Artikel
Zwischen Tradition und Moderne
Eine Polemik zwischen Ost und West dominiert die slowakische Architektur der 1990er Jahre.
16. Januar 2001 - Henrieta Moravčíková
So beobachtet man auf der einen Seite die Trends in den Architekturzentren Westeuropas, wendet sich aber auf der anderen Seite gern den Traditionen des Ostens, dem Mystizismus und der Narration zu.
Beide Positionen wurden nach dem revolutionären Umbruch von 1989 zur treibenden Kraft im Architekturdiskurs und sind es paradoxerweise bis heute geblieben. In den vergangenen Jahren konnte man nur marginal ein strategisches Neudenken der Architektur beobachten, meist mit Bezug zu Beispielen aus den Niederlanden oder Amerika.
Pendeln zwischen bekannten Polen
Die slowakische Architektur reagiert auf die Komplexität der sozialen und kulturellen Umstände mit einer Reduktion der Formen, um das „Projekt Moderne“ weiterzuentwickeln oder neu zu definieren. Diese Strömung wird als „Neuer Realismus“, „Neue Sachlichkeit“ oder Minimalismus bezeichnet und steht zweifellos unter Einfluss aus dem Westen. Ihr zentraler Standort ist Bratislava, das industrielle wie kulturelle Zentrum des Landes.
Neben dieser universalen (oder besser universalisierenden) Haltung fällt aber vor allem die Suche nach einer neuen regionalen oder nationalen Identität auf, die den einzigartigen Charakter einer Zeit oder einer Region in den Vordergrund rückt. In der Realität bedeutet dies das Aufgreifen und die Weiterentwicklung eines „alten“ Regionalismus, der in der europäischen Architektur seit dem 19. Jahrhundert vorhanden ist. Diese regionalistischen Bemühungen stehen in engem Kontext zu den einzelnen Landstrichen und ihren Zentren. Geografisches Zentrum der bekannten Position einer organisch-regionalistischen Architektur ist die ostslowakische Stadt Koaice.
Minimalismus versus „strategische“ Architektur
Neue, in der Slowakei generierte Ideen, haben wenig Einfluss auf die Weltarchitektur, aber Ideen aus dem Ausland wurden im Land oft adaptiert und überdacht. Auch heute ist die Situation nicht anders: Oftmals werden Trends künstlich adaptiert oder es werden dabei nur formale Aspekte reflektiert. Davon einmal abgesehen, regt jedoch diese Haltung und die Offenheit gegenüber äußeren Einflüssen zumindest die Auseinandersetzung mit der restlichen Welt und eine Diskussion über neue Themen an.
Die europäische Diskussion
Die Diskussion über die Formulierung einer Strategie wurde in der Slowakei hauptsächlich über das Entwerfen und weniger über das Bauen angeregt, denn gebaute Projekte sind rar und oftmals nur Zufallsprodukte.
Diese Arbeiten reflektieren temporäre und offene Lösungen. Unter den gebauten Werken, die diese Haltung verfolgen, findet man zum Beispiel Häuser wie das Feriendomizil in Potô? oder Küche und Speisesaal der jüdischen Gemeinde in Bratislava, aber auch interaktive „Boxen“ wie das „Folding Cottage“ - ein „ausklappbares“ Haus in Senec oder autistische „Boxen“ wie das Einfamilienhaus in Stupava.
Alle diese Arbeiten bezeugen das Interesse für neue, ad hoc entwickelte Technologien und suchen nicht-standardisierte architektonische Lösungen in einer geschlossenen Beziehung zu Landschaft und Benutzer. Dennoch muss man erkennen, dass diese Lösungen nur in wirklich kleinen Projekten umgesetzt werden.
Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Zum einen könnte es sein, dass mit diesem Ansatz größere oder komplexere Aufträge kaum realisierbar sind; oder aber, dass die Probleme mit dem relativ jungen Alter der Architekten zusammenhängen, weil sie noch keine größeren Projekte gebaut haben. Zu betonen ist auch, dass diese Art des Bauens gewöhnlich von der Allgemeinheit, aber auch von vielen Architekten in der Slowakei nicht akzeptiert wird.
Obwohl diese Richtung wahrscheinlich nie zum „Main Stream“ avancieren wird, ist ihre Haltung eine Antwort auf die Konfusion der Ideen in der slowakischen Architektur.
[Henrieta H. Moravcíková
geboren 1963 in Bratislava. Als Wissenschaftlerin leitet sie die Abteilung Architektur am Institut für Bauwesen der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava. Seit 1997 ist sie Chefredakteurin der Zeitschrift Arch. Henrieta H. Moravcíková publizierte mehrere Monographien über zeitgenössische slowakische Architekten, Studien und Kritiken zur Architektur des 20. Jahrhunderts und kuratierte zahlreiche Ausstellungen.]
