jung - hätte dann seine Gültigkeit verloren.
Wir haben es oft genug behauptet und wiederholen es auch heute gerne: Architektur ist Kunst. Diesen Anspruch gibt es schon lange, und besonders ausgeprägt ist er in der Architekturgeschichte von Wien. Die barocke Auffassung der Gestalt ist vielen Wiener Architekten eigen, wobei Gestalt nicht Form ist, sondern der Abdruck einer Idee im Material. Golem.
Diese Idee und die Träger dieser Idee zu schützen, zu fördern und ihnen Respekt zu verschaffen, diese Forderung richte ich an Sie, Herr Staatssekretär. Sie dürfen nicht zulassen, dass die moderne Kunst und damit die zeitrichtige Architektur im Bierzelt von einer Sprache, die an primitiver Aggression nichts zu wünschen übrig lässt, verhindert wird.
Das Fremde suchen
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie als Sprecher gegen die pragmatisierte Mittelmäßigkeit Österreichs auftreten und dass das Bekenntnis, dass Architektur im Mittelpunkt des Kulturprogramms der Regierung steht, nicht Lippenbekenntnis ist.
Ich möchte mir wünschen, dass Sie die österreichischen Architekten und Künstler unterstützen, die provinziellen Grenzen Österreichs endgültig zu verlassen. Denn wir suchen das Fremde, den unsicheren Grund und die Verschiedenheit. Und das - befürchten wir - wird hier bald nicht mehr zu finden sein.
In der Architektur gelten vor allem auch ästhetische Kriterien; eine Veränderung der Ästhetik - und die Pflicht jedes Architekten ist die Veränderung - wird daher als politischer Angriff auf bestehende Denk- und Sehgewohnheiten gesehen.
Die Profession des Architekten verlangt daher heute begleitende Strategien, die den Marktkonzepten der Popkultur ähnlich sind. Nämlich den Künstler, den Erfinder, den Kreator als Star in den Vordergrund zu stellen. Denn nur der so genannte Stararchitekt kann noch Einfluss nehmen auf die Veränderung und Weiterentwicklung der Architektur in unserer Express-yourself-Society. Eine Gesellschaft, die sich von Tag zu Tag mehr entsolidarisiert.
Das Team Coop Himmelblau gibt es aber seit über 30 Jahren. Und seit über 30 Jahren haben wir standhaft unseren Namen verteidigt. Himmelblau und jetzt zu Recht Himmelbau.
Himmelblau. Kein Name für ein Architektenteam? Nicht, wenn man nur die Farbe meint.
Aber Himmelblau ist nun mal keine Farbe. Sondern die Idee, Architektur veränderbar wie Wolken zu machen.
Wir befinden uns hier im Gasometer B, in der Rockhalle, einem für uns sehr wichtigen Projekt.
Hier in diesem Raum werden Sie jetzt fragen, wo sind sie denn nun, die Wolken? - Haben Sie Geduld mit uns, wir arbeiten daran. Der Stephansdom wurde auch nicht an einem Tag gebaut und der Turm von Babel erst gar nicht vollendet. Aber auf Breughels Gemälde Der Turm von Babel sieht man auf der rechten Seite des Bildes eine Wolke, die wohl andeuten soll, dass der Turm den Himmel fast erreicht hätte. Und ich denke, dass es die Aufgabe der Architekten unserer Zeit sein muss, dieses hätte in ein hat zu verwandeln.
Die Verwirrung der Sprache, die die Fertigstellung des Turms verhindert hat, könnte aber das Konzept zur Vollendung des Turms werden, wenn wir Verwirrung und Sprache nicht wörtlich, sondern im übertragenen Sinn verstehen.
Die Unterschiede zwischen Denkweisen, die Spannungen zwischen Konzepten, die Diskrepanz der Meinungen werden zu Planungskonzepten der Architektur, die die Welt nicht im schönen Glanz verlügen, sondern zeigen, wie sie ist: Jeder hat Recht, aber nichts ist richtig.
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