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nextroom fragt: Bettina Götz und Richard Manahl
Bei ihren architektonischen Konzepten, Bauten und Wettbewerbsbeiträgen geht es den ARTEC Architekten um typologisch-strukturelle wie gesellschaftliche Bedingungen, um das Entwickeln von robusten Gebäudekonzepten und deren Reaktion auf den urbanen Kontext sowie auf die individuellen Raumbedürfnisse der Menschen. Bettina Götz und Richard Manahl im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.
13. März 2018
In welchen Bürostrukturen arbeiten sie?
Wir arbeiten ja schon seit unserer Studienzeit in Graz zusammen, ARTEC haben wir 1985 gegründet. Es dauerte jedoch wirklich lange, bis wir produktiv die jeweiligen Fähigkeiten des anderen nutzen konnten. Wir sind auch oft nicht einer Meinung. Es braucht viel Auseinandersetzung und Diskussion um zu einem für uns beide guten Ergebnis zu kommen. Nach inzwischen dreißig Jahren haben wir allerdings schon einen Stand erreicht, der Ergebnisse bringt, die einzeln so nicht möglich wären.
Wir haben eine interessante Bürosituation, in einem von uns geplanten Wohngebäude Am Hundsturm im 6. Bezirk. Die Räume haben wir als Rohbau übernommen, und auf unsere Bedürfnisse abgestimmt: ein Haus im Haus, mit großem, offenen Arbeitsraum, einer Modellbauwerkstatt, einem geräumigen Lager und sogar einem eigenen Garten.
Mit zehn bis zwölf Mitarbeitern ist unser Team in Relation zu unseren Projekten eher klein. In den letzten Jahren haben wir vier große Wohnbauprojekte parallel realisiert, jeweils mehr als 100 Wohnungen, alles komplizierte Projekte mit hohem Bearbeitungsgrad, weil wir für jede Bauaufgabe einen eigenen, neuen Ansatz suchen. Wir haben ausgezeichnete MitarbeiterInnen, mit denen wir uns gut verstehen und teilweise schon sehr lange zusammenarbeiten.
Wir begleiten jedes Projekt bis zur Fertigstellung, was vom Zeitaufwand her sehr anspruchsvoll ist. Bettina hat seit 2006 eine Professur an der Universität der Künste in Berlin, und ist dadurch zwangsläufig viel unterwegs. Die verbleibende gemeinsame Zeit im Büro müssen wir dann eben möglichst effizient strukturieren.
2. Was inspiriert sie?
Was wir wirklich inspirierend finden, sind schwierige Aufgaben. Es ist ungemein reizvoll, sich auf komplexe Themen einzulassen, hineinzudenken bis man auf eine adäquate Lösung kommt. Wir suchen immer nach einem übergeordneten Konzept, anhand dessen eine Geschichte heraus entwickelt wird. Wir machen ja sehr viele Wettbewerbe und es ist dann auch sehr interessant zu sehen, wo man selber steht und was andere Teilnehmer eventuell radikaler machen.
Entscheidend ist zudem eine Außensicht auf die eigene Arbeit. Durch das Unterrichten lernt man, Qualitäten von Projekten direkter zu erkennen - und überhaupt - Aufgaben in einem selber definierten Kontext zu stellen. Das kann den Horizont ziemlich erweitern.
Was uns weiterhilft - ästhetisch und überhaupt - ist das Rausgehen in die Berge der Wiener Umgebung, auf die Rax, den Schneeberg, den Ötscher. Wir kommen ursprünglich beide aus Vorarlberg, und erst bei einem Flug nach Zürich über den Schneeberggipfel ist uns die unmittelbare Nähe dieser schroffen und schönen Alpenwelt zur Wiener Stadt klargeworden.
3. Was begrenzt die Verwirklichung ihrer Visionen?
Mittelmäßige Juroren! Sehr viele hervorragende Ideen werden von kleindenkenden Juroren nicht erkannt oder geschätzt, und dementsprechend nicht argumentiert und weiterverfolgt. Manchmal verliert man Wettbewerbe zu Recht, doch generell wird heute einer Mittelmäßigkeit der Vorzug gegeben, weil`s vermeintlich einfacher ist. Trotzdem lieben wir Wettbewerbe. Wir beschäftigen uns ja sehr viel mit Wohnbau und strukturell typologischen Konzepten, da sind auch verlorene Wettbewerbe ein immenser Fundus, aus dem wir Ansätze mitnehmen und weiterentwickeln können.
