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Warum nicht von der Stange?
Warum nicht von der Stange?, Foto: Krismer/Waldhart
Warum nicht von der Stange?, Foto: Juan Navarro Baldeweg
Spectrum

Trotz einer aktiven Architekturszene und Bauaufgaben wie dem Stadion, Museen und der Mehrzweckhalle auf dem Messegelände bleiben Salzburg bei öffentlichen Großprojekten Erfolge versagt. Die Baugeschichte des neuen Kongreßhauses läßt die Gründe ahnen.

18. August 2001 - Christian Kühn
Manche Gebäude sind stumm, andere sind geschwätzig, nur ganz wenige singen. Wer am neuen Salzburger Kongreßhaus vorbeikommt, wird unwillkürlich an diese Unterscheidung aus Paul Valérys Dialog „Eupalinos, oder der Architekt“ erinnert. Viel stummer kann ein Gebäude kaum sein: ein kantiges Ensemble aus prismatischen Körpern, das trotz aller Verglasungen wenig einladend wirkt. Wer sich vom Großkaufhaus-Ambiente der Fassaden nicht abschrecken läßt und das Haus betritt, ist angesichts mancher Details und Materialkombinationen froh, daß es zumindest an Fluchtwegen nicht fehlt.

Interessanter als das Gebäude ist seine Vorgeschichte. 1992 war in einem Gutachterverfahren das Projekt des spanischen Architekten Juan Navarro Baldeweg zur Ausführung empfohlen worden, ein räumlich raffinierter Entwurf mit polygonaler Außenhaut, von oben belichteter Erschließungshalle und einem Saal, der von einer außergewöhnlichen, diagonal geführten Konstruktion getragen wird. Räumlich, konstruktiv und in der äußeren Erscheinung hätte nach diesem Entwurf eines der raren „singenden“ Gebäude entstehen können.

Zwei Jahre lang entwickelte Baldeweg sein Projekt weiter, bis der Gemeinderat 1995 auf Betreiben des VP-Klubobmanns Erwin Klemm mit knapper Mehrheit beschloß, ihm den Auftrag zu entziehen. Die Kosten des Projekts von 440 Millionen Schilling (32 Millionen Euro) seien zu hoch, die Auskragungen der Obergeschoße in den Hofgarten würden den Bebauungsbestimmungen widersprechen, außerdem fehle es dem Projekt an Fluchttreppen. Friedrich Brandstätter, einer der Preisträger aus dem ursprünglichen Verfahren, erhielt den Auftrag, sein Projekt baureif zu machen.

Aber nicht er allein: Die Hypo-Bank Niederösterreich als Bauträger bildete mit dem Salzburger Büro Zipperer eine Arbeitsgemeinschaft für die Projektsteuerung, garantierte für die Kosten und eine Fertigstellung im Sommer 2000 - für die öffentliche Hand allem Anschein nach eine Ideallösung, bei der sie die Verantwortung in finanzkräftige Hände auslagern konnte. Im Dezember 1997 geschah freilich etwas Unerwartetes: Die ARGE kündigte Brandstätter den Architektenvertrag, weil er durch verspätete Planlieferung die rechtzeitige Fertigstellung des Projekts gefährde. Brandstätters Sicht der Dinge sieht anders aus: Schon im Frühjahr 1997 habe er der ARGE empfohlen, den Entwurf noch vor der Einreichung der Salzburger Altstadt-Sachverständigenkommission vorzulegen. Dies sei jedoch mit dem Hinweis, die Kommission werde sich bei einem Projekt dieser Dringlichkeit dem politischen Willen beugen, nicht erfolgt. Als die Kommission am bereits eingereichten Projekt Veränderungen forderte, waren Umplanungen erforderlich, die den Projektverlauf verzögerten. Nachdem die ARGE in Brandstätter einen Schuldigen gefunden hatte, beauftragte sie den Architekten Ernst Maurer aus Hollabrunn, dessen zu etwa 70 Prozent abgeschlossene Planung fertigzustellen und die Bauaufsicht zu übernehmen.

