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Kosmopolitin zwischen Tradition und Moderne
Der Standard

Ein Porträt zum 95. Geburtstag der Architektin Anna-Lülja Praun.

Anna-Lülja Praun spricht selten und nur ungern über ihr Werk, das im Laufe vieler Jahrzehnte entstand und neben Häusern, Wohnungs- und Geschäftseinrichtungen vor allem eine große Anzahl von Möbeln umfasst, die auf ganz besondere Weise Tradition und Moderne in sich vereinen. Obwohl ihre Arbeit in den letzten fünfzehn Jahren - spät, aber doch - durch Ausstellungen und Publikationen bekannt wurde und große Anerkennung fand, glaubt sie immer noch, „maßlos“ überschätzt zu werden, und weist immer wieder darauf hin, in ihrem Leben doch nur „Selbstverständliches“ gemacht zu haben.

Ganz im Sinn von Josef Frank, der einmal sagte „Eine gute Einrichtung ist das Ergebnis eines guten Geschmackes und hat nichts mit Kunst zu tun“, macht sie von ihrer eigenen Arbeit wenig Aufhebens und lenkt die Gespräche viel lieber auf andere Architekten wie etwa ihren Mann Richard Praun, Josef Frank oder Eileen Gray, die irische Architektin, die - lange vergessen - eines ihrer besonderen Vorbilder ist und über deren Arbeit sie die erste Ausstellung organisierte, die 1970 in der Akademie (der heutigen Universität) für angewandte Kunst in Wien stattfand.

Mithilfe dieser Gespräche über andere und anderes gewinnt man schließlich Einblick in ihre Arbeit und ihr interessantes Leben.

Als Tochter einer russischen Ärztin und des bulgarischen Verlegers Boris Simidoff 1906 in St. Petersburg geboren, verbrachte sie ihre ersten drei Lebensjahre im noch zaristischen Russland. Später zog die Familie nach Bulgarien, wo Anna-Lülja 1924 maturierte. Da sie neben ihren Muttersprachen Russisch und Bulgarisch auch noch Deutsch beherrschte, das sie von ihrer österreichischen Erzieherin und in der Schule lernte, entschloss sie sich, ins Ausland zu gehen.

Die Technische Hochschule in Graz erfreute sich damals eines besonders guten Rufs, also schrieb sie sich dort bei Professor Zotter und Wunibald Deininger ein - als einzige Frau unter lauter männlichen Architekturstudenten. Zwischen 1930 und 1936 arbeitete sie, noch während ihres Studiums, im Atelier Herbert Eichholzers, der zuvor ein Jahr lang bei Le Corbusier volontiert hatte und zu den wichtigsten Vertretern der Avantgarde in der Steiermark gehörte. Aufgrund ihrer Freundschaft zum politisch stark engagierten und von den Nazis verfolgten Eichholzer, mit dem sie zu dieser Zeit auch zusammenlebte, wurde sie für eine Nacht verhaftet und musste ihr Studium unterbrechen; Eichholzer wurde 1943 als Widerstandskämpfer hingerichtet.

Noch vor Abschluss ihres Studiums bekam Anna-Lülja die Gelegenheit, im Atelier Clemens Holzmeisters am Wettbewerb für das Parlament in Ankara und am Projekt für das Salzburger Festspielhaus mitzuarbeiten. Dort lernte sie auch ihren späteren Mann Richard Praun kennen.

Nach Studienende 1939 verließ die Architektin Graz und ging über Berlin und Paris nach Bulgarien zurück. Hier arbeitete sie ein Jahr lang bei der bulgarischen Eisenbahndirektion und wechselte dann in die Direktion für den Wasserverkehr, wo sie bis März 1942 blieb. In diesem Jahr verließ sie Bulgarien wieder, um in Wien den Architekten Richard Praun zu heiraten, er leitete zu dieser Zeit das Wiener Atelier Petersen. Noch im selben Jahr kam ihre Tochter Svila zur Welt. Obwohl die beiden den gleichen Beruf ausübten, arbeiteten sie während ihrer Ehe kaum jemals architektonisch zusammen. Die wenigen Ausnahmen waren die Einrichtung des Speisezimmers der österreichischen Botschaft in Ankara, ein Städtebauwettbewerb der türkischen Stadt Izmir und die eigene Wohnungseinrichtung. Natürlich bekam sie auch Anregungen durch ihren Mann, der aus einer traditionsreichen Wiener Tischlerfamilie stammte und als Schüler Oskar Strnads die Wiener Kunstgewerbeschule besucht hatte; durch ihn kam sie vor allem mit der dort gelehrten Wiener Wohnraumgestaltung in Berührung.