Außergewöhnlich gute Juroren wiederum gibt es aber schon auch - denen ist ein großer Teil der österreichischen Architekturqualität zu verdanken. Wir haben einiges gebaut, wo man sich wundert, wie solche Projekte einen Wettbewerb gewinnen konnten. Außerdem genügt es ja nicht, einen Wettbewerb zu gewinnen - es ist nur der erste, notwendige Schritt zu einer erfolgreichen Realisierung. Ohne kompetente Bauherrschaft in der Folge wird es dann erst recht wieder schwierig.
4. Welches ihrer Projekte möchten sie hervorheben?
Klar hervorheben wollen wir ein Projekt, das ohne die damalige Architektenjury nicht zu gewinnen gewesen wäre: der Wohnbau in der Tokiostraße - die Bremer Stadtmusikanten. Eine Wohnbebauung, bei der suburbane, zweigeschossige Typologien mit jeweils spezifischen, zugeordneten Freiräumen zu einem dichten, städtischen Komplex gestapelt wurden.
Prinzipiell würde man glauben, dass immer das jeweils neueste Projekt den höchsten Stand an Fortschritt bedeutet. Beim Wohnbau geht es jedoch genau in die entgegengesetzte Richtung.
Ein Phänomen beobachten wir nach jedem fertig gestellten Wohnbau, egal ob Bremer Stadtmusikanten, Mühlgrund oder Raxstraße. Nämlich, dass wir sicher sein können, beim nächsten Projekt den gerade realisierten Standard nicht mehr machen zu können.
Die jeweils neuen Einschränkungen kommen aus unterschiedlichsten Richtungen: oftmals Bauphysik, dann sind aus Brandschutzgründen plötzlich keine offenen Hallen mehr möglich, die Wohnungsgrößen müssen minimiert werden, zweigeschossige Wohnungen sind nicht mehr gewünscht, und wenn dann auch noch die Fenster auf das Notwendigste minimiert werden sollen, muss man scharf nachdenken, wo man als Architekt noch Löcher für ein konstruktives Arbeiten findet.
Bei einem unserer letzten Wohnbauprojekten ist es uns beispielsweise gelungen, allen Einschränkungen zum Trotz und mithilfe der tiefen, von der Widmung vorgegebenen Baukörper, für die Wohnungen durchgehende Glasfassaden zu realisieren. `Aus der Not eine Tugend machen´ ist im Moment fast das wichtigste Konzept im Wohnbau.
5. Worüber sollten Architekten reden, einen Diskurs führen?
Wir müssen wieder viel mehr über Visionen und Zukunft reden. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass alles restriktiv und rückschrittlich gehandhabt wird. Wir sollten uns jedoch Gedanken über eine positive Weiterentwicklung machen. Vor allem auch in Bezug auf das Thema Stadt.
Die Städte wachsen, aber wie bauen wir lebenswerte Stadt? Alle reden vom Wohnbau, aber je mehr man über Wohnbau nachdenkt, umso brisanter werden die Fragen der Qualität des neu errichteten öffentlichen Stadtraumes. Wer fährt denn freiwillig in die neu errichteten Stadtquartiere ohne dass er dort wohnt? Gibt es überhaupt positive Beispiele? Es fehlt die Vision, neue Utopien müssen entwickelt werden.
Erinnern wir uns an die Denkansätze der 1960er Jahre: dass Städte schwebende Kugeln sein könnten (Buckminster Fuller), dass eine Wohnung auch ein Helm sein kann (Walter Pichler) - dieses Spielen im Großen und im Kleinen. Alles muss hinterfragt werden, immer wieder von neuem: was ist städtisches Leben, was brauche ich dazu, wie könnte etwas in der Gemeinschaft funktionieren ...?
Wären beispielsweise die pädagogischen Ansätze im Schulwesen in den skandinavischen Ländern nicht völlig neu diskutiert worden, wären dort die innovativen, offenen Schullandschaften nie entstanden. Nur durch rigoroses Vordenken sind andere Formen von Benutzung und Gestaltung möglich. Der herrschende Pragmatismus bringt uns nicht weiter, programmatische Diskussionen sind unerlässlich.
Und dann noch diese ganze Dienstleistungsproblematik: Architektur darf nicht einfach Dienstleistung sein, es gibt den ethisch moralischen Anspruch und die gesellschaftliche Verpflichtung. Nur wenn sich ArchitektInnen als Anwälte einer Öffentlichkeit, als Gestalter von Baukultur begreifen, wird Nachhaltiges entstehen. Wenn wir lediglich bedarfsorientiert auf die Bedürfnisse von Investoren reagieren, schränken wir das große Spektrum von Architektur, die ja weit über hundert Jahre wirken könnte, auf eine mickrige Gegenwart ein.
