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New Britain - und ein Architekt
Neue Zürcher Zeitung

Ausstellung Norman Foster im Londoner British Museum

11. August 2001 - Georges Waser
Für den englischen Stararchitekten Norman Foster hat sich der Londoner Sommer gut angelassen. Nicht nur soll seine «schwankende» Fussgängerbrücke über die Themse, derentwegen er von der Presse seines Landes stark kritisiert worden war, bald begehbar sein: Gegenwärtig würdigt ihn das British Museum sogar mit einer grossen Show. Diese, «Exploring the City: The Foster Studio», ist mit Modellen, Plänen, ja Stücken des jeweils verwendeten Baumaterials ein anschaulicher Katalog jener Arbeiten, denen Foster seine internationale Reputation dankt - also spielen in der Ausstellung die Commerzbank in Frankfurt, der Chek-Lap-Kok-Flughafen in Hongkong, das Carré d'Art in Nîmes, der Berliner Reichstag, aber auch die Chesa Futura in St. Moritz eine Rolle.

Ebenso wie übrigens verschiedene Projekte, will doch Foster - sein Ehrgeiz ist ebenso gross wie sein architektonischer Output - als ein Baukünstler mit Visionen verstanden werden. - Mit der Ausstellung in der Wellcome Gallery des British Museum ist der Architekt denkbar gut bedient: Der Weg des Besuchers führt nämlich direkt durch den von Foster spektakulär verwandelten Innenhof (NZZ 9. 12. 00). «Si monumentum requiris, circumspice», heisst es auf dem Grab des grossen Christopher Wren. Ähnlich wie Wren, der London nach dem Feuer von 1666 ganze 51 neue Kirchen bescherte, darunter die St.-Pauls-Kathedrale, möchte sich auch Norman Foster verewigt sehen - dass also, wer Fosters Andenken sucht, sich in der Themsestadt eines Tages einzig umzusehen braucht. Deshalb wohl auch liebt Foster den Ausspruch, seine Architektur sei «all about the city» - und deshalb wohl auch der Titel der gegenwärtigen Ausstellung: «Exploring the City». In der Tat ist Foster im Begriff, die Londoner Skyline mehr zu verändern als irgendein Architekt seit Wren. Interessant ist diesbezüglich eine Parallele zu der Regierung Blair. Diese beansprucht für sich das Image jener dynamischen modernen Welt, der sich Foster verschrieb, als er vor 35 Jahren zu arbeiten begann. In Fosters Architektur spiegelt sich der Traum von New Labour: New Britain. Festzuhalten bleibt, dass die Regierung Blair sich Fosters Vision aneignete - und nicht umgekehrt.

Die Projekte in der Wellcome Gallery veranschaulichen die, wie es ein britischer Journalist formulierte, «Fosterification» Londons. Da ist, vornehmlich, Fosters Vision für den Trafalgar Square: Das Projekt sieht vor, dass dieser Platz auf der Nordseite verkehrsfrei werden soll und somit die von der National Gallery hinunterführenden Stufen direkt in einer zur Promenade einladenden Piazza enden. Ein anderes, von der Fosterification «bedrohtes» nationales Heiligtum ist das Wembley Stadium. Wie ein Eisberg dehnt sich Fosters Modell für ein neues Stadion grossenteils unter der Oberfläche aus - was heisst, dass ein Star wie Michael Jackson seinen Fans künftig leicht, also ohne Helikopter, zu entrinnen vermöchte. Und dennoch wäre dieses in einem Vorort der Stadt gelegene Stadion von der Kuppel der St.-Pauls-Kathedrale aus sichtbar. Foster liebt es eben, Akzente zu setzen. Ein solcher Akzent, vielmehr ein Symbol, ist sein in der Londoner City als Hauptquartier der Swiss Reinsurance Company entstehender Bau in der Form eines riesigen Tannzapfens - inspiriert, wie die Ausstellung verdeutlicht, an Fosters für den Hafen von Tokio geplantem Millennium Tower.

Seit Foster Mitglied des britischen Oberhauses wurde, insistiert er auf die ihm dadurch zustehende Anrede: Lord Foster of Thames Side. Der Titel verpflichtet - und nachdem Foster mit seiner unsicheren Brücke den Beweis für eine Verbundenheit mit der Londoner Flusslandschaft vorerst schuldig geblieben ist, doppelt er jetzt mit Projekten von Battersea im Westen bis zum Tower of London im Osten nach. Zwar überzeugt das erstere, das Albion Riverside Project, nicht vollständig - man denkt vor dem Modell an den gelegentlich gehörten Vorwurf, Fosters Bauten bekomme die Präsenz menschlicher Wesen nicht. Sein Tower-Place-Projekt hingegen gefällt: Nicht nur werden durch dieses, indem es einen 16-stöckigen Bau ersetzt, die historischen Zugänge zum Tower und gar die Sicht auf die St.-Pauls-Kathedrale von den flussabwärts gelegenen Vororten frei - wie ein zärtlicher Arm fast lehnt es sich an die Kirche All Hallows mit ihrer auf das römische Londinium zurückgehenden Krypta. Last, but not least: Das Symbol für die Metropole eines New Britain ist Fosters Modell für das lang erwartete Hauptquartier der Greater London Authority: jener einem Auge ähnliche, der Sonneneinstrahlung wegen nach hinten lehnende Glaspalast, aus dem Londons Bürgermeister über Themse und Stadt hinweg blicken wird. Fosters Pläne und Modelle reden von Offenheit und Energie - es ist zu hoffen, dass dies Eigenschaften der neuen Greater London Authority sind.


[Bis 7. Oktober. Kein Katalog.]

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