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Prägnante Baukörper
Neue Zürcher Zeitung

Junge Schweizer Architekten

Arbeiten der Zürcher B. E. R. G. Architekten

3. Oktober 2003 - Peter Omachen
Allen Unterschieden zum Trotz haben die Bauten des Zürcher Büros B. E. R. G. Architekten eines gemeinsam: Sie treten in wenig definierten räumlichen Situationen als markante Baukörper auf. Die eigenwilligen Gebäudeformen resultieren aus überraschenden Reaktionen auf die vielfältigen Zwänge des Bauens.

Das architektonische Entwerfen ist eine stete Gratwanderung zwischen den Wünschen und Bedürfnissen der Bauherrschaft einerseits und der eigenen gestalterischen Absicht andererseits. Bei vielen anspruchsvollen Bauten beschleicht den Betrachter jedoch die Vermutung, dass die Architekten in erster Linie ihren eigenen formalen Vorlieben gefolgt sind. Mehr noch: Einige scheinen es geradezu als Qualitätsausweis zu verstehen, wenn ihre Bauten einem breiten Publikum unverständlich bleiben. Sibylle Bucher, Christoph Elsener und Michel Rappaport sind solcherlei Allüren fremd. Die drei zwischen 1962 und 1965 geborenen Architekten haben sich während ihres Studiums an der ETH Zürich kennen gelernt und 1995 nach einem gemeinsam gewonnenen Projektwettbewerb das Büro B. E. R. G. Architekten gegründet. Der Name des Büros setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Gründungsmitglieder zusammen, wobei einer der Partner das Team mittlerweile verlassen hat. Doch auch in der verbliebenen Dreierkonstellation erarbeitet es seine Lösungen im stetigen Dialog.


Formen und Materialien

Von oben flutet das Tageslicht durch eine gaubenartige Ausstülpung in das blaue Treppenhaus. Der eindrucksvolle Raum wird seit wenigen Wochen von den Kindern des Schulhauses Mattenhof in Zürich Schwamendingen belebt. Das Treppenhaus bildet das Herzstück eines räumlich komplexen innern Erschliessungssystems, mit dem der klar strukturierte Neubau im terrassierten Gelände der Schulanlage aus den fünfziger Jahren verankert ist. Seine Formen und Materialien erweisen sich als Neuinterpretation der bestehenden Bauten: von den prägnanten Dachaufbauten über die aus der Fassadenebene hervortretenden grossformatigen Fenster bis hin zum grobkörnigen Putz. Die architektonische Haltung der Entwerfenden verdeutlicht sich in den Details: Der kostengünstige grobe Kellenwurf der Fassaden entwickelt beim Beschreiten des Geländes ein faszinierendes Wechselspiel, denn die Gebäudeseiten sind alternierend hell- und dunkelgrau grundiert; und die vorstehenden Spitzen des Putzes wurden nochmals im jeweils anderen Farbton gestrichen. Damit verändert sich je nach Blickwinkel die Wahrnehmung des Hauses. Mit wenig Aufwand wurde hier eine faszinierende Wirkung erzielt.

Ein weiteres Charakteristikum der Arbeiten von B. E. R. G. Architekten liegt in dem Bestreben, den Baukörpern eine markante eigenständige Form zu geben. Besonders deutlich wird dies beim vor drei Jahren ausgeführten Umbau eines Zürcher Coiffeursalons, wo Empfang, Warteraum und Arbeitsplätze in einem einzigen, frei im Raum stehenden Möbelstück integriert sind. Das diagonal placierte Objekt entwickelt mit seinen vornehmlich in Grautönen gehaltenen Buchten und Ausstülpungen ein Eigenleben und lenkt geschickt von der vorgegebenen, monotonen Raumhülle ab.


Vom Innenausbau zum Städtebau

Ein anderes Werkbeispiel ist der im Jahr 2001 vollendete Um- und Erweiterungsbau eines Einfamilienhauses in Zürich Wollishofen. Das für einen Ausbau zu niedrige Satteldach wurde durch ein neues, flachgedecktes Geschoss ersetzt. Der neue S-förmige Baukörper resultiert aus der geschickten Auslegung der Bauvorschriften. Er sitzt flächenbündig auf den darunter liegenden Fassaden und scheidet über dem quadratischen Grundriss des Altbaus zwei gleich grosse, in entgegengesetzte Richtungen orientierte Dachterrassen aus. Während die bestehenden Fassaden weiss gestrichen sind, erhielt das neue, attikaartig aufgesetzte Geschoss eine braune Holzvertäfelung. Der Eindruck des umgebauten Hauses an der Strassenkreuzung oszilliert zwischen der Erinnerung an ein biederes, dunkel eingedecktes Einfamilienhaus und einer massstabslosen, dynamischen Skulptur, die der Bedeutung ihrer städtebaulichen Position gerecht wird.

Wer nun vermutet, B. E. R. G. Architekten hätten sich bisher nur mit eher kleinen Bauaufgaben beschäftigt, der irrt: Über 100 Millionen Franken kosteten die ersten beiden Etappen des Business- Parks «Swing» in Wallisellen. Die drei schräg geschnittenen gläsernen Baukörper an der Autobahn, in Arbeitsgemeinschaft mit AGPS Architecture entworfen und von einem Totalunternehmer ausgeführt, schaffen in der heterogenen Umgebung des Glattzentrums einen neuen Ort mit starker Identität. Sie fügen sich damit trotz ihrer kolossalen Grösse nahtlos in das bisherige Werk des vielseitigen Zürcher Architekturbüros ein. Dieses wird von Auftraggebern und Benutzern gleichermassen geschätzt, auch wenn es seine Gebäude nicht in erster Linie auf ein gefälliges Erscheinungsbild hin konzipiert. Bei aller Nüchternheit verkörpern diese einen kreativen Umgang mit den Zwängen des Bauens, aus dem eigenständige und klare Lösungen entstehen.


[Sibylle Bucher, Christoph Elsener und Michel Rappaport stellen ihre Arbeiten am 8. Oktober um 18 Uhr 30 im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor.]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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