Artikel
Architektur und Landschaft
Neue Thurgauer Baukunst in der Kartause Ittingen
4. November 2003 - Suzanne Kappeler
Der Kanton Thurgau mit seinen sanften Hügelzügen und der malerischen Seelandschaft wird gerne als vergleichsweise unberührter Erholungsraum wahrgenommen. Dass im Thurgau aber auch gebaut wird, dass zeitgenössische Siedlungen, Einfamilienhäuser, landwirtschaftliche und öffentliche Gebäude, Fabriken, Verwaltungsbauten und Brücken entstehen, zeigen eine Ausstellung in der Kartause Ittingen und ein Buch, welches das Thurgauer Bauen im 20. Jahrhundert beleuchtet. In der mit Baubeschreibungen, Fotografien, Karten sowie einem Gebäude- und Ortsverzeichnis ausgestatteten Publikation gibt Martin Steinmann, Professor an der ETH Lausanne, einen Überblick über die wegweisenden Architekturen der vergangenen hundert Jahre. So werden etwa die schweren, gebrochenen Dächer bei den Bauten der Jahrhundertwende als Ausdruck einer an die Landschaft angepassten Architektur verstanden, aber auch festgehalten, dass das Neue Bauen schon in den dreissiger Jahren im Thurgau Einzug hielt, etwa mit dem innovativen Betonhaus des Architekten Ernst Schindler in Egnach.
Auch moderne Mietshäuser entstanden in dieser Zeit, zum Beispiel die Häuserzeile von Paul Schumacher in Frauenfeld. Am Einfamilienhaus von Plinio Haas, 1958 auf der Ufermauer bei Frasnacht erbaut, fällt bei Fensterwänden und Geschossplatten die Reduktion auf abstrahierende Flächen auf. Einmalig im Thurgau ist das scheibenförmige, auf schrägen Stützen stehende Hochhaus, das Georges-Pierre Dubois 1960 als Apartmenthaus für die Angestellten der Firma Saurer in Arbon erbaute. Als gelungenes Beispiel der Eingliederung in einen städtischen Kontext darf das im Jahre 2000 vollendete Wohn- und Geschäftshaus von Vrendli und Arnold Amsler an der Zürcherstrasse in Frauenfeld gelten. Mit seinen Ein- und Anbauten an der hofseitigen Fassade nimmt es die kleinteilige Struktur der bestehenden Hinterhofbauten auf.
Vermittelt die Publikation einen Überblick über die gesamte Thurgauer Moderne, so präsentiert die Ausstellung in vier ehemaligen Mönchszellen der Kartause Ittingen modellhafte Bauten der letzten zehn Jahre. Jede Zelle ist einem Thema gewidmet. Diese Themen reichen vom «Bauen im Grünen» über «Wohnen auf dem Land» sowie «Kleine und grosse Schulhäuser» bis hin zu «Bauten in der Kleinstadt». Ergänzend zu diesem in sich geschlossenen Ausstellungsteil setzen sich im Korridor drei Fotoessays von Leo Fabrizio, Christa Ziegler und Nicolas Faure mit dem Spannungsfeld von intakter Landschaft und ihrer Nutzung auseinander. Damit zeigt die Schau auf eindrückliche Weise, dass Bauen im Thurgau oft den Bezug eines Baukörpers oder einer Siedlung zur offenen Landschaft bedeutet. So ist das Einfamilienhaus von Cyrill Bischof in Uttwil (2000) direkt am Bodensee gelegen. Der Holzständerbau, der auf einer Betonplatte zu schweben scheint, zeichnet sich durch eine streng gegliederte Fassade aus raumhohen Glasscheiben und Holzlamellen aus.
Zurückhaltend und doch als eigenwilliger, im Innern farbiger Baukörper tritt das Primarschulhaus mit angebauter Mehrzweckhalle von Staufer & Hasler in der dörflichen Struktur von Illighausen auf (1999). Die grau geschindelten Fassaden aus Titan- und Zinkblech sowie die an das Urhaus erinnernde, schnörkellose Form des Satteldachs fügen sich ins gewachsene Ortsbild ein. Ein gelungenes Beispiel für einen öffentlichen Bau ist der «kristalline Solitär» der Empfangsstelle für Asylbewerber in Kreuzlingen von Beat Consoni (2002). Zwischen Bahnlinie und heterogenem Stadtgebiet angesiedelt, strahlt das Bauwerk mit dem geschlossenen Innenhof und den klaren Beton- und Glaslinien eine wohltuende Einheitlichkeit aus. Auskragende Dächer laden im geschützten Aussenraum zum Verweilen ein. - Der mit grossformatigen Fotos, Modellen und Plänen ausgestatteten Schau gelingt es, das Bauen mit all seinen Herausforderungen in einer bald intakten, bald von Verkehrswegen oder industrialisierter Landwirtschaft geprägten Landschaft überzeugend darzustellen.