Wir arbeiten ja schon seit unserer Studienzeit in Graz zusammen, ARTEC haben wir 1985 gegründet. Es dauerte jedoch wirklich lange, bis wir produktiv die jeweiligen Fähigkeiten des anderen nutzen konnten. Wir sind auch oft nicht einer Meinung. Es braucht viel Auseinandersetzung und Diskussion um zu einem für uns beide guten Ergebnis zu kommen. Nach inzwischen dreißig Jahren haben wir allerdings schon einen Stand erreicht, der Ergebnisse bringt, die einzeln so nicht möglich wären.
Wir haben eine interessante Bürosituation, in einem von uns geplanten Wohngebäude Am Hundsturm im 6. Bezirk. Die Räume haben wir als Rohbau übernommen, und auf unsere Bedürfnisse abgestimmt: ein Haus im Haus, mit großem, offenen Arbeitsraum, einer Modellbauwerkstatt, einem geräumigen Lager und sogar einem eigenen Garten.
Mit zehn bis zwölf Mitarbeitern ist unser Team in Relation zu unseren Projekten eher klein. In den letzten Jahren haben wir vier große Wohnbauprojekte parallel realisiert, jeweils mehr als 100 Wohnungen, alles komplizierte Projekte mit hohem Bearbeitungsgrad, weil wir für jede Bauaufgabe einen eigenen, neuen Ansatz suchen. Wir haben ausgezeichnete MitarbeiterInnen, mit denen wir uns gut verstehen und teilweise schon sehr lange zusammenarbeiten.
Wir begleiten jedes Projekt bis zur Fertigstellung, was vom Zeitaufwand her sehr anspruchsvoll ist. Bettina hat seit 2006 eine Professur an der Universität der Künste in Berlin, und ist dadurch zwangsläufig viel unterwegs. Die verbleibende gemeinsame Zeit im Büro müssen wir dann eben möglichst effizient strukturieren.
2. Was inspiriert sie?
Was wir wirklich inspirierend finden, sind schwierige Aufgaben. Es ist ungemein reizvoll, sich auf komplexe Themen einzulassen, hineinzudenken bis man auf eine adäquate Lösung kommt. Wir suchen immer nach einem übergeordneten Konzept, anhand dessen eine Geschichte heraus entwickelt wird. Wir machen ja sehr viele Wettbewerbe und es ist dann auch sehr interessant zu sehen, wo man selber steht und was andere Teilnehmer eventuell radikaler machen.
Entscheidend ist zudem eine Außensicht auf die eigene Arbeit. Durch das Unterrichten lernt man, Qualitäten von Projekten direkter zu erkennen - und überhaupt - Aufgaben in einem selber definierten Kontext zu stellen. Das kann den Horizont ziemlich erweitern.
Was uns weiterhilft - ästhetisch und überhaupt - ist das Rausgehen in die Berge der Wiener Umgebung, auf die Rax, den Schneeberg, den Ötscher. Wir kommen ursprünglich beide aus Vorarlberg, und erst bei einem Flug nach Zürich über den Schneeberggipfel ist uns die unmittelbare Nähe dieser schroffen und schönen Alpenwelt zur Wiener Stadt klargeworden.
3. Was begrenzt die Verwirklichung ihrer Visionen?
Mittelmäßige Juroren! Sehr viele hervorragende Ideen werden von kleindenkenden Juroren nicht erkannt oder geschätzt, und dementsprechend nicht argumentiert und weiterverfolgt. Manchmal verliert man Wettbewerbe zu Recht, doch generell wird heute einer Mittelmäßigkeit der Vorzug gegeben, weil`s vermeintlich einfacher ist. Trotzdem lieben wir Wettbewerbe. Wir beschäftigen uns ja sehr viel mit Wohnbau und strukturell typologischen Konzepten, da sind auch verlorene Wettbewerbe ein immenser Fundus, aus dem wir Ansätze mitnehmen und weiterentwickeln können.
Außergewöhnlich gute Juroren wiederum gibt es aber schon auch - denen ist ein großer Teil der österreichischen Architekturqualität zu verdanken. Wir haben einiges gebaut, wo man sich wundert, wie solche Projekte einen Wettbewerb gewinnen konnten. Außerdem genügt es ja nicht, einen Wettbewerb zu gewinnen - es ist nur der erste, notwendige Schritt zu einer erfolgreichen Realisierung. Ohne kompetente Bauherrschaft in der Folge wird es dann erst recht wieder schwierig.
