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Der Garten als Bühne
Neue Zürcher Zeitung

Die Zürcher Landschaftsarchitekten Rotzler und Krebs

In elfjähriger Zusammenarbeit entwarfen die Zürcher Landschaftsarchitekten Stefan Rotzler und Matthias Krebs verspielt-humorvolle Gärten für Ausstellungen und Bildungszentren, aber auch sparsam-strenge Hof- und Umgebungsgestaltungen für Geschäftshäuser und hainartige Aussenräume für Wohnanlagen und Privathäuser.

2. März 2001 - Suzanne Kappeler
Seine Diplomarbeit hatte Stefan Rotzler über das Zürcher Kasernenareal geschrieben, eine attraktive, gegenwärtig durch provisorische Gefängnisbauten beeinträchtigte Grünfläche inmitten der Stadt. Danach erhielt er einen Auftrag, der sein weiteres Werk nachhaltig beeinflussen sollte: Ernst Cramer, ein grosser Erneuerer der Schweizer Landschaftsarchitektur der Nachkriegszeit, gab 1980 dem jungen Gestalter Gelegenheit, sein letztes Werk zu vollenden. Nach Cramers Tod begann Rotzler dessen Nachlass aufzuarbeiten und betätigte sich gleichzeitig beim Zürcher Gartenbauamt als Freiraumplaner. Seit 1982 führt er ein eigenes Büro und arbeitet seit 1990 mit Matthias Krebs zusammen. Einer breiteren Öffentlichkeit machte sich Rotzler 1986 mit dem Irrgarten auf der Zuschauerterrasse des Flughafens Zürich Kloten bekannt. An einem Drahtgeflecht aus rechtwinklig aneinander stossenden Labyrinthgängen rankten sich Efeu und verschiedene Clematisarten empor. Wie in der Barockzeit dient der Irrgarten der Zerstreuung und dem Amusement der Besucher und lässt etwas von den «schildkrötenartigen Topiaries» erahnen, die Rotzler und Krebs 1992 in drei Innenhöfen eines Bürohauses in Winterthur verwirklichten. Ein Skelett aus Metallrippen überwölbt die ellipsenförmigen mit Buchs und Eibe gestalteten Pflanzenkörper und lässt sie ebenso futuristisch wie verspielt erscheinen.


Pflanzenbänder und offene Flächen

Nicht zuletzt im vergleichsweise kleinen Raum des Einfamilienhausgartens lassen sich die Gestaltungsgrundzüge von Landschaftsarchitektur ablesen. Das Privathaus Hunziker in Dietikon liegt auf einem flachen, gegen den nahen Wald steil abfallenden Grundstück. Der von Rotzler und Krebs kürzlich fertiggestellte Garten breitet sich als offene Fläche wie eine Bühne vor dem Wohnzimmer aus, lediglich unterbrochen von wenigen Pflanzbeeten, einem Schwimmbad und zwei Skulpturen. Ein dichter Grüngürtel aus laubabwerfenden und immergrünen Sträuchern, davor ein elegant geschwungener Saum aus Gräsern und Farnen fassen die Rasenfläche ein. Wie Requisiten liegen die Pflanzbeete im Gras beziehungsweise im Kies, gerahmt von breiten Sandsteinbändern und parallelen Reihen aus geschnittenem Buchs als Dekorationselement. Die sparsame Inszenierung schafft Blickachsen und leitet das Auge zu den eingestreuten Pflanzenthemen. Auf einer tiefer liegenden Ebene nehmen Rhododendronsträucher in einer Kiesfläche das Thema der Pflanzbeete wieder auf. Solche Tröge und Beete spielen im Werk der Landschaftsarchitekten eine nicht unwesentliche Rolle, sie lassen sich mosaikartig zusammenfügen oder strukturieren als farbige Punkte eine monochrome Fläche.

Die im vergangenen Jahr fertiggestellte Umgebungsgestaltung des Bildungszentrums eines Versicherungskonzerns am Zürichberg stellte Rotzler und Krebs vor eine weit komplexere Aufgabe, bestehen die verschiedenen Gebäudeteile doch aus den denkmalgeschützten Bauten der ehemaligen Bircher-Benner-Klinik und einem geschwungenen modernen Betonbau, der sich gegen eine Terrasse mit Wasserbecken und einen neu zu gestaltenden Garten öffnet. Der trichterförmig abfallende Hang, der entlang des Wolfbaches mit dem dazugehörenden Waldgürtel verläuft, inspirierte sie zu hangparallelen Gestaltungselementen (Baumreihen mit Birken und kastenförmig geschnittenen Linden), aber auch zu konkav und konvex geschwungenen Hainbuchenhecken. Farbig gerahmte Öffnungen zwischen den Hecken, die wie «knallige Bonbons» im strengen Grün wirken, weisen auf die Vorliebe für skulpturale Gestaltungselemente und auf den spielerischen Umgang mit Assoziationen und Versatzstücken. Hecken und Tore schaffen Enge und Weite, Spazier- und Meditationsräume. Im Naturraum Garten thematisieren sie die absolute Künstlichkeit und schaffen Übergänge und Spannungen, verbinden Horizontalen und Vertikalen.

