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Komplexität und Einheitlichkeit
Neue Zürcher Zeitung

Bauten von Samuel Bünzli und Simon Courvoisier

Seit Jahren fallen sie durch Wettbewerbserfolge auf. Jetzt beginnen die beiden jungen Zürcher Architekten Samuel Bünzli und Simon Courvoisier zu bauen. Dank ihrem entwerferischen Können gelingt es ihnen, komplexe Innenräume und äussere Bedingungen mit bestechend klaren Gebäudekonzepten in Übereinstimmung zu bringen.

1. Februar 2002 - Peter Omachen
Kein anderes Schweizer Architektenteam war in den vergangenen Jahren so früh erfolgreich wie die beiden 1966 geborenen Zürcher Samuel Bünzli und Simon Courvoisier. Schon als Studenten gewannen sie zwei grosse Wettbewerbe: 1992 für die Rathauserweiterung in Stans und 1994 für die Berufsschule Schütze in Zürich. Doch der Stanser Entwurf blieb ebenso unausgeführt wie das unter mehr als 270 Eingaben ausgewählte Schulhausprojekt, das sie in Zusammenarbeit mit Alain Roserens entworfen hatten. Der Kanton Zürich als Bauherrschaft setzte nach mehrjähriger Planungsarbeit die Prioritäten seiner Bauvorhaben anders. So arbeiteten Bünzli und Courvoisier in verschiedenen namhaften Schweizer Architekturbüros und als Assistenten an Entwurfslehrstühlen der ETH Zürich, bis sie 1999 ihre Zusammenarbeit erneut verstärkten und auf Anhieb vier weitere Wettbewerbe in Folge gewannen. Drei der erstplacierten Projekte werden gegenwärtig ausgeführt.

Das Primarschulhaus Linden in Niederhasli ist zurzeit im Bau. Es befindet sich am Rand einer bis zu siebengeschossigen Agglomerations-Wohnüberbauung aus den siebziger Jahren. Die Wettbewerbsvorgaben waren streng: Das Schulhaus mit sechs Klassenzimmern sollte in Etappen von jeweils zwei Zimmern erweitert werden können. Die Gebäudekonzeption leitet sich von dieser Forderung ab: Ausgehend von der Turnhalle, die den zweigeschossigen Baukörper zum Ort hin verankert, entwickelt sich das quaderförmige Sichtbetongebäude in einer additiven Reihung gegen die unbebaute Landschaft. Jede Einheit besteht aus zwei Klassenzimmern im Obergeschoss, die über eine dazwischenliegende einläufige Treppe mit der Pausenhalle verbunden sind. Ergänzt werden die Module durch Sanitärzellen und einen rückwärtigen Spezialraum im Erdgeschoss sowie einen von oben belichteten Gruppenraum im Obergeschoss. Die stützenfreie Pausenhalle, die sich unter der einen Klassenzimmerreihe erstreckt, ist durch eine zurückgesetzte Verglasungvom Pausenplatz getrennt. Die räumliche Struktur führt zum konstruktiven Prinzip des Schottenbaus: Das Gebäude wird durch eine Reihe vonstehenden Betonscheiben gehalten, die im Bereich der durchgehenden Pausenhalle acht Metertief ausgeschnitten sind. Die Schulzimmer scheinen als Holzkisten in das statische Gerüst eingeschoben. Durch seine markante Aussenform vermag sich das kleine Gebäude gegen seine mächtige Nachbarschaft zu behaupten, während dieinnere Kleinteiligkeit den Schulkindern Geborgenheit vermittelt.

Kurz vor Baubeginn steht die Wohnsiedlung Hagenbuch in Albisrieden. Auf einer idyllischen Obstwiese am Stadtrand von Zürich entstehen bis ins Jahr 2004 in sechs unterschiedlichen Mehrfamilienhäusern 40 Genossenschaftswohnungen. Von einem Erschliessungskern aus greifen jeweils zwei bis drei Gebäudearme in unregelmässiger Anordnung in die umgebende Parklandschaft. Jeder Arm enthält pro Stockwerk eine Wohnung mit grossem, dreiseitig befenstertem Wohnraum am Ende eines Mittelkorridors. Die Gebäudeformen nehmen Bezug auf ihre Umgebung: Dieeinzelnen Häuser entsprechen der Grösse der angrenzenden Wohnblöcke aus den fünfziger Jahren, die ausgreifenden Flügel korrespondieren mit den benachbarten Einfamilienhäusern, und die verschachtelten Grundrisse und Aussenräume erinnern an den historischen Dorfkern. Die aufgegliederten Grundrisse bewältigen die Problematik der entgegengesetzten Richtung von Besonnung und Aussicht am flachen Nordhang.

Die beiden Projekte nehmen unterschiedliche architektonische Themen auf und spiegeln darin das gesamte Spektrum des bisherigen Schaffens von Bünzli & Courvoisier. Das Primarschulhaus führt das Konzept eines komplexen inneren Erschliessungskörpers zur Vollendung, das dieArchitekten bereits in ihren frühen Wettbewerbserfolgen eingesetzt hatten. Mittlerweile ist esihnen gelungen, die Diskrepanz zwischen der äussern Erscheinung und der inneren Form zu bewältigen. Paradoxerweise führte der Weg dazuüber die vielschichtige Überlagerung verschiedener Themen, die zu einem gemeinsamen, einheitlichen Ausdruck finden. - Zwei kleinere Erstlingswerke sind soeben vollendet worden: ein Laborgebäude für die Universität Zürich Irchel sowiedie Aufstockung eines Einfamilienhauses in Zollikon. Seit zehn Jahren durch ihre Entwürfe bekannt, haben Bünzli& Courvoisier nun den Durchbruch geschafft. Ihr Werdegang zeigt auf, wie schwierig es heute für junge Architekturbüros ist, sich zu etablieren.


[Bünzli & Courvoisier stellen ihre Arbeiten am 6. Februar um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor.]

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