Beide Positionen wurden nach dem revolutionären Umbruch von 1989 zur treibenden Kraft im Architekturdiskurs und sind es paradoxerweise bis heute geblieben. In den vergangenen Jahren konnte man nur marginal ein strategisches Neudenken der Architektur beobachten, meist mit Bezug zu Beispielen aus den Niederlanden oder Amerika.
Pendeln zwischen bekannten Polen
Die slowakische Architektur reagiert auf die Komplexität der sozialen und kulturellen Umstände mit einer Reduktion der Formen, um das „Projekt Moderne“ weiterzuentwickeln oder neu zu definieren. Diese Strömung wird als „Neuer Realismus“, „Neue Sachlichkeit“ oder Minimalismus bezeichnet und steht zweifellos unter Einfluss aus dem Westen. Ihr zentraler Standort ist Bratislava, das industrielle wie kulturelle Zentrum des Landes.
Neben dieser universalen (oder besser universalisierenden) Haltung fällt aber vor allem die Suche nach einer neuen regionalen oder nationalen Identität auf, die den einzigartigen Charakter einer Zeit oder einer Region in den Vordergrund rückt. In der Realität bedeutet dies das Aufgreifen und die Weiterentwicklung eines „alten“ Regionalismus, der in der europäischen Architektur seit dem 19. Jahrhundert vorhanden ist. Diese regionalistischen Bemühungen stehen in engem Kontext zu den einzelnen Landstrichen und ihren Zentren. Geografisches Zentrum der bekannten Position einer organisch-regionalistischen Architektur ist die ostslowakische Stadt Koaice.
Minimalismus versus „strategische“ Architektur
Neue, in der Slowakei generierte Ideen, haben wenig Einfluss auf die Weltarchitektur, aber Ideen aus dem Ausland wurden im Land oft adaptiert und überdacht. Auch heute ist die Situation nicht anders: Oftmals werden Trends künstlich adaptiert oder es werden dabei nur formale Aspekte reflektiert. Davon einmal abgesehen, regt jedoch diese Haltung und die Offenheit gegenüber äußeren Einflüssen zumindest die Auseinandersetzung mit der restlichen Welt und eine Diskussion über neue Themen an.
Die europäische Diskussion
Die Diskussion über die Formulierung einer Strategie wurde in der Slowakei hauptsächlich über das Entwerfen und weniger über das Bauen angeregt, denn gebaute Projekte sind rar und oftmals nur Zufallsprodukte.
Diese Arbeiten reflektieren temporäre und offene Lösungen. Unter den gebauten Werken, die diese Haltung verfolgen, findet man zum Beispiel Häuser wie das Feriendomizil in Potô? oder Küche und Speisesaal der jüdischen Gemeinde in Bratislava, aber auch interaktive „Boxen“ wie das „Folding Cottage“ - ein „ausklappbares“ Haus in Senec oder autistische „Boxen“ wie das Einfamilienhaus in Stupava.
Alle diese Arbeiten bezeugen das Interesse für neue, ad hoc entwickelte Technologien und suchen nicht-standardisierte architektonische Lösungen in einer geschlossenen Beziehung zu Landschaft und Benutzer. Dennoch muss man erkennen, dass diese Lösungen nur in wirklich kleinen Projekten umgesetzt werden.
Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Zum einen könnte es sein, dass mit diesem Ansatz größere oder komplexere Aufträge kaum realisierbar sind; oder aber, dass die Probleme mit dem relativ jungen Alter der Architekten zusammenhängen, weil sie noch keine größeren Projekte gebaut haben. Zu betonen ist auch, dass diese Art des Bauens gewöhnlich von der Allgemeinheit, aber auch von vielen Architekten in der Slowakei nicht akzeptiert wird.
Obwohl diese Richtung wahrscheinlich nie zum „Main Stream“ avancieren wird, ist ihre Haltung eine Antwort auf die Konfusion der Ideen in der slowakischen Architektur.
[Henrieta H. Moravcíková
geboren 1963 in Bratislava. Als Wissenschaftlerin leitet sie die Abteilung Architektur am Institut für Bauwesen der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava. Seit 1997 ist sie Chefredakteurin der Zeitschrift Arch. Henrieta H. Moravcíková publizierte mehrere Monographien über zeitgenössische slowakische Architekten, Studien und Kritiken zur Architektur des 20. Jahrhunderts und kuratierte zahlreiche Ausstellungen.]
Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at
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