Im oberen Teil der Anlage, zwischen dem ehemaligen Klinikbau und der Arztvilla, integrieren die Landschaftsarchitekten sorgfältig die Spuren der Vergangenheit in ihre Gestaltung, so bleiben ein hölzerner Pavillon und ein Gedenkstein ebenso an ihrem Platz wie majestätische alte Nadelbäume. Dazwischen schwingen sich aus der Rasenfläche imposante, in Metall gefasst Tröge empor, die mit ihrer Bepflanzung farbige Flecken bilden und eine strukturierende Wirkung haben. Ihre mehr oder weniger stark geneigte Oberfläche parodiert gleichsam die Hanglage des Grundstücks und nimmt das Bühnenthema wieder auf.


Räumliche Verschachtelungen

Bei der Neugestaltung von Plätzen und Gärten um die Suva-Rehabilitationsklinik im aargauischen Bellikon versuchten die Landschaftsarchitekten mit subtilen, ineinander verzahnten Pflanzenteilen, mit spiegelnder Wasserfläche, Baumreihen, verschiedenen Kiesflächen, Hecken- und Grasbändern die massige Architektur aufzubrechen. Die 1998 fertiggestellte Anlage wird vor ihrer Eingangsfront von einem «Platz im Platz», einer von einem Wasserband gefassten Insel, geprägt. Ein Lichtband entlang des Beckens sorgt für nächtliche Effekte. Der mit schattenspendenden Schnurbäumen bepflanzte innere Hof dient gleichzeitig als sommerliche Cafeteria. Die Terrassen vor den einzelnen Klinikteilen prägen verschiedene, teils teppichartig verwobene, teils in rhythmischen Streifenmustern angelegte Gärten, während auf der Gebäuderückseite die offene Spielwiese den Blick in die Landschaft lenkt. Entlang des Gebäudes verläuft ein Band aus Pampasgras und Chinaschilf, den beiden «Ikonen des Einfamilienhausgartens aus den fünfziger Jahren», die in Massen angepflanzt sehr wirkungsvoll sind. «Verrückte, unmögliche Pflanzenthemen fordern uns heraus», meint Matthias Krebs und verweist auf die mit Erdbeerstauden unterpflanzten Eschen oder den von kriechendem Wacholder überwachsenen Treppenlauf.

Einen andern Umgang mit dem Freiraum zwischen Gebäudeteilen zeigen die hainartigen Baumpflanzungen beim Wohnpark Melchrüti in Wallisellen. Die verschiedenen Baumarten stehen zum Teil sehr nahe an den Häusern und ergeben ein verschlungenes, zufällig und natürlich wirkendes Muster. Steinerne Terrassenmäuerchen und Schlängelwege erschliessen diesen «heiligen Hain», dem etwas archaisch Wildes und südländisch Heiteres anhaftet.

Rotzler und Krebs lieben es, mit Versatzstücken zu spielen, gängige Sehgewohnheiten in Frage zu stellen - etwa mit ihrem «Schweizer Garten» auf der Internationalen Gartenausstellung von 1999 in Zürichs chinesischer Partnerstadt Kunming oder mit dem Projekt «Augenweide» für die Bundesgartenschau in Potsdam 2001. Potsdam als vom grossen Peter Joseph Lenné im 19. Jahrhundert geprägtes Gartenreich forderte zu einem humorvollen Umgang mit dem historischen Erbe heraus, inspirierte Rotzler und Krebs zu einer künstlerischen Verfremdung traditioneller Weidewirtschaft. Die Bornstedter Feldflur, auf der die «Augenweide» inszeniert wird, wird durch farbige Weidezäune und grasende Tiere wie Schafe, Pferde und Kühe zu einer unspektakulären Kulturlandschaft gestaltet. «Denn erst die Tiere machen die Feldflur zu einer belebten Landschaft», glaubt Rotzler und verweist auf die englischen Landschaftsgärten, in denen weidende Tiere zur Inszenierung der Landschaft gehören.

Stefan Rotzler und Matthias Krebs schöpfen bei ihren Landschaftsgestaltungen aus dem Fundus der Traditionen, gehen indes mit dem Überlieferten frei um und übertragen es in eine zeitgemässe Bildsprache, die sie spielerisch und variantenreich zu präsentieren verstehen. Ihre Gärten und Interventionen in der Landschaft bleiben deshalb stets lebendig, erstarren nicht in einem einmal gefundenen Formenschatz.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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