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nextroom fragt: Kathrin Aste und Frank Ludin
nextroom fragt: Kathrin Aste und Frank Ludin, Pressebild: Marc Lins

Kathrin Aste und Frank Ludin sind eines der drei Teams für den Beitrag im Österreich-Pavillon an der 16. Architekturbiennale in Venedig. Das diesjährige Thema ermöglicht ihnen, ihr Verständnis von Freiraum im Kontext einer Vielzahl architektonischer Ansätze zu reflektieren. Architektur wird von LAAC als Resultat von Prozessen und als Verzeichnis von Beziehungen verstanden. Sie entwickeln und erforschen innovative Antworten auf urbane und landschaftliche Herausforderungen und arbeiten an der Schnittstelle von Kunst, Kultur und Gesellschaft, an der Interessenssymbiose von funktioneller Bestimmung und öffentlichem Interesse. Kathrin Aste und Frank Ludin im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.

11. Mai 2018
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?

Wir arbeiten sehr teamorientiert, einerseits im Büro mit unseren MitarbeiterInnen und andererseits mit anderen ProfessionalistInnen, mit KünstlerInnen, aber auch mit Partnern in interdisziplinären Kooperationen. Die Hierarchie im Büro ist sehr flach, weil wir denken, dass mit steigender Verantwortung auch das Verständnis und damit die Kompetenz zunimmt. Die Art und Weise wie Projekte und Prozesse in Verantwortungsstrukturen, Zuständigkeiten und qualitätsvoller Kommunikation funktionieren sind Themen, mit denen wir uns intensiv beschäftigen. Unser Teamverständnis bezieht sich darüber hinaus auch auf die intensive Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft. Wir planen so komplexe, herausfordernde Projekte, dass Klarheit und Professionalität in der Abwicklung unabdingbar sind, um diese überhaupt umsetzen zu können.
Unsere Challenge besteht darin, engagierte Architektur mit intellektueller und kultureller Tiefe zu realisieren. Entwerfen, Planen und Bauen ist für uns ein Akt des Argumentierens und Debattierens. Diese Debatte ist der Ursprung eines jeden Projekts. Deshalb bevorzugen wir auch Großraumstrukturen als Arbeitsumgebung für unser Team von durchschnittlich 10 Leuten. Das ermöglicht den regen Austausch untereinander und ein Lernen voneinander.

Was inspiriert Sie?

Unsere Inspirationsquellen sind wahrscheinlich endlos, mitunter spontan und so vielschichtig wie jeder einzelne in unserem Team. Wir finden sie in der Kunst genauso wie in der Popkultur, in Late-Night-Shows, philosophischen Pamphlets, dem Extremsport oder in der Diversität der Landschaft, und dies sei nur beispielhaft angeführt.
 Für uns steht der architektonische Raum immer im Austausch mit seiner Umwelt. Deshalb versuchen viele unserer Projekte Bedeutungszusammenhänge zu ergründen und beschäftigen sich mit Konzepten, basierend auf Kontext und Koexistenz. Das Wesen des Experimentellen ist uns immer ein Motor der uns antreibt das Mögliche, das Unerwartete und das Eigenwillige in den Projekten auszuloten.
Ein freudvoller Austausch innerhalb einer lebendigen Architekturszene ist für uns gleichermaßen inspirierend, wie sich täglich mit den schwierigen Fragestellungen unserer Zeit zu konfrontieren.

Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?

