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nextroom fragt: Patric Furrer und Andreas Jud
nextroom fragt: Patric Furrer und Andreas Jud © Furrer Jud Architekten

Neu in der nextroom Architekturdatenbank ist das Büro Furrer Jud Architekten aus Zürich. Ihre Projekte haben immer auch einen theoretischen Anspruch. Naheliegend, denn beide Architekten arbeiten im Spannungsfeld von Lehre und Praxis. Patric Furrer und Andreas Jud im Interview mit Martina Pfeifer Steiner

5. September 2017
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?

Bereits im Studium hatten wir festgestellt, dass Denk- und Arbeitsweisen gut zusammenpassen, auch zwischenmenschlich, und wir die gleiche Passion für Architektur teilen. Nach dem Diplom fanden wir eine Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut Konstruktives Entwerfen respektive Institut Urban Landscape der ZHAW (Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) in Winterthur. Bis heute kultivieren wir diesen Austausch zwischen Praxis und Hochschule bewusst. Diesen gemeinsamen Hintergrund empfinden wir als Qualität. Trotz spezifischen Fähigkeiten, pflegen wir keine strikte Arbeitsteilung. Wir arbeiten sehr eng zusammen, beim Entwurf aber auch bei allem andern. Wir haben einen generalistischen Anspruch in unserer Arbeit, obwohl dieser durch die zunehmende regulatorische Dichte und Komplexität immer mehr in Frage gestellt wird. Entwerfen ist für uns etwas Intimes, sehr Persönliches. Wir brauchen dafür einen geschützten Rahmen. Deshalb suchen wir nach längerfristigen Bindungen. Dies gilt für MitarbeiterInnen wie Landschaftsarchitekten und Ingenieure. Gerade in diesen schnelllebigen Zeiten ermöglicht diese Haltung eine langsame, kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Sprache. Seit Studienende realisierten wir auch viele kleinere Projekte. Wir messen unsere Arbeit immer am Gebauten. Die Projektgröße, eine gewisse Unerfahrenheit im Bauprozess und unsere Ansprüche an unsere Arbeit sind in finanzieller Hinsicht nicht immer einfach. Wir halten aber an dieser Denk- und Arbeitsweise fest – auch wenn die Brille des Architekten einiges abverlangt, bleibt der Blick auf die Welt durch sie der schönste.

Was inspiriert Sie?

Die Schaffung von Lebensraum – das primäre Ziel von Architektur – impliziert eine gewisse Komplexität. Architektur wird von der kulturellen Logik einer Zeit durchdrungen. Als Medium macht sie diese Durchdringung für die Gesellschaft sinnlich erfahrbar. In dieser Wirkungsweise, lässt die Komplexität des Entwerfens als Vorgang - der zwischen objektiven und subjektiven Momenten oszilliert -, bei dem Medien und ihre Anwendungen eine wesentliche Rolle spielen, natürlich auch die eigene Biografie und das Unterbewusstsein erkennen. In einer Zeit, die von Rationalität, Ökonomie und Sicherheit geprägt ist, fasziniert uns das Irrationale am Prozess, das Mystische, das zum Schluss doch immer konkret wird, wenn es zur Realisierung kommt. Darum ist die Frage der Inspiration für uns schwierig zu beantworten. Natürlich setzten wir uns intensiv mit der Architekturgeschichte auseinander oder interessieren uns für artverwandte Disziplinen wie Kunst oder Literatur. Doch sind es am ehesten die gemachten Erfahrungen durch Architektur, die kontinuierlich synthetisiert und weiterentwickelt werden.

Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?

Wir sprechen eigentlich nicht von Visionen, eher haben wir Vorlieben oder Interessen. Reale Bedingungen empfinden wir auch nicht als Einschränkung. Für uns bilden sie einen Rahmen in dem wir strategisch operieren können. Begrenzungen werden oftmals zum Katalysator für Themen und beflügeln den Prozess. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass eine aktives Gegenüber, zum Beispiel die Bauherrschaft oder auch LandschaftsarchitektInnen, den Prozess und das Resultat positiv beeinflussen. Voraussetzung dafür ist natürlich ein respektvoller Umgang, ein authentisches Interesse an den Auffassungen, Denk- und Arbeitsweisen des anderen.

Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?

Unser erstes, eine Dorfplatzüberdachung im historischen Zentrum von Avenches, bleibt bis heute prägend. Durch dieses Projekt haben wir die politische Dimension von Architektur direkt erfahren. Der Auftrag für eine Pergola eines Gastronomiebetriebs am Dorfplatz veranlasste uns über die Besitzverhältnisse im öffentlichen Raum nachzudenken. Das Vorhaben des Auftraggebers erschien uns aufgrund der beabsichtigten Einverleibung des öffentlichen Raumes falsch. Wir suchten nach einer Lösung, die allen Akteuren gerecht wird, mit einheitlichem Erscheinungsbild. So konnten wir die Gemeinde für die Überdachung des ganzen Platzes als neue Auftraggeberin gewinnen. Daraus resultierte ein Projektvorschlag mit flexiblen Schirmmodulen, die als freistehende Objekte oder durch Verkettung der einzelnen Elemente zu einer geschlossenen Dachfläche arrangiert werden können. Synchron zum Entwurfsprozess verfolgten wir die Thematik der Entwässerung: das Wasser läuft von der oberen Membran des einen Schirmes über Fugen, die mit Reißverschlüssen gebildet werden in die untere Membran des angrenzenden Schirmes um dann im Masten abgeführt und am Fundamentpunkt in die Kanalisation eingeleitet zu werden. Ohne die Entwicklung spezifischer Konstruktionsdetails wäre die Multifunktionalität, die Voraussetzung für die Partizipation unterschiedlicher Nutzer und Interessen ist, kaum denkbar. Die gesellschaftliche Aneignung und Identifizierung steht also in direktem Zusammenhang mit der Konstruktion – das fasziniert uns bis heute.

Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?

Gute, also relevante Architektur unterliegt in unserem Kulturkreis immer einer Autorenschaft. Aus der Autorenschaft resultiert bei vielen ArchitektenInnen eine starke Identifizierung mit dem eigenen Tun, das zur Folge hat, dass das kollektive Bewusstsein, das es für die Durchsetzung von politischen Interessen der Disziplin brauchen würde, nur schwer erreicht wird, was bedauernswert ist.
Natürlich spielen Schlagwörter wie Nachverdichtung, Mobilität und Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Gleichzeitig bedarf es einer minutiösen Prüfung dieser Trendbegriffe. Die Architekturgeschichte hilft uns oftmals Gelassenheit zu bewahren. Denn Vieles ist in vergleichbarer Form schon einmal aufgetreten. Die Arbeit an der Hochschule bietet uns den Raum, um diese Tendenzen auf anderer Flughöhe zu hinterfragen – auch mal innehalten zu können, was heutzutage für unsere Arbeit sehr wichtig ist. In einer Hochkonjunktur der Bauproduktion beobachten auch wir, dass Architekten am vollen Tellerrand inhaltlich zu verhungern drohen, wie es vor kurzer Zeit in der Zeitschrift Werk, Bauen und Wohnen formuliert wurde. Das wollen wir natürlich vermeiden.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.

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