Nach der Trennung von Richard Praun führte sie ihr eigenes Atelier weiter. 1953 begann sie in dem von Josef Frank gegründeten Einrichtungshaus „Haus und Garten“ zu arbeiten, um es in seinem Sinn gemeinsam mit Lea Calice bis 1958 weiterzuführen. „Haus und Garten“ trug von seinen Anfängen Mitte der Zwanzigerjahre bis zum Ende seines Bestehens wesentlich dazu bei, einen Möbel- bzw. Wohnstil, der auch über Österreichs Grenzen hinaus als der „wienerische“ bekannt wurde, herauszubilden. In dieser Geschäftsinstitution gab es auch einige ihrer eigenen Möbel zu kaufen; es waren vor allem Kleinmöbel, die aufgrund ihrer Flexibilität mit wenigen Handgriffen besonderen Bedürfnissen gerecht wurden und durch ihre Schlichtheit bewiesen, dass gute Form zeitlos ist.


Eines der Prinzipien Anna-Lülja Prauns besagt, dass „die Form so lange gültig bleiben muss, solange das Material hält“. Edles und dauerhaftes Material findet sie in kostbaren Hölzern, Leder und Stahl, sie verwendet gerne Silber, Alpaka und Messing.

„Versessen auf Steine“, wie sie von sich selbst sagt, liebt sie es, in ihre Möbel Halbedelsteine und Ammoniten einzubauen. So entstehen etwa ungewöhnliche Tischplatten und steinintarsierte Kastentüren. Durch ihre subtile Materialkenntnis kombiniert sie in bis dahin ungekannter Weise, wobei sie auch verstärkt mit kräftigen Farben und Farbkontrasten arbeitet. Anna-Lülja Prauns Einrichtungen entstehen nicht unter dem Diktat eines Stiles. Sie empfindet sich als Handwerkerin und wäre, wie sie selbst behauptet, nicht in der Lage, nur über den Intellekt an eine Aufgabe heranzugehen. Vielmehr möchte sie den Auftrag durch die Persönlichkeit des Bauherrn mitgeprägt sehen. Nur dadurch sei es möglich, auf die jeweiligen Bedürfnisse und Vorlieben des Einzelnen einzugehen. Daher ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für ihre Arbeit der menschliche Kontakt zum Auftraggeber. Es verwundert nicht, dass aus dieser Zusammenarbeit oft lebenslange Freundschaften entstehen. Kommt der Kontakt nicht so zustande, wie er für sie notwendig ist, zieht sie es vor, den Auftrag abzulehnen.

In ihrem jahrzehntelangen Schaffen sah sich Anna-Lülja Praun verschiedensten Aufgaben gegenübergestellt, in denen jedoch ihre Maximen, die Transparenz der Räume und die Klarheit der Linien, durchwegs erkennbar sind. Sie hatte das Glück, ihre Bauherrn - unter ihnen Künstler wie Alfred Brendel, György Ligeti, Gudrun Baudisch, Ärzte wie Joseph Böck, Peter Brücke, Parusch Tscholakoff, Unternehmer wie Wolfgang Denzel, Franz Sailer, Hermann Anders und Harald Schrack - immer wieder für höchste Qualität begeistern zu können und Handwerker zu finden, deren Perfektion ihren Qualitätsansprüchen gerecht wurde. Sucht man nach einer Beschreibung des Werkes der Architektin Anna-Lülja Praun, die auch heute noch trotz ihres hohen Alters voll Vitalität an neue Aufgaben und Aufträge herangeht, drängt sich ein Satz aus der Laudatio von Johannes Spalt auf, die er anlässlich der Verleihung des Preises der Stadt Wien an sie im Jahr 1980 gehalten hat: „Sie ist eine der letzten wirklichen Könnerinnen auf dem Gebiet der Raumkunst, der Möbelgestaltung, die Fortsetzerin einer Tradition, die mit den Namen Loos, Strnad, Frank und vieler anderer verbunden ist.“


[Die Ausstellung „Anna-Lülja Praun - Werk- und
Lebensschau der Architektin zum 95. Geburtstag“ ist noch bis 24. 5. im Haus Wittgenstein, Parkgasse 18, 1030 Wien, von 9 bis 17 Uhr zu sehen.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog von Lisa Fischer u. Judith Eiblmayr: „Anna-Lülja Praun. Möbel in
Balance“, öS 290,-. Verlag Anton Pustet.]

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