Ein breites Unverständnis was Architektur ist. Wie die Kunst ist Architektur eine gestaltende, schöpferische Tätigkeit und eine Kultur schaffende, künstlerische Disziplin. Stärker noch als die Kunst übt sie im Lebensalltag eine unmittelbare, ja existentielle Wirkung aus, die in der Gesellschaft Reaktionen und Stellungnahmen in physischer wie psychischer Hinsicht provoziert. Bei der Gestaltung unseres Lebensraumes, kommt der Architektur eine besondere Verantwortung zu. Zunehmend müssen wir uns die Frage stellen, wer überhaupt die Rolle des Gestalters inzwischen übernimmt, in einer Zeit in der wirtschaftlicher Druck, Standardisierung und Überregulierung die Freiräume massiv einengen. Dass Gestaltungsprozesse heute nur noch im intensiven Austausch mit anderen, also interdisziplinär und in Form von Koproduktion funktionieren, ist notwendig, wünschenswert und bereichernd. Wer aber ist Teil dieser Produktion und welche Anliegen werden verfolgt? AuftraggeberInnen und NutzerInnen denken im Rahmen ihrer persönlichen Anliegen, PolitikerInnen unter Druck ihrer Wählerschaft, VerwalterInnen und FachplanerInnen unter Berücksichtigung der Normen. Sie alle bringen Partialinteressen ein, die es natürlich zu beachten gilt, aber auch kritisch zu hinterfragen. Architektur sollte nicht das Resultat des kleinsten gemeinsamen Nenners sein und Architekten und Architektinnen nicht die Mediatoren dieser Bruchlandung. Wollen wir der kulturellen Vitalität unserer Gesellschaft Ausdruck verleihen um ein kulturelles Erbe zustande zu bringen das noch schützenswert ist, wäre es an der Zeit, die Prioritäten zu verschieben.

Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?

Der Landhausplatz in Innsbruck, den wir gemeinsam mit Architekt Hannes Stiefel und dem Künstler Christopher Grüner entwickelt haben, bei dem auch Historiker und Nutzergruppen beteiligt waren, verdeutlicht sehr gut unseren kooperativen und interdisziplinaren Ansatz. Bei der Genese des Projektes beschäftigten wir uns ausführlich mit dem Schaffen und Verändern von Kontexten, und der Wahrnehmung eines Ortes, der sowohl eine gewichtige historische als auch stadträumliche Bedeutung hat. Architektur ist für uns insbesondere interessant, wenn sie die Fähigkeit hat Fragen zu stellen. Oder wie es Christopher Alexander formuliert: „A well designed house not only fits its context well but also illuminates the problem of just what the context is, and thereby it clarifies the life which it accommodates“. Der Landhausplatz zeigt, dass Architektur Aktionen sowie Reaktionen auslöst und räumliche Veränderungen neue Möglichkeiten erzeugen können. Heute ist der Landhausplatz ein moderner, urbaner, öffentlicher Raum, in dem die widersprüchlichen Bedingungen des Ortes, seiner Umgebung und die verschiedenen BenützerInnen interagieren. Den Landhausplatz möchten wir eben deshalb hervorheben, weil er Prozesse, Anliegen und Inhalte so gut sichtbar macht. Natürlich sind uns alle Projekte gleich wichtig und werden mit viel Freude und Engagement betrieben.

Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?

Wir sollten die Architektur wieder selbst in die Hand nehmen und bestimmen, was die zentralen Inhalte dieser Disziplin sind – darüber reden was Architektur sein kann, Visionen erdenken und uns von den reaktionären Tendenzen unserer Zeit nicht instrumentieren lassen. Wir sollten uns Gedanken über eine wünschenswerte Zukunft machen, uns den Freiraum nehmen und Architektur beitragen, die eine Qualität des Raumes und des Zwischenraumes zelebriert, wir sollten dem Außergewöhnlichen wieder eine Chance geben und das Ambivalente, Unbestimmte und Eigenwillige begrüßen.
Im Vergleich zur Aufbruchsstimmung der 1960er/ 70er-Jahre, aber auch noch in den 90er-Jahren, sind wir heute viel zu pragmatisch geworden. Wo sind die Utopien geblieben? Und das ist ein Problem, wir ArchitektInnen sind nicht nur dazu ausgebildet die Gestalt oder das Gesicht eines Gebäudes zu entwickeln, sondern wir sind für unsere Lebenswelt zuständig. Da spielt der Raum eine ganz zentrale Rolle. Diese Bedeutung beschreibt Immanuel Kant in der Kritik der reinen Vernunft, als eine transzendentale Bedingung der Erkennbarkeit von Dingen. Insofern beschäftigen wir uns mit etwas ganz Essentiellem. Wenn wir nicht über die Qualität von Raum diskutieren, setzen wir ihn aufs Spiel.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.

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