Ein Protest namhafter österreichischer Architekten - unter anderem Volker Giencke, Rüdiger Lainer, Laurids Ortner und Helmut Richter - bei den verantwortlichen Politikern blieb ohne Erfolg: Wie die ARGE das Projekt umsetze, sei schließlich ihre Sache. Unter den Händen Maurers reifte der Entwurf zu jenem traurigen Ergebnis, das heute in Salzburg zu sehen ist. Wo die technoide Ästhetik Brandstätters einer perfekten Umsetzung bedurft hätte, regiert hier die grobe und im Zweifelsfall überzogene Lösung. Die absurde Pointe der Geschichte: Die Fertigstellung des Gebäudes war um fast ein Jahr verspätet, und die Kosten lagen mit knapp über 700 Millionen Schilling deutlich über den ursprünglich geplanten 529 Millionen.

Man könnte annehmen, daß eine solche Erfahrung die Verantwortlichen veranlassen sollte, die Kontrolle über Großprojekte nicht an finanzkräftige Bauträger mit zweifelhafter Sachkompetenz auszulagern.

Umso befremdlicher ist es, daß in Salzburg bei einem weiteren Großprojekt ein ähnlicher Weg eingeschlagen wurde. Ähnlich wie beim Kongreßhaus spielt auch in diesem Fall eine bankennahe Firma, die Sabfinanz, als Baumanager eine zentrale Rolle. Vor einem Jahr konnten sich die Wiener Architekten Krismer und Waldhart in einem Wettbewerb für die Mehrzweckhalle auf dem Salzburger Messegelände gegen Konkurrenten wie Massimiliano Fuksas und Betrix/Consolascio durchsetzen. Heute haben sie den Auftrag an das nicht am Wettbewerb beteiligte deutsche Großbüro KSP-Engel und Zimmermann verloren, das eine bereits in Braunschweig errichtete Veranstaltungshalle für Salzburg adaptieren wird.

Daß es so weit kommen konnte, hat mehrere Ursachen, unter anderem, daß die Halle auf einem inzwischen neu erworbenen, rund 100 Meter entfernten Grundstück errichtet wird. Der Hauptgrund ist aber die Tendenz, Gebäude entweder von bekannten Stararchitekten planen zu lassen oder eben risikominimierend von der Stange zu kaufen. Krismer, der immerhin mit der Eishalle in Wien-Kagran (zusammen mit Müller und Berger) sein Talent für große Bauaufgaben bewiesen hat, war dieser Mentalität gegenüber chancenlos. Noch während er seinen Entwurf für den neuen Standort adaptierte, besuchten die Bauherrn bei einer Exkursion die Braunschweiger Halle und beschlossen, dieses Muster für Salzburg zu übernehmen. KSP bot Krismer und Waldhart vorerst an, die Behördenwege für sie in Salzburg zu erledigen; nachdem der Gestaltungsbeirat vermittelnd eingegriffen hatte, zeichnete sich als Kompromiß eine Projektpartnerschaft ab.

D ie aber daran scheiterte, daß Krismer die Federführung im Entwurf beanspruchte und sich nicht von vornherein auf eine ovale Halle festlegen wollte. - Und der Wettbewerb? Obwohl zu je einem Drittel im Eigentum des Landes, der Stadt und der Wirtschaftskammer, sieht sich die SAZ, die Salzburger Ausstellungszentrum G.m.b.H., nicht an die Vergaberichtlinien für den öffentlichen Sektor gebunden und hat den Auftrag direkt an KSP vergeben.

Abgesehen vom negativen Signal für die Wettbewerbskultur: Daß sich die mächtigen Männer im SAZ-Aufsichtsrat, unter anderem Bürgermeister Schaden und Wirtschaftskammerpräsident Gmachl, mit einer Kopie zufriedengeben, statt für das bestmögliche Original zu kämpfen, läßt für Salzburgs Architektur wenig Gutes erwarten.

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