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Gaudí feiern
Neue Zürcher Zeitung

Veranstaltungen zum 150. Geburtstag des grossen Katalanen

2. April 2002 - Markus Jakob
Schlange stehen im triefenden Regen - so hatte man sich seinen Osterausflug nach Barcelona gewiss nicht vorgestellt. Für das zeitweise garstige Wetter konnten die Touristen nichts, die Schlangen jedoch verursachten sie selbst. Die Verantwortlichen des Gaudí-Jahres - der Architekt lebte von 1852 bis 1926 - machen sich auf vier Millionen Besucher bis Dezember gefasst. Eine eigens eingerichtete Gaudí-Buslinie erschliesst die bekanntesten der etwa zwanzig in und um Barcelona verstreuten Bauten des Meisters. Gaudís fast magische Anziehungskraft auf kulturelle Normalverbraucher hat die Tourismusstrategen auf den Plan gerufen; die Zeitung «El País» sprach von «Gaudilatrie», nicht ohne nach Kräften daran mitzuwirken. Ein Stück von dem Geburtstagskuchen abschneiden möchte sich auch Gaudís Geburtsstadt Reus, wo am Geburtstag, dem 25. Juni, ein Gaudí-Spektakel der «Comediants» Premiere hat.

An die zwanzig kleinere und grössere Ausstellungen widmet Katalonien im Lauf des Jahres seinem populärsten Architekten, dessen Rang unbestritten, dessen Einordnung in die Geschichte der Moderne jedoch weiterhin Gegenstand von Debatten ist. So kritisierte Oriol Bohigas zum Auftakt des Jubeljahrs die Verklärung seiner konstruktiven Methoden namentlich durch jene Exegeten, die heute den Weiterbau der Sagrada Familia mit Computerhilfe betreiben. Für Bohigas liegt die eigentliche Bedeutung Gaudís in seinen Raumschöpfungen, «im dramatischen Ausdruck der Volumen» - gleich danach aber insistierte Norman Foster wieder auf dem «noch heute revolutionären» Konstrukteur Gaudí. Einig war man sich darüber, dass er zusammen mit seinen Zeitgenossen Eiffel, Sullivan und Wright den Bruch mit der Tradition vollzogen hat.

Gaudí, der einsame Mystiker und konservative Vorläufer der Moderne, bleibt eine widerspruchsvolle Figur. Aber während den einen seine Heiligsprechung zum «San Gaudí» das höchste Anliegen ist, versuchen ihm andere auf rationale Weise beizukommen. So ist zurzeit unter dem Titel «Gaudí. Experiències» im Saló Tinell die erste wichtige Jubiläumsausstellung zu sehen, eine Veranschaulichung seiner Konstruktionsmethoden. Am 30. Mai eröffnet im CCCB «Gaudí. Entorns»: Hier wird einerseits das Umfeld seiner Arbeit, anderseits deren Einfluss auf die Surrealisten und Expressionisten beleuchtet. Ab 17. Juni zeigt schliesslich «Gaudí. Art y disseny» die handwerklichen Details seines Werks. Schauplatz ist die «Pedrera», deren Renovation vor einigen Jahren ebenso kontrovers war wie die des Park Güell. Dieses Jahr werden nun einige weitere Renovationen zum Abschluss gebracht, darunter die der Krypta Güell. Unter den kaum mehr zu zählenden Publikationen ragen die erstmals in einer kritischen Ausgabe versammelten schriftlichen Aufzeichnungen des Architekten heraus.


[Antoni Gaudí, Escritos y documentos. Hrsg. Laura Mercader. El Acantilado, Barcelona 2002. 332 S., Euro 21.-.]

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