4. Welches ihrer Projekte möchten sie hervorheben?
Klar hervorheben wollen wir ein Projekt, das ohne die damalige Architektenjury nicht zu gewinnen gewesen wäre: der Wohnbau in der Tokiostraße - die Bremer Stadtmusikanten. Eine Wohnbebauung, bei der suburbane, zweigeschossige Typologien mit jeweils spezifischen, zugeordneten Freiräumen zu einem dichten, städtischen Komplex gestapelt wurden.
Prinzipiell würde man glauben, dass immer das jeweils neueste Projekt den höchsten Stand an Fortschritt bedeutet. Beim Wohnbau geht es jedoch genau in die entgegengesetzte Richtung.
Ein Phänomen beobachten wir nach jedem fertig gestellten Wohnbau, egal ob Bremer Stadtmusikanten, Mühlgrund oder Raxstraße. Nämlich, dass wir sicher sein können, beim nächsten Projekt den gerade realisierten Standard nicht mehr machen zu können.
Die jeweils neuen Einschränkungen kommen aus unterschiedlichsten Richtungen: oftmals Bauphysik, dann sind aus Brandschutzgründen plötzlich keine offenen Hallen mehr möglich, die Wohnungsgrößen müssen minimiert werden, zweigeschossige Wohnungen sind nicht mehr gewünscht, und wenn dann auch noch die Fenster auf das Notwendigste minimiert werden sollen, muss man scharf nachdenken, wo man als Architekt noch Löcher für ein konstruktives Arbeiten findet.
Bei einem unserer letzten Wohnbauprojekten ist es uns beispielsweise gelungen, allen Einschränkungen zum Trotz und mithilfe der tiefen, von der Widmung vorgegebenen Baukörper, für die Wohnungen durchgehende Glasfassaden zu realisieren. `Aus der Not eine Tugend machen´ ist im Moment fast das wichtigste Konzept im Wohnbau.
5. Worüber sollten Architekten reden, einen Diskurs führen?
Wir müssen wieder viel mehr über Visionen und Zukunft reden. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass alles restriktiv und rückschrittlich gehandhabt wird. Wir sollten uns jedoch Gedanken über eine positive Weiterentwicklung machen. Vor allem auch in Bezug auf das Thema Stadt.
Die Städte wachsen, aber wie bauen wir lebenswerte Stadt? Alle reden vom Wohnbau, aber je mehr man über Wohnbau nachdenkt, umso brisanter werden die Fragen der Qualität des neu errichteten öffentlichen Stadtraumes. Wer fährt denn freiwillig in die neu errichteten Stadtquartiere ohne dass er dort wohnt? Gibt es überhaupt positive Beispiele? Es fehlt die Vision, neue Utopien müssen entwickelt werden.
Erinnern wir uns an die Denkansätze der 1960er Jahre: dass Städte schwebende Kugeln sein könnten (Buckminster Fuller), dass eine Wohnung auch ein Helm sein kann (Walter Pichler) - dieses Spielen im Großen und im Kleinen. Alles muss hinterfragt werden, immer wieder von neuem: was ist städtisches Leben, was brauche ich dazu, wie könnte etwas in der Gemeinschaft funktionieren ...?
Wären beispielsweise die pädagogischen Ansätze im Schulwesen in den skandinavischen Ländern nicht völlig neu diskutiert worden, wären dort die innovativen, offenen Schullandschaften nie entstanden. Nur durch rigoroses Vordenken sind andere Formen von Benutzung und Gestaltung möglich. Der herrschende Pragmatismus bringt uns nicht weiter, programmatische Diskussionen sind unerlässlich.
Und dann noch diese ganze Dienstleistungsproblematik: Architektur darf nicht einfach Dienstleistung sein, es gibt den ethisch moralischen Anspruch und die gesellschaftliche Verpflichtung. Nur wenn sich ArchitektInnen als Anwälte einer Öffentlichkeit, als Gestalter von Baukultur begreifen, wird Nachhaltiges entstehen. Wenn wir lediglich bedarfsorientiert auf die Bedürfnisse von Investoren reagieren, schränken wir das große Spektrum von Architektur, die ja weit über hundert Jahre wirken könnte, auf eine mickrige Gegenwart ein.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.