[Die Ausstellung im Kunstmuseum der Kartause Ittingen dauert noch bis zum 22. Februar 2004. Begleitpublikation: Bauen im Thurgau. Architekturlandschaft des 20. Jahrhunderts. Hrsg. Hochbauamt und Kunstmuseum des Kantons Thurgau. Niggli-Verlag, Sulgen 2003. 272 S., Fr. 58.-.]
Auch moderne Mietshäuser entstanden in dieser Zeit, zum Beispiel die Häuserzeile von Paul Schumacher in Frauenfeld. Am Einfamilienhaus von Plinio Haas, 1958 auf der Ufermauer bei Frasnacht erbaut, fällt bei Fensterwänden und Geschossplatten die Reduktion auf abstrahierende Flächen auf. Einmalig im Thurgau ist das scheibenförmige, auf schrägen Stützen stehende Hochhaus, das Georges-Pierre Dubois 1960 als Apartmenthaus für die Angestellten der Firma Saurer in Arbon erbaute. Als gelungenes Beispiel der Eingliederung in einen städtischen Kontext darf das im Jahre 2000 vollendete Wohn- und Geschäftshaus von Vrendli und Arnold Amsler an der Zürcherstrasse in Frauenfeld gelten. Mit seinen Ein- und Anbauten an der hofseitigen Fassade nimmt es die kleinteilige Struktur der bestehenden Hinterhofbauten auf.
Vermittelt die Publikation einen Überblick über die gesamte Thurgauer Moderne, so präsentiert die Ausstellung in vier ehemaligen Mönchszellen der Kartause Ittingen modellhafte Bauten der letzten zehn Jahre. Jede Zelle ist einem Thema gewidmet. Diese Themen reichen vom «Bauen im Grünen» über «Wohnen auf dem Land» sowie «Kleine und grosse Schulhäuser» bis hin zu «Bauten in der Kleinstadt». Ergänzend zu diesem in sich geschlossenen Ausstellungsteil setzen sich im Korridor drei Fotoessays von Leo Fabrizio, Christa Ziegler und Nicolas Faure mit dem Spannungsfeld von intakter Landschaft und ihrer Nutzung auseinander. Damit zeigt die Schau auf eindrückliche Weise, dass Bauen im Thurgau oft den Bezug eines Baukörpers oder einer Siedlung zur offenen Landschaft bedeutet. So ist das Einfamilienhaus von Cyrill Bischof in Uttwil (2000) direkt am Bodensee gelegen. Der Holzständerbau, der auf einer Betonplatte zu schweben scheint, zeichnet sich durch eine streng gegliederte Fassade aus raumhohen Glasscheiben und Holzlamellen aus.
Zurückhaltend und doch als eigenwilliger, im Innern farbiger Baukörper tritt das Primarschulhaus mit angebauter Mehrzweckhalle von Staufer & Hasler in der dörflichen Struktur von Illighausen auf (1999). Die grau geschindelten Fassaden aus Titan- und Zinkblech sowie die an das Urhaus erinnernde, schnörkellose Form des Satteldachs fügen sich ins gewachsene Ortsbild ein. Ein gelungenes Beispiel für einen öffentlichen Bau ist der «kristalline Solitär» der Empfangsstelle für Asylbewerber in Kreuzlingen von Beat Consoni (2002). Zwischen Bahnlinie und heterogenem Stadtgebiet angesiedelt, strahlt das Bauwerk mit dem geschlossenen Innenhof und den klaren Beton- und Glaslinien eine wohltuende Einheitlichkeit aus. Auskragende Dächer laden im geschützten Aussenraum zum Verweilen ein. - Der mit grossformatigen Fotos, Modellen und Plänen ausgestatteten Schau gelingt es, das Bauen mit all seinen Herausforderungen in einer bald intakten, bald von Verkehrswegen oder industrialisierter Landwirtschaft geprägten Landschaft überzeugend darzustellen.
[Die Ausstellung im Kunstmuseum der Kartause Ittingen dauert noch bis zum 22. Februar 2004. Begleitpublikation: Bauen im Thurgau. Architekturlandschaft des 20. Jahrhunderts. Hrsg. Hochbauamt und Kunstmuseum des Kantons Thurgau. Niggli-Verlag, Sulgen 2003. 272 S., Fr. 58.-.]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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