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Israels Bauten der Moderne
Architekturfotos von Günther Förg in Weimar
3. April 2002 - Ursula Seibold-Bultmann
Tel Aviv, Haifa und Jerusalem waren in den dreissiger Jahren des 20. Jahrhunderts Laboratorien der modernen Architektur. Über 130 Architekten, die vor ihrer Emigration aus Europa am Bauhaus in Weimar oder Dessau sowie in Berlin, Brüssel, Paris, Wien und Rom studiert hatten, bauten ganze Strassenzüge in einer den örtlichen Bedingungen angepassten Variante des internationalen Stils. Viele Hunderte dieser Bauten sind erhalten, wenn auch grösstenteils in entstelltem Zustand. Ihren Erbauern galt die Formensprache der Moderne als hoffnungsvolles Zeichen neuen Anfangs, das die Immigranten zugleich mit ihren europäischen Wurzeln verband.
Die Stiftung Weimarer Klassik zeigt derzeit im Schillermuseum die Ergebnisse einer Fotokampagne, die den Künstler Günther Förg im letzten Sommer zu den weiss verputzten Betonbauten dieser Zeit in Tel Aviv sowie zu ihren steinverkleideten Gegenstücken in Jerusalem führte. Im ersten Teil der Schau vermitteln extrem vergrösserte Schwarzweissbilder von Genia Averbouchs kraftvoll dynamisierten Fassaden am Zina Dizengoff Square (1934-49) sowie von Bauten wie Carl Rubins Haus Hadar (1938) oder Salomon Liaskowskis und Jacov Ornsteins frisch renoviertem Apartmentgebäude Recanati-Saporta (1936) dem Betrachter das Gefühl, selbst in Tel Avivs Strassen zu stehen. Ein Stockwerk höher wird Förgs schnelle, serielle, mehr Nähe als Übersicht suchende Arbeitsweise durch doppelreihige Collagen von je zweimal sechs kleineren Fotos dokumentiert.
Leider lässt in der Ausstellung die Beschriftung der Exponate zu wünschen übrig; und der Katalog ist zweifellos als Kunstbuch sehr attraktiv, aber - der Gattung entsprechend - ohne grosse architekturhistorische Ansprüche. Zwei einführende Essays skizzieren summarisch die Bauhaus- Moderne in Israel. Darüber hinaus reichte es jedoch nicht einmal für einen Verweis auf die wichtigsten israelischen Publikationen oder auf Irmel Kamp-Bandaus vorbildliches Buch «Tel Aviv. Neues Bauen 1930-39» (Tübingen 1994). Doch ein Fotobuch mit Kunstanspruch kann wohl auch nicht der Ort sein, wo die Weite des geistigen Horizonts gewürdigt wird, über den die grössten der beteiligten Architekten geboten. Man denkt hier vor allem an Erich Mendelsohn, der über sein Hadassah-Krankenhaus (1934-39) auf dem Mount Scopus in Jerusalem schrieb: «Keiner wird enttäuscht sein, der den Bau im Lichte der monumentalen Strenge und Klarheit der grössten spirituellen Schöpfungen sieht, die dieser Teil der Welt hervorgebracht hat - der Bibel, des Neuen Testaments, des Korans.»
[Bis 14. April in Weimar und ab November 2002 im Tel Aviv Museum of Art. Katalog: Günther Förg Photographs. Bauhaus Tel Aviv - Jerusalem (englisch, deutsch, hebräisch). Hrsg. Politischer Club Colonia. Hatje-Cantz-Verlag, Ostfildern-Ruit 2002. 208 S., 182 Abb., Fr. 61.- (Euro 20.- in der Ausstellung).]
Die Stiftung Weimarer Klassik zeigt derzeit im Schillermuseum die Ergebnisse einer Fotokampagne, die den Künstler Günther Förg im letzten Sommer zu den weiss verputzten Betonbauten dieser Zeit in Tel Aviv sowie zu ihren steinverkleideten Gegenstücken in Jerusalem führte. Im ersten Teil der Schau vermitteln extrem vergrösserte Schwarzweissbilder von Genia Averbouchs kraftvoll dynamisierten Fassaden am Zina Dizengoff Square (1934-49) sowie von Bauten wie Carl Rubins Haus Hadar (1938) oder Salomon Liaskowskis und Jacov Ornsteins frisch renoviertem Apartmentgebäude Recanati-Saporta (1936) dem Betrachter das Gefühl, selbst in Tel Avivs Strassen zu stehen. Ein Stockwerk höher wird Förgs schnelle, serielle, mehr Nähe als Übersicht suchende Arbeitsweise durch doppelreihige Collagen von je zweimal sechs kleineren Fotos dokumentiert.
Leider lässt in der Ausstellung die Beschriftung der Exponate zu wünschen übrig; und der Katalog ist zweifellos als Kunstbuch sehr attraktiv, aber - der Gattung entsprechend - ohne grosse architekturhistorische Ansprüche. Zwei einführende Essays skizzieren summarisch die Bauhaus- Moderne in Israel. Darüber hinaus reichte es jedoch nicht einmal für einen Verweis auf die wichtigsten israelischen Publikationen oder auf Irmel Kamp-Bandaus vorbildliches Buch «Tel Aviv. Neues Bauen 1930-39» (Tübingen 1994). Doch ein Fotobuch mit Kunstanspruch kann wohl auch nicht der Ort sein, wo die Weite des geistigen Horizonts gewürdigt wird, über den die grössten der beteiligten Architekten geboten. Man denkt hier vor allem an Erich Mendelsohn, der über sein Hadassah-Krankenhaus (1934-39) auf dem Mount Scopus in Jerusalem schrieb: «Keiner wird enttäuscht sein, der den Bau im Lichte der monumentalen Strenge und Klarheit der grössten spirituellen Schöpfungen sieht, die dieser Teil der Welt hervorgebracht hat - der Bibel, des Neuen Testaments, des Korans.»
[Bis 14. April in Weimar und ab November 2002 im Tel Aviv Museum of Art. Katalog: Günther Förg Photographs. Bauhaus Tel Aviv - Jerusalem (englisch, deutsch, hebräisch). Hrsg. Politischer Club Colonia. Hatje-Cantz-Verlag, Ostfildern-Ruit 2002. 208 S., 182 Abb., Fr. 61.- (Euro 20.- in der Ausstellung).]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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