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Das Parlament als Urhütte
Wettbewerb für ein neues Landtagsgebäude in Vaduz
6. April 2001 - Beat Aeberhard
Seit die Anzahl Abgeordneter des Liechtensteinischen Landtags 1985 von 15 auf 25 Mitglieder erhöht wurde, herrscht im Regierungsgebäude in Vaduz akute Raumnot. Schon 1987 war deshalb ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben worden, den der Tessiner Luigi Snozzi für sich entscheiden konnte. Sein Projekt fand 1993 vor der Bevölkerung aber keine Gnade. Immerhin wurde Luigi Snozzis vorausschauender städtebaulicher Ansatz, der die Planung einer Hangfussbebauung vorsah, um die vom Hang des Schlosswaldes bedrängten Bauten freizuspielen und dadurch Platz für das Landtagsgebäude zu gewinnen, als rechtsgültiger Überbauungsplan genehmigt. Auf dieser Grundlage beschloss der Landtag 1998 den Bau eines neuen Landtagsgebäudes und einer unterirdischen Parkgarage auf einem zwischen dem Regierungsgebäude und dem Landesmuseum liegenden Freiraum. Zur Erlangung von Projektvorschlägen liess die Regierung des Fürstentums Liechtenstein einen offenen Wettbewerb im Präqualifikationsverfahren ausschreiben, als dessen Resultat das Projekt von Hansjörg Göritz aus Hannover nun prämiert und zur Ausführung empfohlen wurde.
Der Wettbewerb zeigt ein homogenes und seltsamerweise zugleich heterogenes Bild der 31 eingereichten Arbeiten: Während etliche Büros - darunter auch bekannte Deutschschweizer - die vielfach bereits totgesagte Kiste vorschlugen, lieferten vor allem deutsche Teilnehmer alle denkbaren Möglichkeiten tektonischer Kubaturen ab. Hansjörg Göritz' Vorschlag überrascht zunächst mit einer etwas eigenartigen Erscheinung. Der 42-jährige Hannoveraner spricht vom «Hohen Haus», was durchaus wörtlich gemeint ist: Ein steil über dem Saal aufragendes Satteldach weckt Assoziationen an die menschliche Urbehausung. Ein langer Schlitz im Dachfirst beleuchtet den 18 Meter darunter liegenden Saal. Der hohe Dachkörper läuft Gefahr, als Sakralbau missdeutet zu werden. Andererseits birgt der Landtagssaal das Potenzial, die urtümliche Kraft einer von Ruhe und Licht durchfluteten elementaren Baukunst à la Louis Kahn zu evozieren.
Göritz setzt den auf einem trapezförmigen Grundriss aufgebauten Plenarsaal an die nördliche Kante des Perimeters. Östlich schliesst er einen Flügel an, der in seiner Volumetrie Snozzis Überbauungsplan eines befestigten Hangfusses folgt und die Fraktions- und Büroräume sowie eine Bibliothek enthält. Der Trakt bindet unmittelbar an die Erweiterung des Landesmuseums an, die zurzeit gebaut wird. Dieser Übergang stellt die eigentliche Knacknuss dar. Das Architektenteam Brunhart, Brunner und Kranz aus Balzers formulierte die Erweiterung des Landesmuseums als eine in den Hang integrierte Stützmauer. Göritz hingegen stellt seinen Flachbau vor den Hang und trennt ihn durch einen «Lichtgraben» vom Schlossberg, um eine rückwärtige Belichtung der Räume zu schaffen. Unverständlich formalistisch wirkt die dem Riegel platzseitig vorgestellte geschwungene Fassade, welche die archetypische Grundform des Landtagskörpers schwächt.
Die Stärken des Projekts liegen in seiner städtebaulichen Ausformulierung und der gelungenen Trennung der einzelnen Funktionen. Die schlüssige und angemessene Anordnung der einzelnen Teile im Kontext verspricht ein Ensemble, das der gewachsenen Struktur des Städtle - einer historischen Reihung von Einzelbauten - gerecht wird. Zwischen dem Regierungsgebäude und dem Eingang zum Landtagssaal entsteht ein überzeugender Hof. Viele der eingereichten Projekte scheiterten gerade bei der Bewältigung der städtebaulichen Ausgangslage. Vorschläge, die den gesamten Freiraum besetzen, erschrecken mit übertriebenem Imponiergehabe und lassen eine identitätsbildende Haltung im urbanistischen Umfeld und im architektonischen Ausdruck vermissen. Zu oft verweisen Rasterfassaden eher auf noble Verwaltungsbauten international tätiger Multis als auf eine repräsentative Volksvertretung. Göritz überzeugt auch in dieser Hinsicht: Dach und Wände sollen innen wie aussen in Sichtmauerwerk aus Ziegeln ausgeführt werden. Der Norddeutsche will ein ihm vertrautes Material verwenden, um sein Gebäude farblich in die bestehende historische Umgebung einzufügen.
