Artikel

Bewohnbare Mutanten
Neue Zürcher Zeitung

Eine Ausstellung in Berlin

NOX ist kein reguläres Architekturbüro. Es ist ein Medienlabor. Die Architektur ist nur ein Ausdrucksmittel. Dazu kommen Videos, Zeitschriften, Websites und Installationen. Das lässt sich gegenwärtig in der Berliner Galerie Aedes West erleben. Zu sehen sind dort nämlich bis zum 23. Mai fünf Projekte des niederländischen NOX-Gründers Lars Spuybroek. Eine eindrucksvolle Demonstration konzeptueller Entwurfspraxis auf der Höhe des aktuellen Architekturdiskurses ist das. Etwa der «D-Tower», eine an einen Fragebogen im Internet gekoppelte Konstruktion, die sich entsprechend den Gefühlen der Befragten wandelt. Oder die geschwungenen Formen der Wohnhäuser in «Off the Road - 5 speed», die sich aus der Schallentwicklung der angrenzenden Autobahn ergeben. Spuybroek hat hier Bewegung in Architektur übersetzt. Eine Entwurfstechnik, die die Nähe zum Dekonstruktivismus offenbart. Doch wo dieser bisher unreflektierte Dynamik aus einer schal gewordenen Ordnungslogik herausfilterte und sie in Formexplosionen zelebrierte, schwellen Spuybroeks Gebäude ungebremst entlang computersimulierter Kräfte. Spuybroek versucht den alten Gegensatz zwischen Natur und Kultur aufzuweichen. Der Computer als demiurgischer Automat, der die ihm eingegebenen Daten in einer Endlosschleife permutiert, ersetzt den zeichnenden Architekten als Formfinder. Die quellenden Formphantasien von NOX sind wohl für das Gen-Zeitalter das, was Le Corbusiers «Wohnmaschinen» für das mechanisch-technische Zeitalter waren: eine Symbolform, in der sich Technik, Träume und Traumata der Gegenwart abbilden.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: