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Soziale Grenzen für den freien Markt

Wohnen
Wer Wohnen nur als Ware betrachtet, stellt die sozialen Grundlagen unserer Gesellschaft infrage, hieß es beim 17. Standard-Symposium über die „Zukunft des Wohnens“. Doch für Liberalisierungen mit Augenmaß sei in Österreichs Wohnwirtschaft noch viel Platz.
17. Oktober 2003 - Eric Frey
Österreichs geförderter und gemeinnütziger Wohnbau steht mehr unter Druck als je zuvor: Der Finanzminister verkauft die Wohnungen und Wohnbaugesellschaften im Bundesbesitz und will im nächsten Finanzausgleich ab 2006 die Kürzung der Wohnbauförderung um ein Drittel durchsetzen. Für neoliberale Vorkämpfer wie Karl-Heinz Grasser ist Wohnen eine normale Ware, die man am besten dem freien Markt überlässt.
Doch für die große Mehrheit der Vertreter gemeinnütziger Bauträger, Architekten, Banker und Wohnexperten, die sich am vergangenen Dienstag zum 17. Wohnsymposium des STANDARD trafen, das sich dem Spannungsfeld zwischen Marktwirtschaft und sozialen Bedürfnissen widmete, ist Wohnen weit mehr: ein Grundrecht, dessen Qualität und Verfügbarkeit den Charakter der Gesellschaft verändert. Wer kein Handy hat, mag sich als arm empfinden, ist aber nicht unbedingt chancenlos. Schlechte Wohnbedingungen aber schaden der Gesundheit, erhöhen die Kriminalität, gefährden die Jugend und verhindern den Nachwuchs. „Slums statt Kinder“ - auch davor könnte eine Ministerin einmal warnen.
Falle Subjektförderung
Eine Politik, die „Wohnen nur von den Zahlen her betrachtet“, warnte Karl Wurm, Verbandsobmann der österreichischen Gemeinnützigen, werde ihrer Verantwortung nicht gerecht. In die gleiche Kerbe schlugen Wirtschaftsprofessor Ewald Nowotny und Heide Schmidt, die ehemalige Chefin des Liberalen Forums: Wohnraum sei zumindest kurzfristig begrenzt, und eine völlig deregulierte Baupolitik würde langfristig weitaus größere soziale Kosten hervorrufen, als sie kurzfristig einspart. Zahlreiche Redner und Diskutanten warnten vor der Falle, die Wohnbauförderung durch eine reine Subjektförderung - also Wohnbeihilfen für sozial Bedürftige - zu ersetzen: Dies mache das System noch teurer, warnte Wurm, und führe zur Bildung sozial unverträglicher Unterschichts- und Ausländergettos. Schmidt plädierte für eine Wohnpolitik, die sich flexibel zwischen Subjekt- und Objektförderung bewegen kann.
Doch in der Debatte auf dem Symposium mit dem Titel „Die Wohnung als Ware: Gesichert oder verkauft“, die von der Zeitschrift Wohnen Plus, dem Wohnservice Wien und erstmals auch der Immo-Bank AG gesponsert wurde, zeigte sich, dass eine Mitbeachtung sozialer Anliegen nicht Reformstopp bedeuten muss. So stellte der deutsche Immobilienmanager Volker Riebel dar, wie in Deutschland 120.000 Wohnungen aus ehemaligem Bundesbesitz aus sozialverträgliche Weise privatisiert wurden und die Bildung von Eigentum die Wohnbedingungen für Tausende ehemalige Mieter verbessert hat. Und Thomas Malloth, Präsident der Immobilientreuhänder in Österreich, wies auf die zahlreichen unfairen Verzerrungen durch die bestehende Wohnpolitik hin, die vor allem zulasten der Jungen gehen. Auch er trat für den Fortbestand einer Wohnbauförderung ein, denn diese sei die „Wiedergutmachung dessen, was wir im Markt falsch machen“. Doch diese müsse sich wieder ihrer Kernkompetenzen besinnen und denen zufließen, die sie brauchen.
Konzeptloser Verkauf
Ob Deutschland als Vorbild für die Grassersche Privatisierungspolitik dient, wurde allseits bezweifelt. Der Verkauf der Wohnungen durch die Bundesimmobiliengesellschaft BIG und von fünf bundeseigenen Wohnbaugesellschaften werde übereilt und konzeptlos durchgeführt, kritisierte Wurm.
Auch das Primat des Eigentums wurde von vielen infrage gestellt: Eigentum im mehrgeschoßigen Wohnbau behindere Sanierungsentscheidungen, warnte Malloth: „Eine Gesellschaft, die sich nur mit Eigentümern beschäftigt, bereitet mir Sorgen.“ Für viele Familien sei Eigentum ohne Förderungen ohnehin unerschwinglich. Der Salzburger Wohnbau-Landesrat Othmar Raus wies auf die Probleme hin, die sich beim Verkauf von Eigentum unter Zeitdruck stellen: Oft könnten die Gelder, die über Jahre hineingesteckt wurden, nicht mehr erlöst werden.
Auch anderswo ergeben sich immer öfter Schnittstellen zwischen sozialem Wohnbau und freiem Markt - etwa, wenn private Immobilieninvestoren geförderte Wohnbauprojekte erwerben. Wie man dann den Zweck der Förderung erhalten kann, wenn eine börsennotierte AG als Eigentümer fungiert, ist eine Herausforderung für die Politik. Und Zehntausende Österreicher, die brav ihre geförderten Landeskredite zurückzahlen, wissen gar nicht, dass diese gar nicht mehr dem Land gehören. Niederösterreich, Kärnten und Oberösterreich haben einen Teil ihrer Forderungen in Form einer Verbriefung an private Investoren abgetreten, um so ihre Budgetzahlen zu verbessern.
Auch die Vorschläge der traditionellen Tischrunden an die Politik beschäftigten sich zum Großteil damit, eine Balance zwischen sozialer Sicherheit und mehr Markt zu finden. Das beste Instrument dafür bleibt nach Meinung vieler die Wohnbauförderung, die zuletzt selbst von SP-Chef Alfred Gusenbauer infrage gestellt wurde. Dafür hat sein Parteifreund Raus wenig Verständnis: „Ich kann nur an alle appellieren: Hände weg von der Wohnbauförderung.“
Doch für die große Mehrheit der Vertreter gemeinnütziger Bauträger, Architekten, Banker und Wohnexperten, die sich am vergangenen Dienstag zum 17. Wohnsymposium des STANDARD trafen, das sich dem Spannungsfeld zwischen Marktwirtschaft und sozialen Bedürfnissen widmete, ist Wohnen weit mehr: ein Grundrecht, dessen Qualität und Verfügbarkeit den Charakter der Gesellschaft verändert. Wer kein Handy hat, mag sich als arm empfinden, ist aber nicht unbedingt chancenlos. Schlechte Wohnbedingungen aber schaden der Gesundheit, erhöhen die Kriminalität, gefährden die Jugend und verhindern den Nachwuchs. „Slums statt Kinder“ - auch davor könnte eine Ministerin einmal warnen.
Falle Subjektförderung
Eine Politik, die „Wohnen nur von den Zahlen her betrachtet“, warnte Karl Wurm, Verbandsobmann der österreichischen Gemeinnützigen, werde ihrer Verantwortung nicht gerecht. In die gleiche Kerbe schlugen Wirtschaftsprofessor Ewald Nowotny und Heide Schmidt, die ehemalige Chefin des Liberalen Forums: Wohnraum sei zumindest kurzfristig begrenzt, und eine völlig deregulierte Baupolitik würde langfristig weitaus größere soziale Kosten hervorrufen, als sie kurzfristig einspart. Zahlreiche Redner und Diskutanten warnten vor der Falle, die Wohnbauförderung durch eine reine Subjektförderung - also Wohnbeihilfen für sozial Bedürftige - zu ersetzen: Dies mache das System noch teurer, warnte Wurm, und führe zur Bildung sozial unverträglicher Unterschichts- und Ausländergettos. Schmidt plädierte für eine Wohnpolitik, die sich flexibel zwischen Subjekt- und Objektförderung bewegen kann.
Doch in der Debatte auf dem Symposium mit dem Titel „Die Wohnung als Ware: Gesichert oder verkauft“, die von der Zeitschrift Wohnen Plus, dem Wohnservice Wien und erstmals auch der Immo-Bank AG gesponsert wurde, zeigte sich, dass eine Mitbeachtung sozialer Anliegen nicht Reformstopp bedeuten muss. So stellte der deutsche Immobilienmanager Volker Riebel dar, wie in Deutschland 120.000 Wohnungen aus ehemaligem Bundesbesitz aus sozialverträgliche Weise privatisiert wurden und die Bildung von Eigentum die Wohnbedingungen für Tausende ehemalige Mieter verbessert hat. Und Thomas Malloth, Präsident der Immobilientreuhänder in Österreich, wies auf die zahlreichen unfairen Verzerrungen durch die bestehende Wohnpolitik hin, die vor allem zulasten der Jungen gehen. Auch er trat für den Fortbestand einer Wohnbauförderung ein, denn diese sei die „Wiedergutmachung dessen, was wir im Markt falsch machen“. Doch diese müsse sich wieder ihrer Kernkompetenzen besinnen und denen zufließen, die sie brauchen.
Konzeptloser Verkauf
Ob Deutschland als Vorbild für die Grassersche Privatisierungspolitik dient, wurde allseits bezweifelt. Der Verkauf der Wohnungen durch die Bundesimmobiliengesellschaft BIG und von fünf bundeseigenen Wohnbaugesellschaften werde übereilt und konzeptlos durchgeführt, kritisierte Wurm.
Auch das Primat des Eigentums wurde von vielen infrage gestellt: Eigentum im mehrgeschoßigen Wohnbau behindere Sanierungsentscheidungen, warnte Malloth: „Eine Gesellschaft, die sich nur mit Eigentümern beschäftigt, bereitet mir Sorgen.“ Für viele Familien sei Eigentum ohne Förderungen ohnehin unerschwinglich. Der Salzburger Wohnbau-Landesrat Othmar Raus wies auf die Probleme hin, die sich beim Verkauf von Eigentum unter Zeitdruck stellen: Oft könnten die Gelder, die über Jahre hineingesteckt wurden, nicht mehr erlöst werden.
Auch anderswo ergeben sich immer öfter Schnittstellen zwischen sozialem Wohnbau und freiem Markt - etwa, wenn private Immobilieninvestoren geförderte Wohnbauprojekte erwerben. Wie man dann den Zweck der Förderung erhalten kann, wenn eine börsennotierte AG als Eigentümer fungiert, ist eine Herausforderung für die Politik. Und Zehntausende Österreicher, die brav ihre geförderten Landeskredite zurückzahlen, wissen gar nicht, dass diese gar nicht mehr dem Land gehören. Niederösterreich, Kärnten und Oberösterreich haben einen Teil ihrer Forderungen in Form einer Verbriefung an private Investoren abgetreten, um so ihre Budgetzahlen zu verbessern.
Auch die Vorschläge der traditionellen Tischrunden an die Politik beschäftigten sich zum Großteil damit, eine Balance zwischen sozialer Sicherheit und mehr Markt zu finden. Das beste Instrument dafür bleibt nach Meinung vieler die Wohnbauförderung, die zuletzt selbst von SP-Chef Alfred Gusenbauer infrage gestellt wurde. Dafür hat sein Parteifreund Raus wenig Verständnis: „Ich kann nur an alle appellieren: Hände weg von der Wohnbauförderung.“
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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