Knapp in den Details, prägnant in der Form und stimmig hinsichtlich einer elementaren Raumbildung, unterstreicht das Projekt die besondere Nutzung des Hauses. Die Vorgaben sind ehrgeizig, und Göritz hat die Messlatte hoch angesetzt: Bereits im Frühjahr 2002 soll mit dem 32 Millionen Franken teuren Bau begonnen werden, und 2005 soll er eingeweiht werden.
Der Wettbewerb zeigt ein homogenes und seltsamerweise zugleich heterogenes Bild der 31 eingereichten Arbeiten: Während etliche Büros - darunter auch bekannte Deutschschweizer - die vielfach bereits totgesagte Kiste vorschlugen, lieferten vor allem deutsche Teilnehmer alle denkbaren Möglichkeiten tektonischer Kubaturen ab. Hansjörg Göritz' Vorschlag überrascht zunächst mit einer etwas eigenartigen Erscheinung. Der 42-jährige Hannoveraner spricht vom «Hohen Haus», was durchaus wörtlich gemeint ist: Ein steil über dem Saal aufragendes Satteldach weckt Assoziationen an die menschliche Urbehausung. Ein langer Schlitz im Dachfirst beleuchtet den 18 Meter darunter liegenden Saal. Der hohe Dachkörper läuft Gefahr, als Sakralbau missdeutet zu werden. Andererseits birgt der Landtagssaal das Potenzial, die urtümliche Kraft einer von Ruhe und Licht durchfluteten elementaren Baukunst à la Louis Kahn zu evozieren.
Göritz setzt den auf einem trapezförmigen Grundriss aufgebauten Plenarsaal an die nördliche Kante des Perimeters. Östlich schliesst er einen Flügel an, der in seiner Volumetrie Snozzis Überbauungsplan eines befestigten Hangfusses folgt und die Fraktions- und Büroräume sowie eine Bibliothek enthält. Der Trakt bindet unmittelbar an die Erweiterung des Landesmuseums an, die zurzeit gebaut wird. Dieser Übergang stellt die eigentliche Knacknuss dar. Das Architektenteam Brunhart, Brunner und Kranz aus Balzers formulierte die Erweiterung des Landesmuseums als eine in den Hang integrierte Stützmauer. Göritz hingegen stellt seinen Flachbau vor den Hang und trennt ihn durch einen «Lichtgraben» vom Schlossberg, um eine rückwärtige Belichtung der Räume zu schaffen. Unverständlich formalistisch wirkt die dem Riegel platzseitig vorgestellte geschwungene Fassade, welche die archetypische Grundform des Landtagskörpers schwächt.
Die Stärken des Projekts liegen in seiner städtebaulichen Ausformulierung und der gelungenen Trennung der einzelnen Funktionen. Die schlüssige und angemessene Anordnung der einzelnen Teile im Kontext verspricht ein Ensemble, das der gewachsenen Struktur des Städtle - einer historischen Reihung von Einzelbauten - gerecht wird. Zwischen dem Regierungsgebäude und dem Eingang zum Landtagssaal entsteht ein überzeugender Hof. Viele der eingereichten Projekte scheiterten gerade bei der Bewältigung der städtebaulichen Ausgangslage. Vorschläge, die den gesamten Freiraum besetzen, erschrecken mit übertriebenem Imponiergehabe und lassen eine identitätsbildende Haltung im urbanistischen Umfeld und im architektonischen Ausdruck vermissen. Zu oft verweisen Rasterfassaden eher auf noble Verwaltungsbauten international tätiger Multis als auf eine repräsentative Volksvertretung. Göritz überzeugt auch in dieser Hinsicht: Dach und Wände sollen innen wie aussen in Sichtmauerwerk aus Ziegeln ausgeführt werden. Der Norddeutsche will ein ihm vertrautes Material verwenden, um sein Gebäude farblich in die bestehende historische Umgebung einzufügen.
Knapp in den Details, prägnant in der Form und stimmig hinsichtlich einer elementaren Raumbildung, unterstreicht das Projekt die besondere Nutzung des Hauses. Die Vorgaben sind ehrgeizig, und Göritz hat die Messlatte hoch angesetzt: Bereits im Frühjahr 2002 soll mit dem 32 Millionen Franken teuren Bau begonnen werden, und 2005 soll er eingeweiht werden.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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